Reinhard Bonnke gestorben

Am 7. Dezember 2019 ist der deutsche Evangelist und Gründer des pfingstkirchlichen Missionswerks „Christus für alle Nationen“/„Christ for all Nations“ (CfaN) im Alter von 79 Jahren in seiner amerikanischen Wahlheimat Orlando/Florida gestorben. Martin Fritz, neuer EZW-Referent für pfingstlich-charismatisches Christentum, fasst sein Lebenswerk zusammen.

Martin Fritz
Porträtfoto Reinhard Bonnke

Am 7. Dezember 2019 ist der deutsche Evangelist und Gründer des pfingstkirchlichen Missionswerks „Christus für alle Nationen“/„Christ for all Nations“ (CfaN) im Alter von 79 Jahren in seiner amerikanischen Wahlheimat Orlando/Florida gestorben.

Der am 19. April 1940 im ostpreußischen Königsberg als Sohn eines Pfingstpredigers geborene Bonnke spürte schon in Kindesjahren die Berufung, als Erwachsener einmal das Evangelium von Jesus Christus in Afrika zu verbreiten. Nach einem Studium an einer evangelikalen Bibelschule in Wales und einer Station als Pastor einer Pfingstgemeinde in Flensburg ging er 1967 zunächst als Missionar der Velberter Mission nach Südafrika, um bereits 1974 das eigene Missionswerk CfaN zu gründen (seit 1986 mit Zentrale in Frankfurt am Main). Von da an zog Bonnke als Leiter und Prediger einer großangelegten Evangelisationskampagne durch sämtliche Länder Afrikas. Die jeweils mehrtägigen Großveranstaltungen, die in Zusammenarbeit mit lokalen Gemeinden und Kirchen unterschiedlicher Konfessionen und Denominationen durchgeführt wurden, zogen Millionen Menschen an. Auch das transportable Zelt mit der weltweit größten Kapazität an Sitzplätzen (34.000!), das Bonnke einen Eintrag im Guinness-Buch der Rekorde einbrachte, erwies sich bald als zu klein für die herbeiströmenden Menschenmassen. An manchen Evangelisierungsgottesdiensten in Afrika sollen über eine Million Menschen teilgenommen haben, unter Beteiligung mehrerer Tausend Helfer und unter Einsatz erheblichen technischen Aufwands, allein zur Beschallung.

Man tut Bonnke kaum Unrecht, wenn man feststellt, dass „Masse“ eines der charakteristischen Leitmotive und Kennzeichen seiner Missions- und Evangelisierungsbemühungen war. Der Prediger, der sich als „Mähdrescher Gottes“ in die große geistliche Ernte geschickt sah, hat immer wieder die Zahl von 100 Millionen Bekehrter als Zielmarke seiner Arbeit genannt (die am Ende doch um einige Millionen verfehlt wurde). Tatsächlich führte CfaN über den erreichten Bekehrungserfolg sorgsam Buch. Dabei galt als „bekehrt“, wer im Rahmen der Evangelisationen eine entsprechende „Entscheidungskarte“ ausfüllte, mit der er förmlich den Willen dokumentierte, künftig in einer persönlichen Beziehung zu Christus leben zu wollen. So gehörte denn auch der Aufruf zu einer derartigen Glaubensentscheidung für Christus (und gegen den Teufel) zu den Hauptelementen von CfaN-Veranstaltungen. Daneben spielte, wie in der Pfingstkirchentradition nicht unüblich, das Gebet um übernatürliche Heilungen bzw. Dämonenaustreibungen sowie die anschließende öffentliche Bezeugung erfolgter Heilungen bzw. Exorzismen eine zentrale Rolle. Auch eine Totenauferweckung hat sich Bonnke in diesem Zusammenhang zugeschrieben. In Deutschland wurde „der Billy Graham Afrikas“ vor allem durch die Flugblattevangelisation „Vom Minus zum Plus“ (1994) bekannt.

Die beträchtliche Resonanz, die er als Pfingstprediger in Afrika erlebte, hat Bonnke auch in pentekostalen Kreisen Amerikas und Europas zu einem Star gemacht. Allerdings zog sein Evangelisierungsprojekt neben Begeisterung auch Kritik auf sich. Sie bezog sich auf die Glaubwürdigkeit und auf die Nachhaltigkeit der in Massenveranstaltungen (und durch damit verbundene massenpsychologische Effekte) erzielten „Bekehrungen“ und „Wunder“. Zwar wurden die Neubekehrten sogleich an die lokalen Kirchen und Gemeinden als Orte weiterer geistlicher Betreuung verwiesen; eine systematische Evaluation des Erfolgs dieser Beheimatungsangebote vor Ort wurde aber nicht betrieben. 

Grundlegender noch war bei manchen Beobachtern die Irritation über die Art von Christentum, die Bonnke in Afrika und anderswo auf der Welt propagierte. Seine Predigten, obwohl dem Selbstverständnis und Anspruch nach dezidiert „biblisch“, kamen in der Regel mit wenigen konkreten biblischen Bezügen und mit wenigen elementaren Glaubenssätzen aus: „Du bist Sünder, aber Jesus ist für deine Sünden gestorben und auferstanden, daher bist du aus der Macht von Sünde, Tod und Teufel errettet. Und: Gottes Geist wird dein Leben in Ordnung bringen und zu Wohlstand führen, er wird auch deine körperlichen Leiden und sonstigen materiellen Probleme lösen.“ Unermüdlich hat Bonnke dieses einfache Evangelium wiederholt, ohne einer tiefer greifenden Erläuterung an der Lebenswirklichkeit seiner Hörerinnen und Hörer allzu viel Mühe zu widmen. Durch die unerschütterliche Überzeugung von der Macht des göttlichen Geistes und von seinen spürbaren Manifestationen wurde ihm die Einsicht durch den menschlichen Geist zu einem allenfalls zweitrangigen Anliegen – das Ergebnis war ein äußerst selbstbewusster Antiintellektualismus in Glaubensdingen. Das große Vertrauen auf Gottes Geist verlieh Bonnkes Predigen eine von vielen empfundene Kraft, aber auch einen von nicht wenigen empfundenen Mangel an inhaltlicher Tiefe. Und es immunisierte ihn, gestützt durch den offenkundigen Massenerfolg, gegen kritische theologische (Selbst-)Reflexion: „Die Kritik an mir interessiert mich nicht.“

Nicht zuletzt hat Bonnkes Engagement in Afrika aufs neue eine Frage aufgeworfen, die sich jeder Mission mit europäischem Hintergrund und überhaupt jeder Spielart gegenwärtigen Christentums stellt: Ist der christliche Glaube wesenhaft mit dem Weltbild der Bibel, etwa mit ihrer selbstverständlichen Annahme von Teufel, Dämonen, Wundern etc. verknüpft, oder kann und muss er sich unter veränderten weltanschaulichen Bedingungen von jenem Weltbild gerade lösen, um authentisch und lebendig zu bleiben? Bonnke hat in dieser Frage ohne jedes Zögern die „biblizistische“ Position eingenommen. Die Nähe des biblischen Weltbildes zu den Vorstellungen und Erfahrungen vieler Menschen in Afrika gab dieser Position auch eine missionspragmatische Plausibilität: Für viele seiner afrikanischen Hörer war das besagte Weltbild in wesentlichen Elementen ohne weiteres verständlich und stellte daher keine Zugangshürde dar, mehr noch: es schien sich in den erlebten Heilungen und Dämonenaustreibungen als wahr zu erweisen. 

Umgekehrt spricht einiges dafür, dass der fragliche Weltbildbiblizismus in Europa, bei Menschen, die von Hause aus stärker durch die moderne europäische Bildung geprägt waren, den Zugang zu Bonnkes Evangeliumspredigt durchaus gehemmt hat. Hier blieb ihm ein vergleichbarer Erfolg wie in Afrika jedenfalls versagt. Seine Berufung hatte allem Anschein nach kulturelle Grenzen – die „große europäische Erweckung“, obgleich von ihm mehrfach vollmundig angekündigt, blieb auf dem Kontinent der Aufklärung aus.

Auch nach Bonnkes Tod wird „Christ for all Nations“ seine Evangelisierungsarbeit in aller Welt fortsetzen. Bereits 2017 hat der Gründer die Leitung „seines“ Missionswerks dem US-amerikanischen Pfingstprediger Daniel Kolenda übertragen.

Martin Fritz

Ansprechpartner

Foto Dr. Martin FritzPD Dr. theol. Martin Fritz
Wissenschaftlicher Referent
Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen
Auguststraße 80
10117 Berlin