Commonsplace: Eine deutsch-muslimische Crowdfunding-Plattform

Vor Ausbruch der Viruskrise machten regelmäßige (Ramadan-)Kollekten noch einen wesentlichen Anteil der Einnahmen vieler Moscheegemeinden aus. Leere und fast leere Moscheen stellen manche muslimische Gemeinden daher vor erhebliche finanzielle Herausforderungen. Die neue Online-Plattform „Commonsplace“ will diesem Problem begegnen.

Alexander Benatar
Ein Taschenrechner und ein Stift liegen auf einem karierten Blatt Papier mit handschriftlichen Notizen.

Not macht erfinderisch. Dass dieser Grundsatz auch für finanzielle Nöte und auch in Zeiten der Corona-Pandemie gilt, wurde vielen muslimischen Gemeinden in Deutschland zuletzt noch einmal schmerzlich vor Augen geführt. Denn auch im zweiten Ramadan unter „Lockdown“-Bedingungen, der Mitte Mai endete, waren gemeinsame Gebete wie in christlichen Gottesdiensten nur unter Einhaltung strenger Abstandsregeln und Teilnahmebegrenzungen gestattet. Im letzten Frühjahr musste auf „präsentische“ Gottesdienste während des muslimischen Fastenmonats sogar vollständig verzichtet werden. Negative Auswirkungen hat dies nicht nur für die soziale Interaktion innerhalb der Gemeinden, sondern die leeren Moscheen stellen manche muslimische Gemeinden auch vor erhebliche finanzielle Herausforderungen. Vor Ausbruch der Viruskrise im letzten Jahr hatten die regelmäßigen Ramadan-Kollekten noch etwa 30 bis 50 Prozent der Jahreseinnahmen vieler Moscheegemeinden ausgemacht. Ohnehin finanzieren diese sich vor allem über Spenden der Gemeindemitglieder während der Freitagsgebete in den Moscheen, die nun Corona-bedingt ebenfalls stark eingeschränkt sind.

Der dadurch bedingte Einnahmenausfall stellt für manche Moscheegemeinde in Deutschland ein existenzielles Problem dar, zumal nicht nur die Besuchszahlen bei regelmäßigen Gebeten eingebrochen sind, sondern auch praktisch keine Hochzeiten oder sonstigen Feiern mehr in den Moscheen stattfinden, die sonst Anlass für großzügige Spenden an die gastgebende Gemeinde bieten. Durch private Spendeninitiativen auf lokaler Ebene können die hierdurch entstehenden erheblichen Finanzierungslücken vieler Moscheegemeinden nur teilweise kompensiert werden. Auch die Beantragung staatlicher Coronahilfen gestaltet sich mitunter äußerst zäh, da die meisten Gemeinden sehr informell organisiert, Haupt- und Ehrenamt in ihnen oft schwer auseinanderzuhalten sind und sie kaum über feste Mitgliederstrukturen oder gar ein ordentliches Spendenmanagement verfügen. Nicht wenige muslimische Gemeinden in Deutschland stehen inzwischen vor dem Bankrott und können anfallende Imamgehälter ebenso wenig zahlen wie Raummieten oder anfallende Nebenkosten. Auch in aus dem Ausland unterstützten Moscheen werden bestenfalls die Personalkosten aufgefangen.

Diese Probleme erkannte nun auch eine Gruppe junger deutscher Muslime und gründete die Crowdfunding-Plattform „Commonsplace“, die sich ausdrücklich als ein Hilfsangebot von deutschen MuslimInnen für deutsche MuslimInnen versteht. Commonsplace bietet sozialen, kulturellen und religiösen Projekten aus der muslimischen Community eine Bühne, um für finanzielle Unterstützung zur Umsetzung ihrer Ideen zu werben. Die auf der Online-Plattform bislang gelisteten Projekte reichen von der Anschaffung eines neuen Teppichs für ein Moscheegebäude über die Entwicklung muslimischer Seelsorgeangebote bis zur Gründung eines Verlags für muslimische Lyrik in deutscher Sprache. Einige Initiativen bewerben die Unterstützung ihrer Vorhaben zudem ausdrücklich als Sadaqa, eine freiwillige Almosengabe im Islam. Den Gründern von Commonsplace geht es um die Stärkung der innermuslimischen Solidarität in Deutschland, für die Listung eines Projekts auf ihrer Plattform verlangen sie eine Gebühr in Höhe von 5 Prozent der eingeworbenen Summe.

Letzteres ist nicht ungewöhnlich für einen zwar gemeinwohl-, aber eben doch auch gewinnorientierten Online-Marktplatz und weist Commonsplace bei allem gesellschaftlichen Innovationspotenzial als ein StartUp-Unternehmen wie viele andere aus. Als solchem ist das weitere Schicksal von Commonsplace wohl durchaus ungewiss – nur die wenigsten (Internet-)Neugründungen etablieren sich langfristig am Markt. Sofern die Gründer aber ihrem selbstgesteckten Ziel gerecht werden können, das zivilgesellschaftliche Engagement deutscher MuslimInnen zu fördern und dabei auch die Emanzipation von Moscheegemeinden in Deutschland von ausländischen Geldzahlungen, wäre Commonsplace ein Erfolg durchaus zu wünschen. Wesentlich für die weitere Entwicklung der Crowdfunding-Plattform wäre es außerdem, dass die Gründer ihre selbstauferlegten Richtlinien ernstnehmen, nach denen die bei ihnen beworbenen Initiativen keinesfalls die gesellschaftliche Spaltung befördern oder die „gesellschaftliche Harmonie gefährden“, sondern vielmehr zur „Vielfalt und Offenheit“ der muslimischen und nicht-muslimischen Gemeinschaft in Deutschland beitragen sollen.

Alexander Benatar
 
Projektwebsite: https://commonsplace.de/
 
Mehr zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf muslimisches Leben in Deutschland auch im EZW-Text 268 „Corona und Religionen - Religiöse Praxis in Zeiten der Pandemie“: https://ezw-berlin.de/html/119_10557.php

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Foto Dr. Alexander BenatarDr. phil. Alexander Benatar
Wissenschaftlicher Mitarbeiter
Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen
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10117 Berlin