21.03.2024

Neues staatliches Beratungsangebot bei weltanschaulichen Konflikten

Im März 2024 startet ein neues Projekt der Bundesregierung, um Angehörige und Betroffene von Verschwörungsideologien zu beraten und zu schützen. Michael Utsch erinnert daran, dass die kirchliche Weltanschauungsarbeit jahrzehntelange Erfahrungen im Umgang mit extremen religiösen und weltanschaulichen Einstellungen gesammelt hat, die in diesem Projekt genutzt werden sollten.

Michael Utsch

Das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) und das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) hat im März ein gemeinsames Projekt zur Weiterentwicklung der Prävention von sowie Beratung zu Verschwörungsideologien im Zusammenhang mit extremistischen Einstellungen gestartet.

Verschwörungsdenken hat sich als eine ernstzunehmende Gefahr für die demokratische Gesellschaftsordnung herausgestellt. Die islamistischen Terroranschläge des 11. September 2001, die weltweite Corona-Pandemie sowie die Klimakrise haben eine Verschwörungsmentalität genährt. Die Weltdeutung, unsere öffentliche Wahrnehmung würde heimlich manipuliert und von mächtigen Drahtziehern im Geheimen gesteuert, verbreitet sich besonders stark in den Social Media. Verschwörungsmythen fallen bei Rechts- und Linksextremen auf besonders fruchtbaren Boden, viele Inhalte sind antisemitisch geprägt. In jüngerer Zeit wurde unter anderem der Mythos verbreitet, hinter den weltweiten Flüchtlingsbewegungen stecke ein geheimer Plan zur „Durchmischung“ oder zum „Austausch“ bislang vorgeblich homogener Völker. Manche Verschwörungsideologien haben nachweislich Gewalttäter radikalisiert, etwa der aus den USA stammende „QAnon“-Kult. Auf diesen bezog sich in Deutschland zum Beispiel der Rechtsterrorist, der 2020 in Hanau neun Menschen mit migrantischem Hintergrund ermordete.

Folgen des Verschwörungsdenkens machen seit Jahren einen wachsenden Teil der kirchlichen Weltanschauungsberatung aus (siehe den entsprechenden Beitrag des VELKD-Ausschusses „Religiöse Gemeinschaften“). Die Nähe zur klassischen „Sektenberatung“ und zum Umgang mit religiösem Extremismus liegt auf der Hand. Denn die Merkmale des Schwarz-Weiß-Denkens, der Endzeitangst, einem universalen Lösungsangebot, der sozialen Kontrolle in geschlossenen Gruppen und weitere sind sowohl in neuen religiösen Bewegungen als auch im Verschwörungsdenken maßgeblich.

Es ist erfreulich, dass die Bundesregierung entsprechende Präventions- und Beratungsmaßnahmen mit 1,1 Millionen Euro unterstützt. Das Projekt hat laut Pressemeldung die Vernetzung der staatlichen und zivilgesellschaftlichen Beratungs- und Informationsangebote zum Ziel und will einen steten Austausch und Wissenstransfer unter den relevanten Akteuren im Themenfeld sicherstellen. Darüber hinaus soll eine bundesweit erreichbare Anlaufstelle für Betroffene und insbesondere deren soziales Umfeld (sekundär Betroffene) entstehen. Es ist sinnvoll, dabei die etablierten Strukturen der kirchlichen Weltanschauungsarbeit zu nutzen und mit einzubeziehen.

Hier finden Sie die entsprechende Pressemitteilung des Bundesinnen- und Bundesfamilienministeriums vom 7.03.2024:

Pressemitteilung (bmi)

    Ansprechpartner

    Foto Dr. Michael UtschProf. Dr. phil. Michael Utsch
    Wissenschaftlicher Referent
    Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen
    Auguststraße 80
    10117 Berlin