„Festival of Hope“ – Proteste gegen geplanten Auftritt von Franklin Graham in Köln

Der für Juni dieses Jahres geplante Auftritt des US-Evangelisten Franklin Graham bei der Großevangelisation „Festival of Hope“ in der Kölner Lanxess-Arena hat heftige Proteste auf sich gezogen. Martin Fritz fasst die Kontroversen zusammen.

Martin Fritz
Begeisterte Menschen bei einer Veranstaltung (Symbolbild Enthusiasmus)

Der für den 20. Juni dieses Jahres geplante Auftritt des US-Evangelisten Franklin Graham bei der Großevangelisation „Festival of Hope“ in der Kölner Lanxess-Arena hat heftige Proteste auf sich gezogen. Die Betreiber der Arena wurden verschiedentlich aufgefordert, die Vermietung zu stornieren, um Grahams ethisch-religiösen Anschauungen keine öffentliche Plattform zu bieten. Den deutschen Protestnoten waren entsprechende Debatten in Großbritannien vorausgegangen. Dort hatte Graham, ein Sohn des berühmten Baptistenpredigers Billy Graham (1918 – 2018), eine größere Evangelisationstour in acht Städten geplant, aber überall wurden die Events im Frühjahr von den Betreibern der angemieteten Stadien nach empörten Appellen abgesagt.

Im Zentrum der Kritik stehen in Großbritannien wie in Deutschland Äußerungen Grahams zur Homosexualität. Mit teils drastischen Worten hat der Prediger mehrfach die von vielen evangelikalen und konservativen Protestanten wie auch in der katholischen und orthodoxen Kirchenlehre vertretene Ansicht kundgetan, dass praktizierte Homosexualität „Sünde“ sei. Wer homosexuell empfinde und diese sexuelle Neigung auslebe, statt sie zu bereuen und sich von ihr loszusagen, dem drohten für dieses in Gottes Augen „abscheuliche“ Handeln nach biblischer Lehre „die Flammen der Hölle“. Graham hat sich daher gegen ein Verbot von Konversionstherapien zur „Heilung“ von der Homosexualität ausgesprochen. Er bekundete Zustimmung zum russischen Gesetz gegen Homosexuellen-Propaganda und rief zum Boykott von LGBTQ-freundlichen Firmen auf. Im letzten Jahr hat Graham, der aus seiner politischen Nähe zum republikanischen US-Präsidenten Donald Trump keinen Hehl macht, den damaligen Bewerber um die demokratische Präsidentschaftskandidatur Pete Buttigieg wegen dessen offener Homosexualität angegriffen.

Aufgrund besagter Äußerungen wurde Graham nicht nur für eine konservative bzw. reaktionäre Sexualmoral kritisiert, sondern ihm wurde wiederholt „Homophobie“ angelastet. Dieser Vorwurf wurde aber des Öfteren rhetorisch noch gesteigert. So appellierte etwa der Kölner Bundestagsabgeordnete Sven Lehmann, Sprecher für Queerpolitik der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, in einem offenen Brief an die Geschäftsführung von Lanxess, man dürfe einem „glasklaren Homofeind“ und „Hassprediger“ wie Franklin Graham „keine Bühne geben“. Dabei nimmt Lehmann wie andere Kritiker auch Bezug auf antiislamische Aussagen des US-Predigers, der in einem Interview nach dem 11. September 2001 den Islam als „gewalttätige“ und „böse“ Religion bezeichnet hatte. Summarisch wirft Lehmann Graham darum vor, „Hass auf Homosexuelle und Andersgläubige“ zu verbreiten. Vonseiten des Kölner Lesben- und Schwulentags (KLuST) wurde außerdem die Befürchtung vorgebracht, von solchermaßen aufgestachelten „radikalchristlichen“ Besuchern des „Festival of Hope“ gehe die Gefahr gewaltsamer Übergriffe auf Teilnehmende eines LGBTQ-Festivals („Cologne-Pride“) aus, das zeitgleich in Köln stattfinden wird. Die evangelistische Veranstaltung sei deshalb abzusagen.

Die massive Kritik blieb von evangelikaler Seite nicht unwidersprochen. Die Evangelische Freikirche Köln, die das Hope-Festival unterstützt, wertete die Vorwürfe gegen Graham und die geplante Veranstaltung in einer Stellungnahme als „verleumderisch“. Das darin transportierte „Feindbild“ sei seinerseits dazu geeignet, „unberechtigte Ängste und Hass gegenüber Menschen“ zu wecken, „die sich christlichen Werten verpflichtet haben und sich für Frieden und Gerechtigkeit in dieser Welt einsetzen“. Dafür wird von der Freikirche auf das humanitäre Engagement der von Graham geleiteten Organisation „Samaritan’s Purse“ (z.B. in der Flüchtlingskrise von 2015) hingewiesen. Graham werde in seiner Kölner Predigt nicht zu Hass anstacheln, sondern zum christlichen Glauben einladen, für den „die Liebe zu Gott und zu unseren Nächsten“ das „höchste Gebot“ sei, weshalb er „jedem Radikalismus und Rassismus“ zuwiderlaufe. Das mit der „biblischen Botschaft“ verbundene „Menschenbild“ – hierbei denken die Autoren wohl nicht zuletzt an ablehnende Bibelstellen zur Homosexualität – müsse in einem demokratischen Land öffentlich propagiert werden dürfen. Durch den öffentlichen Druck auf die Veranstalter des Hope-Festivals würden die verfassungsrechtlich garantierten Grundrechte der Meinungs- und Religionsfreiheit unterlaufen. Ähnliche Bedenken hat auch die konservativ-christliche Organisation Alliance Defending Freedom (ADF) International angemeldet.

Der Direktor des evangelikalen Bibelseminars Bonn, Heinrich Derksen, auf dessen Anregung die Einladung Grahams nach Köln zurückgeht, machte überdies geltend, man dürfe Grahams Bewertung der Homosexualität nicht von der christlichen Vergebungsbotschaft und dem christlichen Liebesgebot ablösen: Alle Menschen seien Sünder und bedürften der Gnade Gottes, und allen Menschen sei trotz ihrer Sünde mit Liebe zu begegnen. In diesem Sinne hat tatsächlich auch Graham die „Pflicht jedes Christen“ herausgestellt, Homosexuelle zu lieben. Angesichts dieser differenzierten Gesamtaussage, gibt Derksen zu bedenken, sei die Bezeichnung Grahams als „Hassprediger“, die den US-Evangelisten in eine „assoziative Nähe“ zu radikalislamischen Dschihad-Propagandisten rücke, „einfach die falsche Schublade“. Die Einordnung in diese Schublade, so ließe sich ergänzen, dient unübersehbar der generellen moralisch-politischen Diskreditierung Grahams.

Insgesamt kann der skizzierte Konflikt als Exempel einer Polarisierungstendenz in weltanschaulich-ethischen Diskursen der Gegenwart angesehen werden. Vor dem Hintergrund einer liberalen Mehrheitsmeinung über Humanität und Moral wirken die Anschauungen „bibeltreuer“ Christen nicht nur wie Relikte aus einer vormodernen Vergangenheit, sondern sie geraten zudem leicht in den Geruch des Inhumanen und Unsittlichen. Dies gilt erst recht, wenn sie einerseits in einem Grundton antimoderner Polemik und im Brustton eigener weltanschaulich-religiöser Überlegenheit vorgetragen werden – wie es bei Graham fraglos der Fall ist – und wenn sie andererseits ohne Verständnis und Sympathie für die betreffende religiöse Gesamtoption wahrgenommen werden – wie es vermutlich bei einem Gutteil seiner Kritiker der Fall ist. Freilich nimmt auch die Überzeugung von der unbedingten Gültigkeit der modern-liberalen Werte selbst inquisitorische Züge an, sofern sie zur Durchsetzung der eigenen, als alternativlos richtig angesehenen Position und zum Schutz der Allgemeinheit vor dem Falschen auch vor der unsachlichen Diskreditierung des weltanschaulichen Gegners nicht zurückschreckt.

Ethisch und politisch ist mit dem Graham-Konflikt die schwierige Frage aufgeworfen, wo persönlich und öffentlich die Grenzen der Toleranz gegenüber der Intoleranz zu ziehen sind. Es scheint hier faktisch die Regel zu gelten, dass diese Grenzen enger werden, je mehr die Antipoden zur Absolutsetzung der eigenen Position neigen, woraus logisch die vorbehaltlose Herabsetzung der Gegenposition folgt. Was diese Absolutsetzung betrifft, können die Graham-Kritiker für sich verbuchen, dass ihre Kritik vor dem Hintergrund einer Jahrhunderte währenden Leidensgeschichte von Homosexuellen erfolgt, für die auch die Disqualifizierung der Homosexualität als Sünde wesentlich mitverantwortlich war. Das kann auch die Schärfe der Wortwahl im Meinungsstreit und die darin zum Ausdruck kommende Selbstgewissheit verständlich machen – der Minderheiten- und Opferstatus begründet den Anspruch moralisch-weltanschaulicher Superiorität.

Allerdings können partiell auch die Graham-Verteidiger von diesem Effekt profitieren. Denn zumindest in Deutschland, wo gut 80 % der Bevölkerung die Homo-Ehe befürworten, ist die Verurteilung der Homosexualität in evangelikaler Tradition längst eine Minderheitsposition. (Und auch im evangelikalen Milieu selbst, wo es inzwischen LGBTQ-Initiativen wie das Netzwerk „Zwischenraum“ gibt, finden die polarisierenden Äußerungen Grahams nicht nur Zuspruch.) Je heftiger also die Angriffe auf die Position Grahams ausfallen, desto leichter wird es für deren Anhänger, sich ihrerseits als Opfer einer intoleranten Meinungsdiktatur zu stilisieren und diese Verfolgung mit Berufung auf biblische Aussagen und geschichtliche Reminiszenzen als Bestätigung zu deuten. „Wer das Wort Gottes predigt, bekommt immer Gegenwind“, so hat Franklin Graham die britische Protestwelle gegen seine Person kommentiert. – Die Entscheidung des Kölner Lanxess-Managements über eine mögliche Stornierung steht noch aus. Womöglich wird sie aber ja ohnehin durch die Corona-Epidemie hinfällig.

Martin Fritz

Ansprechpartner

Foto Dr. Martin FritzPD Dr. theol. Martin Fritz
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Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen
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