Abspaltung von der Vereinigungskirche: Sanctuary Church
Die Vereinigungskirche (VK, Tongil-Gyo Vereinigungsbewegung) ist gespalten. Ende August 2015 hat die „Sanctuary Church“ in Verbindung mit dem dritten Todestag Sun Myung Moons („True Father’s Ascension“!) zu einer eigenen Segnungszeremonie eingeladen, die die Autorität des „Wahren Vaters“ Moon wiederherstellen sollte. Sanctuary Church steht abgekürzt für „World Peace and Unification Sanctuary“ (etwa: Weltfrieden- und Vereinigungs-Heiligtum). Sie wurde vom früheren Präsidenten der Vereinigungsbewegung, Hyung Jin Moon (36), und seiner Frau Yeon Ah Lee ins Leben gerufen. Als „Präsident“ wird Richard A. Panzer genannt.1 „Hunderte, wenn nicht Tausende“ Moonies seien der „geistlichen Bewegung“ gefolgt, die in Newfoundland (Pennsylvania) nordöstlich von New York zur Rückkehr zum „Wahren Vater“ aufruft und so die ursprüngliche Tradition der VK zu bewahren beansprucht. All dies und mehr ist im Wesentlichen verschiedenen Facebook-Seiten zu entnehmen, wo sich auch der erbitterte Konflikt zwischen Mutter und Sohn mit ihrer jeweiligen Gefolgschaft lebhaft niederschlägt.
Hyung Jin Moon (Hyung Jin Nim) ist von seinem Amt als Nachfolger des Religionsgründers Sun Myung Moon (1920–2012), in das er 2008 feierlich eingeführt worden war, zurückgetreten bzw. ist abgesetzt worden. Der offene Machtkampf des jüngsten Moon-Sohnes mit seiner Mutter Hak Ja Han war Anfang 2015 eskaliert. Im Kern lautet der Vorwurf der Abweichler, die VK habe unter Hak Ja Han eine Menge Traditionen geändert, die Worte des „Wahren Vaters“, seine Bündnisse und seine Autorität verlassen und sei deshalb zum Scheitern verurteilt. Die „Mutter“ sei gefallen, da sie sich selbst in den Mittelpunkt gerückt habe. Nun müsse das Gute vom Bösen geschieden werden. Tatsächlich hatte Hak Ja Han sich unter anderem als die „einziggeborene Tochter“ des Himmels (Only Begotten Daughter) bezeichnet.2 Ihre Anhänger sehen darin freilich nicht Betrug, sondern eine Konsequenz und Bestätigung der grundlegenden Mission der „Wahren Eltern“. Die Vereinigungskirche versuchte zuletzt auf gerichtlichem Wege, die Löschung von Predigtvideos des aufsässigen Moon-Nachfolgers zu erreichen.
Dem Anspruch nach führt Hyung Jin Moon die Sache der VK authentisch fort bzw. stellt sie wieder her. Er gilt als Repräsentant und Erbe seines Vaters, als der zweite König der „Nation der Einheit auf Erden“ (Cheon Il Guk), der „Wahre Sohn“ mit seiner Frau als „Wahrer Tochter“ (und inzwischen wohl auch neuer „Wahrer Mutter“) an seiner Seite. Inhaltlich und von den äußeren Formen her hat sich insofern praktisch nichts geändert („new church, same game“). Kosmisch-apokalyptischer Anspruch und absoluter Gehorsam gelten nach wie vor, jetzt eben geteilt.
Den VK-Mitgliedern wurde ein Ultimatum genannt. Bis Ende 2015 soll sich jedes Paar entscheiden, ob es die authentische Segnung der Sanctuary Church für die „Rückkehr zum Vater“ erhalten möchte. Wer sich dagegen entscheidet, wird als potenzieller Konvertit betrachtet, nicht mehr als Vollmitglied. Deshalb ist die Segnungszeremonie Ende August nicht die einzige in diesem Jahr, mehrere Anlässe werden angeboten. Einmal kann man sich ein „Blessing Kit“ mit heiligem Wein, einer heiligen Kerze, einem Foto des „Wahren Vaters“ und anderen Kleinutensilien für empfohlene 210 US-Dollar kommen lassen, ein andermal in einer besonderen Segnung die Generationen der Vorfahren „befreien“. Die neue Kirche versucht, durch solche Aktionen ihren Zusammenhalt zu stärken (oder herzustellen).
In Österreich verzeichnete die VK zuletzt einen Erfolg. Im Juni 2015 wurde der österreichische Zweig der VK offiziell vom Kultusamt als achte „staatlich eingetragene religiöse Bekenntnisgemeinschaft“ registriert. Sie ist damit eine eigene Rechtspersönlichkeit im Gegenüber zum österreichischen Staat, allerdings nicht eine mit Privilegien versehene Kirche oder Religionsgemeinschaft analog zu einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, was im zweigestuften System Österreichs der gehobenere Status wäre.
Das Schisma wirft ein Licht auf die tatsächliche Lage der Unifikationisten. Der Konflikt ist nicht der erste. So wurde Kook Jin Moon, der eine hohe Position einnahm, schon kurz nach dem Tod seines Vaters im September 2012 von Hak Ja Han gefeuert. Ob sich die Sanctuary Church halten bzw. eigenständig entwickeln wird, kann nur die Zukunft zeigen. Die Segnungszeremonie im April fand nicht vor Tausenden, auch nicht vor Hunderten statt, sondern in Anwesenheit von vielleicht 30 bis 40 Paaren.
Die Hauptplattform der Sanctuary Church scheint bisher eine Facebook-Seite zu sein: www.facebook.com/Newfoundland-Sanctuary-Church-616977458412272.
Friedmann Eißler
Anmerkungen
1 www.facebook.com/permalink.php?story_fbid=738172926292724&id=616977458412272 .
2 http://appliedunificationism.com/2015/04/13/the-only-begotten-daughter .