40-jähriges Jubiläum einer Weltuntergangsprognose
(Letzter Bericht: 10/2015, 389f) Die Schweizer Infostelle für Sektenfragen hat Humor: „Den Wachtturm-Kindern von 1975: Alles Gute zum 40. Geburtstag!“ ist ein Aufsatz überschrieben, der darauf hinweist, dass 1975, also vor 40 Jahren, Jehovas Zeugen zum letzten Mal ein konkretes Weltuntergangsdatum genannt haben. Ehemalige Zeugen dieses Geburtsjahrs setzen angeblich hinter diesen Jahrgang oft ein Ausrufezeichen: „Was für Eltern sind das, die kurz vor Harmagedon noch Kinder zeugen!“
Ende der 1960er Jahre herrschte in dieser Gemeinschaft ein Weltuntergangsklima, das vor allem durch Vorträge angestachelt wurde. Die Führung der Wachtturm-Gesellschaft war davon ausgegangen, dass nach ihren Berechnungen im Herbst 1975 sechstausend Jahre Menschheitsgeschichte enden würden, was gleichbedeutend mit dem Eingreifen Jehovas sei.
Die Betroffenen-Initiative „Bruderinfo“ hat eines der seltenen Tondokumente aus dieser Zeit auf YouTube veröffentlicht (https://youtu.be/P8_Kjvqu0Is). Es handelt sich um eine Rede des Zweigaufsehers für Deutschland, Konrad Franke, aus dem Jahre 1968 in Hamburg, die einen guten Eindruck vom Selbstverständnis der Gruppe vermittelt. Ab der zweiten Hälfte der 1970er Jahre hat dann die Wachtturm-Gesellschaft behauptet, dass sich bezüglich 1975 einzelne „übereifrige“ Brüder verstiegen hätten. Allerdings blickt die Drohbotschaft von einem nahenden Weltende bei Jehovas Zeugen auf eine lange Tradition zurück. Eine andere Selbsthilfegruppe, das „Netzwerk Sektenausstieg“, hat eine Sammlung von Weltuntergangszitaten in der Wachtturm-Literatur zusammengestellt (www.sektenausstieg.net). Auch wenn heute von Jehovas Zeugen keine konkreten Weltuntergangstermine genannt werden, bleibt Angst ein zentrales Motiv der Mitgliedschaft.
Michael Utsch