30 Jahre buddhistische Religionsgemeinschaft in Österreich
Der Buddhismus ist in Österreich seit 1983 gesetzlich anerkannte Religion. Die Österreichische Buddhistische Religionsgesellschaft (ÖBR) feiert das 30-jährige Jubiläum mit Veranstaltungen über das ganze Jahr verteilt. Am 4./5. April 2013 fand in der Universität Wien ein Jubiläumssymposium unter dem Motto „Verantwortung Leben“ statt, es folgte ein Festakt im Festsaal der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Anfang Juni ist eine Buddhistische Kunst- und Kulturwoche geplant, im November Buddhistische Filmtage.
In Österreich wurde der Buddhismus erstmals in Europa offiziell anerkannt. Der Weg bis dorthin allerdings war lang. Die Anfänge des Buddhismus in Österreich liegen mehr als hundert Jahre zurück, sie wurden im Wesentlichen von Wissenschaftlern und Intellektuellen getragen. Der Wiener Karl Eugen Neumann (1865 – 1915) leistete mit der ersten europäischen Übersetzung großer Teile des Palikanons Pionierarbeit und war ein Wegbereiter buddhistischen Gedankenguts in Europa. 1923 wurde durch die Bemühungen eines Axel Grasel eine Buddhistische Gesellschaft in Wien gegründet. Mit der „Buddhistischen Gesellschaft Wien“ wurde 1947 der Neuanfang nach dem Krieg gemacht. 1975 erfolgte der Erwerb und der Ausbau eines Landzentrums (in Scheibbs), im Jahr darauf erschien erstmals die Zeitschrift „Bodhibaum“, die fast 20 Jahre bestand und dann das Feld der bis heute auch überregional bedeutsamen Quartalsschrift „Ursache & Wirkung“ überließ. Seit 1974 gab es Versuche, den Buddhismus als offizielle Religion anerkennen zu lassen.
In der ÖBR sind sämtliche buddhistische Traditionen vertreten. Sie vereint 23 Orden sowie Dharmagruppen (religiöse buddhistische Gemeinschaften, die aufgrund der besonderen kulturellen Situation in Europa entstanden sind) und buddhistische Institute aller Richtungen unter einem Dach und ist die offizielle Vertretung des Buddhismus in Österreich (www.buddhismus-austria.at). Die Organe der ÖBR sind das Präsidium, der Sangharat, die Gemeindeversammlung der buddhistischen Gemeinde und das Schiedsgericht. Der Sangharat ist das größte entscheidungsbefugte Organ der ÖBR, in ihm sind sowohl die Orden, Dharmagruppen, Institute und Stiftungen wie auch das Präsidium und die Vertreter der buddhistischen Gemeinden mit Stimme vertreten.
So finden sich in Österreich neben Vipassana- und Achtsamkeitsmeditationen der Theravada-Schulen entsprechende Sesshins für Zen-Praktizierende; der bunte Vajrayana-Buddhismus ist besonders beliebt, aber auch die japanische Laiengemeinschaft Soka Gakkai gehört zur ÖBR. Seit ca. 2006 organisiert der Verein „Mobiles Hospiz der ÖBR“ pflegerische und andere Betreuungsangebote sowohl zu Hause als auch stationär, entlastet Angehörige und bietet mit etwa 40 ehrenamtlichen Hospizhelfern Trauerbegleitung an. Buddhistischer Religionsunterricht wird von zwölf Personen an rund 20 Orten erteilt. Die Buddhisten verzeichnen einen stetigen Zuwachs, jährlich kommen nach eigenen Angaben ca. 250 Mitglieder hinzu, insgesamt zählt Österreich derzeit bis zu 25 000 Buddhisten (2008 schätzte die ÖBR die Zahl auf etwa 20 000).
Wiederkehrende Probleme und Auseinandersetzungen um den umstrittenen dänischen Buddhismus-Lehrer Ole Nydahl trugen Ende der 1990er Jahre zur Spaltung des österreichischen Karma-Kagyü-Ordens bei. Es kam zum Bruch mit der ÖBR, die gegen Nydahl und seine Anhänger ein Ankündigungsverbot in all ihren Publikationen verhängte. Heute besteht „Karma Kagyü Österreich“ (der Diamantweg-Buddhismus Ole Nydahls) gesondert neben der „Karma Kagyü Sangha“.
Ein besonderer Höhepunkt für die Buddhisten in Österreich waren sicherlich die Kalachakra-Einweihungen in Graz im Herbst 2002, die vom Dalai Lama geleitet wurden und mehr als 10 000 Interessierte anzogen (vgl. MD 10/2002, 312; 2/2003, 72-76). 1973 hatte der erste Besuch des Dalai Lama in Österreich dem Buddhismus erstmals eine bis dahin ungekannte Resonanz in der Öffentlichkeit verschafft. Im Vorfeld des Grazer Kalachakra-Rituals gab es öffentliche Debatten um das angemessene Verständnis des zentralen Kalachakra-Tantra und des Shambala-Mythos, in deren Mittelpunkt – unter Missachtung der Symbolsprache des buddhistischen Rituals – frauenverachtende Texte und mutmaßliche sexuelle Praktiken im tibetischen Buddhismus standen.
Der Buddhismus, gerade auch der tibetische Buddhismus, hat jedoch im Allgemeinen auch in Österreich ein sehr positives Image. Getrübt wurde das Bild jüngst durch einen polarisierten und konfliktbelasteten Streit um den Bau eines Stupa nahe dem niederösterreichischen Gföhl, der von Teilen der Bevölkerung gegen die Buddhisten geführt wurde. Geplant war mit über 30 m Höhe und 20 m Durchmesser das größte Weltfriedensdenkmal dieser Art in Europa. Der Sakralbau wurde schließlich Anfang 2012 per Volksbefragung abgelehnt. „Man hat nachempfinden können, wie sich Moslems fühlen, wenn es darum geht, eine neue Moschee zu bauen“, wurde der ÖBR-Präsident Gerhard Weißgrab dazu zitiert.
Zuletzt beteiligte sich die ÖBR an „Pro Religion“, einer Initiative von anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften in Österreich, die sich gegen das „Volksbegehren gegen Kirchenprivilegien“ wendet. Im Januar 2013 war dem Antrag auf Durchführung des Volksbegehrens stattgegeben worden. Kirchen und Religionen setzen mit der neuen Internetseite www.pro-religion.at ein gemeinsames Zeichen, da sie sich von den kirchen- und religionskritischen Forderungen des Volksbegehrens gleichermaßen betroffen sehen.
Zu den anerkannten Religionsgesellschaften gehören neben der ÖBR, der katholischen Kirche und der evangelischen Kirche (Augsburgischen und Helvetischen Bekenntnisses) einige orthodoxe Kirchen, die Israelitische Religionsgesellschaft, die Islamische Glaubensgemeinschaft (IGGiÖ), die Altkatholische Kirche, die Evangelisch-methodistische Kirche, die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage (Mormonen), die Neuapostolische Kirche sowie (seit 2009) Jehovas Zeugen. Kurz vor der vollen gesetzlichen Anerkennung steht die „Islamisch-alevitische Glaubensgemeinschaft in Österreich“, sodass es demnächst mit den Aleviten 15 anerkannte Religionsgesellschaften in Österreich gibt.
Friedmann Eißler