Für Menschen, die in weltanschaulichen Gemeinschaften schädigende Gruppenprozesse erlebt haben und diese besser verstehen und verarbeiten wollen, gibt es nur wenig Hilfsangebote. Menschen in spirituellen Krisen fallen häufig noch durch das Netz der ansonsten engmaschigen und ausdifferenzierten Hilfs- und Beratungsangebote des deutschen Gesundheitssystems, das viele für das beste weltweit halten. Auch die deutschsprachige Literatur über den Ausstieg aus destruktiven Gruppen ist im internationalen Vergleich spärlich (Sylvia Neubauer, Menschen auf der Suche. Beratung und Psychotherapie im Umfeld von sog. Sekten und weltanschaulichen Gemeinschaften vor dem Hintergrund systemischen Denkens. Wien 2018; Dagmar Borchers, Freiheit trotz Zugehörigkeit. Über den Ausstieg aus kulturellen und religiösen Gruppen. Paderborn 2019; Kathrin Kaufmann, Laura Illig, Johannes Jungbauer, Sektenkinder. Über das Aufwachsen in neureligiösen Gruppierungen und das Leben nach dem Ausstieg. Köln 2021).
Ein Berliner Verein der Sozialen Arbeit unterstützt Menschen in persönlichen Krisen und problematischen Verhältnissen. Eine bereits bestehendes Selbsthilfeangebot in Berlin wurde 2018 diesem Verein eingegliedert, um weiterhin zuverlässig und professionell Menschen zu unterstützen, die nach destruktiven Gruppenerfahrungen Hilfe suchen. Durch die Erfahrungen der letzten beiden Jahre wurde der Gesprächskreis zu einem „moderierten Gruppentreffen für Betroffene aus destruktiven Gruppen“ umgestaltet. Moderiert wird das Gruppentreffen von einer Pädagogin und einem Pädagogen, die beide langjährige Erfahrungen mit Kultaussteigern haben.
Eine neue Broschüre gibt vielfältige Einblicke in die Lebenswelt von Menschen, die in destruktiven Gruppen aufgewachsen sind. Berührende Fallgeschichten aus dem christlichen Fundamentalismus, einer therapeutischen Heilsgemeinschaft und einem fanatischen DDR-Sozialismus zeigen auf, wie tief sich unmenschliche Glaubenssätze in einzelnen Lebensgeschichten einprägen und seelische Störungen verursachen können. Es gehört viel Einfühlungsvermögen und Geduld dazu, Menschen aus einer „Pseudogemeinschaft“ zu mehr Aufrichtigkeit anzuleiten und in eine „authentische Gemeinschaft“ zu führen. Das vorgestellte Konzept dieser moderierten Selbsthilfegruppe ist eine gute Möglichkeit, Betroffene aus destruktiven Gruppen zu mehr innerer Freiheit und Beziehungsfähigkeit zu verhelfen.
Michael Utsch
Broschüre „Ausstiege aus destruktiven Gruppen“
https://destruktive-gruppen.de/
Ansprechpartner
Prof. Dr. phil. Michael Utsch
Wissenschaftlicher Referent
Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen
Auguststraße 80
10117 Berlin
Auguststraße 80
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