Der Glaube an Paranormales geht zurück

Jahrelang galt es als ausgemacht, dass Esoterik und „Aberglaube“ in Deutschland zunähmen. Nun zeigt sich, dass die Verbreitung des Glaubens an scheinwissenschaftliche und allgemein paranormale Vorstellungen eher im Rückgang begriffen ist. Das zeigt eine repräsentative Umfrage, die das Institut Kantar (früher EMNID) im Frühjahr 2021 im Auftrag der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP) durchgeführt hat.

Kai Funkschmidt
Verschiedene Fläschchen mit Bach-Blütenessenzen

Jahrelang galt es als ausgemacht, dass Esoterik und „Aberglaube“ in Deutschland zunähmen. Der Eindruck entsteht unter anderem, weil bestimmte „alternative Zugänge zur Wirklichkeit“ als Mainstream wahrgenommen und in den Medien entsprechend präsentiert werden. Dazu zählen zahlreiche alternativmedizinische Methoden, aber auch esoterische Inhalte in staatlichen Lehreinrichtungen wie Volkshochschulen und Universitäten und bisweilen sogar in kirchlichen Einrichtungen.

Nun zeigt sich, dass die Verbreitung des Glaubens an scheinwissenschaftliche und allgemein paranormale Vorstellungen eher im Rückgang begriffen ist. Das zeigt eine repräsentative Umfrage, die das Institut Kantar (früher EMNID) im Frühjahr 2021 im Auftrag der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP) durchgeführt hat. Darüber berichtet Inge Hüsgen in der GWUP-Zeitschrift „Der Skeptiker“ 2/2021.

Abgefragt wurden in Face-to-Face Interviews zehn Aussagen, die mit Zustimmung oder Ablehnung beantwortet werden konnten. Fast alle Zustimmungsraten lagen deutlich unter 50 %. Die Fragen im Wortlaut:
 
1. Homöopathie ist ebenso wirksam wie konventionelle Medizin, wenn nicht sogar besser. (Zustimmung 33 %)

2. Mit der Wünschelrute kann man Wasseradern oder Erdstrahlen feststellen. (43 %)

3. Es gibt Menschen, die hellseherische Fähigkeiten besitzen. (28 %)

4. Menschliche Charaktereigenschaften werden von der Stellung der Sterne und Planeten bei der Geburt beeinflusst. (18 %)

5. Die von Elektrogeräten, Handymasten oder Stromleitungen ausgehende Strahlung ist gesundheitsschädlich. (56 %)

6. Ohne die Erweiterung um alternative Heilverfahren kann die moderne Medizin ihren Patienten nicht wirklich helfen. (35 %)

7. Es gibt Menschen, die Gegenstände allein mit Gedankenkraft bewegen können. (9 %)

8. Außerirdische haben die Erde mit Raumschiffen bereits besucht oder besuchen sie noch immer. (6 %)

9. Spuk ist ein reales, auf Geister zurückgehendes Phänomen. (7 %)

10. Es gibt Menschen oder Orte, die durch Übertragung besonderer energetischer oder spiritueller Kräfte heilen können. (19 %)
 
Das bedeutet z.B., dass der Glaube an Wasseradern und Erdstrahlen zwar immer noch verbreitet ist, aber immerhin 20 Prozentpunkte unter den vor zwei Jahrzehnten von Chrismon gemessenen Werten liegt. Der Glaube an Ufos hat sich etwa halbiert. Bildung, Alter, Beruf und politische Orientierung wirken sich kaum messbar aus. Gegenüber früheren ähnlichen Umfragen sind heute fast keine Ost-West-Unterschiede mehr feststellbar.

Zugenommen hat allein der Glaube an bzw. die Angst vor „Elektrosmog“ (laut Bundesamt für Strahlenschutz betraf das 2019 nur 31 % der Menschen). Hier wirken sich möglicherweise in jüngerer Zeit sich verbreitende Verschwörungstheorien im Zusammenhang mit dem G5-Mobilfunkstandard aus, der ansonsten eher aus politischen Gründen (Herkunft aus China) abgelehnt wird.

Auffällig und unerwartet sind die niedrigen Werte für Alternativmedizin und Homöopathie. Die Resultate bestätigen jedoch die ähnlich niedrigen Werte einer Civey-Umfrage vom Juni 2021. Dort stimmten über 55 % der Aussage zu, Homöopathie sei weitgehend wirkungslos, nur 30 % sahen es anders. Die geringe Zustimmung ist erstaunlich, wenn man bedenkt, dass man kaum noch Ärzte findet, die nicht mindestens eines, meist mehrere der zahlreichen alternativmedizinischen Verfahren anbieten (als Privatleistungen sind diese oft lukrativ). Nun darf man fragen: wenn nur ein Drittel der Bevölkerung daran glaubt – wie sieht es eigentlich bei den anbietenden Ärzten aus?

Die gemessene Zustimmung zu Alternativmedizin steht im Gegensatz zu deutlich höheren Werten, die die Anhänger und Hersteller homöopathischer und ähnlicher Produkte angeben. Laut GWUP liege das auch an der Fragestellung. Bei einer Befragung der Deutschen Homöopathie-Union 2020 zum Beispiel gaben 55 % an, „schon einmal selbst Erfahrungen mit Homöopathie bzw. mit der Verwendung homöopathischer Arzneimittel gemacht“ zu haben. Wenn man das als Zustimmung zur Homöopathie zählt, werden sogar Menschen eingerechnet, die ohne ihre Zustimmung oder als Kind Globuli verabreicht bekamen. Ob die Betreffenden an die Wirksamkeit glauben, bleibt dabei offen – was in der Darstellung alternativmedizinischer Lobbyisten gerne untergeht.

Ein totaler Sieg des Rationalismus steht trotzdem nicht bevor. Von den 2009 Befragten der GWUP-Umfrage stimmten 92 % mindestens einem der zehn paranormalen Phänomene zu.

Kai Funkschmidt
 

Links und Literatur:

EMNID 2001: UFOs, Astrologie, moderne Mythen. Der Glaube an Phänomene, die nicht bewiesen sind, ist weit verbreitet, Chrismon 6/2001 p.10.
https://blog.gwup.net/2021/06/24/der-glaube-an-das-paranormale-eine-umfrage-der-gwup/ (GWUP Umfrage). (Abgerufen am 07.09.21).
https://naturheilkunde-kompakt.de/2020/03/19/homoeopathie-verwenderschaft-gleichbleibend-hoch/ (Homöopathie-Umfrage). (Abgerufen am 07.09.21).
https://twitter.com/homeopathy_inh/status/1405018577430843393 (Civey-Umfrage) (Abgerufen am 07.09.21).

Ansprechpartner

Foto Dr. Kai FunkschmidtDr. theol. Kai Funkschmidt
Wissenschaftlicher Referent
Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen
Auguststraße 80
10117 Berlin