Bruno Gröning-Freundeskreis
Der Bruno Gröning-Freundeskreis (BGF) stellt sich auf seiner Internetseite als „eine der größten weltweit tätigen Vereinigungen zur Heilung auf dem geistigen Weg“ vor. Auf allen Kontinenten der Erde gibt es mittlerweile örtliche Gemeinschaften, wo sich Anhänger und Interessierte in dreiwöchigen Abständen zu Gemeinschaftsstunden treffen. In Deutschland ist von über 200 regionalen Gruppen auszugehen, genauere Zahlen liegen nicht vor. Die Informationen der Internetseite sind in 31 Sprachen abrufbar, dort sind die Kontaktdaten von regionalen Ansprechpartnern in fast 200 Ländern zu finden. Auf den „Wunderheiler“ Bruno Gröning (1906 – 1959) ist eine weltweite Bewegung zurückzuführen.
Bruno Gröning
Bruno Grönkowski wurde am 30. Mai 1906 als viertes von sieben Kindern in einfachen Verhältnissen in Danzig geboren und katholisch erzogen. 1936 ließ er den Nachnamen seiner jungen Familie – mit 21 Jahren hatte er geheiratet, sein erster Sohn war zwei Jahre später geboren worden – in Gröning eindeutschen. Nach der Volksschule brach er verschiedene Ausbildungen ab und war als Gelegenheitsarbeiter tätig. 1943 kam er zur Wehrmacht, 1946 kehrte er aus russischer Kriegsgefangenschaft zurück und zog nach Dillenburg (Hessen). Seine Hauswirtin berichtete dort, dass er ihre Nichte geheilt habe. Die Nachricht von Grönings „göttlicher Kraft“ verbreitete sich, sodass auch ein Herforder Ingenieur, dessen achtjähriger Sohn an Muskelschwund litt, Gröning um Hilfe bat. Dem Jungen ging es zunächst tatsächlich besser – wie das bei dieser Krankheit zeitweise der Fall sein kann. Einige Jahre später starb er jedoch an seiner Krankheit.
Die vermeintliche Heilung sorgte 1949 für ein großes mediales Interesse, und zahlreiche Kranke strömten zum „Wunderheiler“ nach Herford. Weitere Stationen seiner Heilaktivitäten in den Jahren 1950 bis 1953 waren Hamburg, Oldenburg, Wangerooge und Oberbayern. Wegen der fehlenden Heilerlaubnis geriet Gröning allerdings bald in Konflikte mit den Gesundheitsbehörden. Weil er immer wieder gesetzliche Bestimmungen ignorierte, wurde 1954 in München ein umfangreiches Ermittlungsverfahren eingeleitet. Ihm wurde vorgeworfen, wissentlich gegen das Heilpraktikergesetz verstoßen und dabei fahrlässig den Tod von mindestens einem Menschen in Kauf genommen zu haben. Er wurde zu einer Strafe von acht Monaten Gefängnis verurteilt und erhielt ein Auftrittsverbot für die gesamte Bundesrepublik. In einem früheren Gerichtsverfahren antwortete Gröning auf die Frage, welche Krankheiten er heilen könne: „Ich heile alle Krankheiten auf der Erde!“ Auf die Rückfrage hin, warum er nicht bei sich selbst anfange und seinen deutlich sichtbaren Kropf heile, erwiderte er, dass er denselben brauche, um darin alle Krankheiten der Menschen auf der ganzen Welt einzusammeln. Wer an ihn als Erlöser glaube, der werde sofort von seinem Leiden befreit.
Schon 1950 hatte sich im Auftrag der Staatsanwaltschaft Oldenburg ein Arzt unter die Heilungsuchenden bei einer Veranstaltung mit Gröning gemischt und ihm anschließend in einem Gutachten „Größen- und Verfolgungswahn“ bescheinigt. Der bekannte Heidelberger Psychiater Alexander Mitscherlich attestierte Gröning in einem Gerichtsgutachten eine „krankhafte Persönlichkeit [...] mit einem überdurchschnittlichen Maß an Suggestivkraft“. Vielen Ratsuchenden habe er Heilung versprochen und ihnen ausdrücklich geraten, keinen weiteren Arzt aufzusuchen. Selbstbewusst habe er auch jede fachärztliche Hilfe bei der Behandlung seiner kranken Kinder abgelehnt. Die beiden Söhne des Heilers starben in jungen Jahren an einem Herzklappenfehler bzw. einer Brustfellentzündung.
Gröning selbst erkrankte an Magenkrebs und ließ sich 1958 schulmedizinisch in Paris behandeln. Das Karzinom war aber bereits inoperabel und führte am 26. Januar 1959 zu Grönings Tod. Seine Anhänger erklärten rückblickend, er sei innerlich verbrannt, weil sein „Heilstrom“ nach dem Verbot nicht mehr habe fließen können. In jedem Jahr werden große Gedenkfeiern am Geburts- und Todestag Grönings abgehalten.
Der BGF als Vermittlungsorganisation des „göttlichen“ Heilstroms
Zur Organisation seiner Vorträge gründete Gröning im Jahr 1953 den „Verein zur Förderung seelisch-geistiger und natürlicher Lebensgrundlagen“, wodurch die ersten lokalen Gemeinschaften von Geheilten und Heilungsuchenden in Deutschland entstanden. 20 Jahre nach Grönings Tod, im Jahr 1979, kam es zu einer Abspaltung. Der „Bruno Gröning-Freundeskreis“ (BGF) trennte sich unter Leitung der österreichischen Lehrerin Grete Häusler (1922 – 2007) von dem bestehenden Verein. Häusler hatte 1950 selbst Heilung durch Gröning erlebt und die Gemeinschaften in Österreich organisiert. Ihr gelang es, das Archiv von Bruno Gröning zu übernehmen. Seit 2007 wird der BGF von ihrem Sohn Dieter Häusler (geb. 1962) geleitet.
Der BGF versteht sich als legitimer Erbe und Verwalter der Lehre Grönings und als Vermittlungsorganisation des „göttlichen“ Heilstroms. Konkurrenz erlebt der BGF durch Gruppierungen und Einzelpersonen, die selbst als authentische Nachfolger Grönings auftreten und den BGF ablehnen. Die heutige Leitung des ursprünglichen, von Gröning gegründeten Vereins hat Grete Häusler und dem BGF nachgewiesen, an einigen Stellen die Vorträge und Lehren Grönings nachträglich bearbeitet zu haben.
Im BGF ist die mit Abstand größte Anhängerschaft Grönings versammelt, was auf die professionelle Vermarktung von dessen Lehre zurückgeführt werden kann. Heute umfasst das Sortiment des Grete-Häusler-Verlags ein umfangreiches und vielfältiges Repertoire aus Büchern, Hörbüchern, Musik-CDs, DVDs, Videos, Jahreskalendern sowie der Informationszeitschrift des BGF. Die meisten Artikel sind auch auf Englisch, Französisch, Niederländisch, Spanisch und Polnisch erhältlich. Als wirtschaftlich günstig dürfte sich die Tatsache erweisen, dass alle Mitarbeiter ihre Arbeit ehrenamtlich ausüben und „aus Nächstenliebe“ tätig sind. Angeblich arbeitet auch die Geschäftsleitung des Verlags unentgeltlich. Wohin die Gewinne des Verlags fließen, ist unklar.
Als wichtiges Werbemittel werden Filme eingesetzt. In einem eigenen Kanal bei YouTube sind Hunderte von Filmausschnitten in zahlreichen Sprachen abzurufen. Neben Mitschnitten von Vorträgen Grönings werden hauptsächlich enthusiastische Heilungsberichte geboten. Seit 2003 wirbt der BGF mit dem Dokumentarfilm „Das Phänomen Bruno Gröning“. Der Film wurde in über 35 Sprachen übersetzt und wird in öffentlichen Kinos vorgeführt, um neue Anhänger für den BGF zu gewinnen. Der Eintritt ist frei, um Spenden wird gebeten. Wegen der Überlänge – der Film dauert viereinhalb Stunden – wird er in drei Teilen vorgeführt. Die beiden Pausen sind eine gute Gelegenheit für die Anhängerinnen und Anhänger, gezielt mit Interessierten ins Gespräch zu kommen.
2015 kam der zweite Dokumentarfilm „Das Phänomen der Heilung“ heraus. Er zeichnet die Geschichte der Bewegung nach dem Tode Grönings nach. Im Zentrum des Films stehen 20 Erfolgsberichte, in denen Anhänger ihre medizinisch unerklärliche Heilung darstellen. Dazu kommen auch Ärzte der Medizinisch-Wissenschaftlichen Fachgruppe des BGF zu Wort, die schildern, wie sie anfängliche Bedenken gegenüber der Lehre Grönings überwunden haben. Wie in früheren Publikationen wird auch in dem neuen Dokumentarfilm vehement behauptet, Heilung auf dem geistigen Weg sei medizinisch beweisbar. Allerdings stellt die Werbebehauptung „medizinisch beweisbar“ eine Täuschung dar. Medizinisch beweisbar ist eine Heilung nur bei Anwendung der in der wissenschaftlichen Medizin geltenden Regeln. Diese kommen hier jedoch nicht zum Zug. Im Film werden nur subjektive Erfolgsberichte erzählt, die nicht nach wissenschaftlichen Regeln geprüft wurden.
Lehre und Praxis
Gröning versprach den Kranken Hilfe und Heilung auf geistigem Weg. Er fühlte sich von Gott beauftragt und wähnte sich in Übereinstimmung mit dem katholischen Glauben. Er selbst hat keine Lehre formuliert, sondern beeindruckte als charismatischer Redner. Laut Gröning gibt es keine unheilbare Krankheit, was ärztlich geprüfte Erfolgsberichte bestätigen würden. Heilungen geschähen allein auf geistigem Weg und seien nicht an Bruno Grönings materiellen Körper gebunden.
Kern der Lehre und Praxis Grönings bildet ein „Heilstrom“, der vom „Herrgott“ ausgehe und durch ihn hindurch Kranke heilen könne. Um den „Heilstrom“ aufzunehmen, sitzt der Hilfesuchende mit nach oben geöffneten Händen vor einem Foto Grönings. Arme und Beine sollen dabei nicht verschränkt sein, um das Fließen des Heilstroms nicht zu unterbinden. Nach Darstellung des BGF stößt der Heilstrom, wenn er durch den Körper fließt, auf durch Krankheit belastete Organe, die er zu reinigen beginnt. Wenn dabei Schmerzen auftreten, sei dies ein Anzeichen für die Reinigung des Körpers. Krankheit sei ihrem Wesen nach nicht von Gott gewollt. Deshalb sei es notwendig, dass sich der Mensch nicht mehr gedanklich mit der Krankheit beschäftige, sondern mit der Heilung.
Präventiv stellen sich die Anhängerinnen und Anhänger Grönings täglich auf den Empfang des Heilstroms ein. Die geistige Kraft des göttlichen Heilstroms von Gröning soll bis heute unvermindert wirken, sofern man darum bitte und sich darauf „einstelle“. Ein Anhänger Grönings beschreibt die Wirkungen des Heilstroms als „eine sehr zarte Elektrifizierung, verbunden mit einer Durchwärmung, Durchblutung und Entspannung des kranken Organs“ (Retlow 1949, 11).
Der gesunde Körper bildet nach Grönings Lehre die Voraussetzung für ein Leben in Einklang mit sich selbst, den Mitmenschen und der Natur. Dazu dienen auch die Gemeinschaftstreffen, die nach einer festen Ordnung ablaufen. Nachdem zunächst ein gemeinsames Lied gesungen wurde, folgt eine Ansprache des Leiters über einen Abschnitt aus dem Leben Grönings. Klassische oder meditative Musik unterbricht die Ansprache in der Regel mehrmals. Nach Grönings Erfahrung und Überzeugung sei dies eine gute Möglichkeit, sich vom Alltag und von negativen Gedanken zu lösen. Nach der Ansprache berichten Mitglieder über erfolgreiche Heilungen, auch Fernheilungen zählen dazu. Während der abschließenden „Einstellung“ wird nochmals Musik eingespielt, die den Heilerfolg verstärken soll.
Der BGF sieht in Gröning den Vermittler des Heilstroms, der die Welt retten kann. Portraitfotos von Gröning sollen den Empfang des Heilstroms verstärken. Viele Mitglieder tragen für den Notfall stets ein Bild des Heilers bei sich. In einem Lied, das in den Gemeinschaftsstunden gesungen wird, heißt es: „Als die Welt erkennen musste, dass sie keinen Weg mehr wusste, um befreit zu werden, schickte Gott auf Erden wieder einen Mann, der da neu begann, die Menschen zu befreien: Bruno Gröning.“
Einschätzung
Die Botschaften des BGF schüren bei Kranken utopische und übersteigerte Heilungserwartungen. Die Behauptung, dass es keine unheilbaren Krankheiten gebe, ist für Heilungsuchende eine gefährliche Irreführung. Dank des medizinischen Fortschritts lassen sich heute viele Erkrankungen wirkungsvoll lindern, viele auch heilen. Allerdings gibt es immer noch zahlreiche unheilbare und chronische Krankheiten, die eben nicht geheilt werden können, sondern bewältigt werden müssen. Hier setzt die Heilungsrhetorik des BGF Kranke erheblich unter Druck, wenn der angebliche Heilstrom keine Wirkungen zeigt. Es kann lebensgefährlich werden, wenn den Versprechen des BGF geglaubt und notwendige medizinische Hilfe abgelehnt wird. Die Behauptung, Gesundheit sei die Voraussetzung für Wohlbefinden und Glück, muss als Irrtum entlarvt werden. Auch mit Einschränkungen, Behinderungen und Krankheit ist ein sinnvolles und erfülltes Leben möglich.
Angebliche Wunderheiler wie Bruno Gröning, die durch rituelle und gruppendynamische Elemente starke Placebo-Wirkungen hervorrufen können, üben eine bleibende Faszination aus. Menschen lassen sich mitunter von irrationalen Mythen leiten. Dazu bedarf es eines Idols und Retters, der den Fanatismus steuert und kanalisiert. Die Sehnsucht nach Heilung und die Einbildungskraft sind menschliche Grundkonstanten, die leicht ausgenutzt werden können.
Michael Utsch, August 2021
Quellen
Busse, Thomas (Hg., 2007): Bruno Gröning. Leben und Lehre, Jestetten.
Pesch, Christoph / Hülsmann, Mechthild (Hg., 1999): 1001 Weg. Bruno Gröning in Tagebüchern junger Menschen, Mönchengladbach.
Retlow, Friedrich (1949): Bruno Grönings Heilstrom. Seine Natur und seine Wirkung, Herford.
Zeitschrift: Bruno Gröning. Informations-Zeitschrift des Freundeskreises.
Internet: https://www.bruno-groening.org.
Sekundärliteratur
Mildenberger, Florian (2019): „Im Gewand des Geistlichen“. Bruno Gröning als Ersatzpriester, in: Teut, Michael / Dinges, Martin / Jütte, Robert (Hg.): Religiöse Heiler im medizinischen Pluralismus in Deutschland, Stuttgart, 35 – 50.
Pöhlmann, Matthias / Jahn, Christine (Hg., 2015): Handbuch Weltanschauungen, Religiöse Gemeinschaften, Freikirchen, hg. im Auftrag der VELKD, Gütersloh, 446 – 454.