Annegret Braun

„Alle Menschen wollen glücklich sein“

Glückssuche und Glücksangebote heute

„Alle Menschen wollen glücklich sein.“ Treffender könnte man den heutigen Zeitgeist kaum beschreiben. Bücher und Zeitschriften sind voll mit Glücksrezepten. Inzwischen gibt es auch einige Zeitschriften über Glück, sie heißen „Flow“, „Happy Way“ oder „Happinez“. Es gibt Glücksseminare und Glückstrainer. Auch die Werbung verspricht Glück, egal ob sie ein Wellnesswochenende oder nur einen Tee verkaufen möchte.

Inzwischen gibt es einen neuen Glückstrend, der unter dem Namen „Hygge“ vermarktet wird. Hygge ist dänisch und bedeutet Gemütlichkeit. Und da die Dänen bei den Umfragen, welches Land am glücklichsten ist, immer ganz vorne liegen, gelten sie als die Sachverständigen zum Thema Glück. Es gibt immer mehr Bücher über Hygge und inzwischen auch eine Zeitschrift dieses Namens. In Kopenhagen gibt es ein Happiness Research Institut. Der Leiter Meik Wiking sagt, dass sie jeden Monat internationale Delegationen in ihrem Institut empfangen, die mehr darüber erfahren wollen, wie das mit dem Glück geht. In den Vereinigten Arabischen Emiraten gibt es seit 2016 einen Staatsminister für Glück. Bhutan im Himalaya hat schon seit zehn Jahren ein entsprechendes Staatsministerium. Das vermittelt eine Ahnung davon, wie sehr die Menschen weltweit auf Glückssuche sind.

Der Satz „Alle Menschen wollen glücklich sein“ beschreibt unsere Zeit sehr gut, aber er ist viel älter, er stammt von Aristoteles. Dass Menschen glücklich sein wollen, liegt im Innern unseres Menschseins. Aber kaum jemals wurde so viel dafür getan, das Glück zu finden, wie heute. Psychologen warnen sogar vor dem Zwang, glücklich sein zu müssen.

Dieser Beitrag geht zunächst auf das Thema Glückssuche ein und nennt Faktoren, die die Suche nach Glück beeinflussen. Anschließend werden einige Glücksangebote vorgestellt, die in der heutigen Zeit besonderen Zulauf haben.

Der hohe Stellenwert des Glücksstrebens

Auch früher hat man sich danach gesehnt, glücklich zu sein, aber man wusste, dass zum Leben beides gehört, Glück und Unglück – und die Zeiten dazwischen, die einfach normal verlaufen. Der Schriftsteller Theodor Fontane (1819 – 1898) antwortete auf die Frage, was Glück sei: „Eine Grießsuppe, eine Schlafstelle und keine körperlichen Schmerzen – das ist schon viel.“ Zu Fontanes Zeiten, im 19. Jahrhundert, hatte man ein alltagsnahes Verständnis von Glück. Man hat gesehen, wie es den Menschen in der näheren Umgebung geht, und hatte keine Erwartungen von Dauerglück.

Heute haben wir ein Glücksverständnis, das ziemlich weit von der Realität entfernt ist. Es ist nicht mehr das reale Leben, das unsere Lebensvorstellungen und Erwartungen prägt, sondern es sind die Medien. In Zeitschriften und in der Werbung werden glückliche Menschen präsentiert, gut aussehende Menschen, ohne Pickel oder Falten, aber mit Idealgewicht, die erfolgreich sind, umgeben von vielen sympathischen Freunden und die dazu noch eine romantische und aufregende Liebesbeziehung haben. Es sind Menschen, die ihr Leben genießen. Dazu die Botschaft: Das alles kannst du auch haben – wenn du diese Gesichtscreme kaufst oder dieses kalorienfreie Fitness-Getränk.

Auch in den Sozialen Medien sehen wir glückliche Menschen. Auf Facebook oder Instagram sieht man viele strahlende, erfolgreiche Menschen, wodurch der Eindruck erweckt wird, dass alle um einen herum glücklich sind, und zwar nicht fremde Menschen wie Schauspielerinnen oder Models, sondern die eigenen Freunde und Bekannten. Die Sozialen Medien sind ein Forum der Selbstinszenierung. Die neue Liebe wird gepostet, aber die Scheidung nicht. Der berufliche Erfolg wird gepostet, aber nicht die Kündigung. Man macht ein Foto vom Familienausflug, auf dem alle strahlend in die Kamera lächeln, aber niemand macht ein Foto am Frühstücktisch, wenn man gerade streitet, und postet es anschließend in die Welt. Dazu kommen noch die vielen Fotos vom Urlaub am Strand, mit Freunden, von der Party und vom beim Candle-Light-Dinner im romantischen Restaurant. Überall sind strahlende Menschen, aber das heißt noch lange nicht, dass diese Menschen auf den Fotos auch glücklich sind. Wir lächeln ja auch, sobald eine Kamera auf uns gerichtet ist. Schließlich will man auf den Fotos einigermaßen gut aussehen. Trotzdem interpretieren wir die Fotos als Beweise für Glück. Man übersieht auch, dass es nur einzelne Momente sind. Die anderen sind ja nicht ständig im Urlaub, aber weil man eben nicht nur drei Facebook-Freunde hat, sondern 300, hat man den Eindruck, dass alle dauernd im Urlaub sind, nur man selbst rackert sich bei der Arbeit ab. Durch die Medien entsteht also der Eindruck, dass die anderen Menschen glücklich sind, während das eigene Leben ziemlich langweilig oder mittelmäßig ist, und man fragt sich: Was kann ich tun, damit ich glücklich werde?

Dass die Suche nach Glück heute so bedeutungsvoll ist, hat im Wesentlichen drei Gründe: Der erste Grund ist der hohe Glücksanspruch, den wir heute haben. Er entsteht durch ein Glücksverständnis, das von den Medien geprägt und von der Realität ziemlich weit entfernt ist.

Ein zweiter Grund ist unsere Haltung: „Jeder ist seines Glückes Schmied.“ Alles ist machbar, wenn man sich nur genügend anstrengt. Dahinter steckt ein regelrechter Machbarkeitswahn. Alles, die ganze Verantwortung für das Glück, liegt in der eigenen Hand. Die Kehrseite dieses Allmachtgedankens ist, dass man sich für einen Loser hält, wenn man es nicht schafft, glücklich zu sein, oder dass man auch andere für Versager hält, die von Harz IV leben oder deren Kinder von der Schule geflogen sind. Dass Glück oftmals auch ein unverdientes Geschenk ist, wofür man dankbar sein kann, wird ausgeblendet. Doch Menschen, die Glück als ein Geschenk sehen, neigen eher dazu, ihr Glück mit anderen zu teilen. Wenn man aber die Haltung vertritt, dass jeder selbst verantwortlich für sein Glück ist, dann entsteht daraus oftmals eine unbarmherzige Haltung gegenüber anderen Menschen, denen es nicht so gut geht.

Der dritte Grund, warum Glückssuche so wichtig geworden ist, liegt darin, dass Glück zum Lebenssinn geworden ist. In einer Umfrage des Demoskopischen Instituts Allensbach lautete die Frage: „Was ist für Sie der Sinn des Lebens?“ Während früher viele geantwortet haben: „für Familie und Freunde da sein“, antworteten nun viele: „glücklich sein“. Früher hat der Glaube dem Leben Sinn gegeben, denn man sah sich als ein Geschöpf Gottes. Das allein schon gab dem Leben einen Sinn, den man zwar nicht immer verstand – man war ja nur Mensch und nicht Gott –, aber es war ein Sinn, der Halt im Leben gegeben hat. Heute fehlt vielen Menschen der Glaube und damit der Lebenssinn. Deshalb suchen die Menschen den Sinn im Glück, denn dort ist er am leichtesten zu spüren. Ein glücklicher Mensch weiß und spürt, dass sein Leben einen Sinn hat. Doch Glück als Lebenssinn ist sehr fragil. Wenn man unglücklich ist, kommt auch der Lebenssinn ins Wanken.

Wo Bedarf ist, gibt es Angebote

Glückssuche hat heute also eine existenzielle Bedeutung bekommen. Und dort, wo es einen Bedarf gibt, gibt es auch Angebote. Die vielen Glücksversprechen bieten das an, was viele sich wünschen: ein besseres, gesünderes, glücklicheres Leben. Es gibt heute einen unendlich großen Markt an Glücksangeboten.

Am deutlichsten sind die Glücksversprechen im Konsum. Die Werbung verspricht das große Glück. „Schrei vor Glück“ heißt der bekannte Werbespruch von Zalando. Dazu sieht man eine Frau, die ein paar schicke Schuhe in der Hand hält und vor Freude kreischt. Mit dem Werbeslogan „Kauf Dich glücklich“ lockt Media Markt. Nicht nur die Werbung, auch viele Produkte sind auf die Glücksschiene gesprungen. Ganz normale Kräutertees heißen nun Glückstee, und Badezusätze bekommen Namen wie „glückliche Auszeit“.

Werbung verkauft nicht nur einfach ein Produkt, denn wir haben ja schon fast alles. Werbung spricht Sehnsüchte an und verkauft ein Lebensgefühl. Es gibt den Spruch: „Wer glaubt, dass man Glück nicht kaufen kann, hat keine Ahnung von Shopping.“ Einkaufen löst tatsächlich Glücksmomente aus. Man kauft ein tolles Kleid und fühlt sich schöner. Man kauft eine neue Bohrmaschine und fühlt sich wie Superman. Man kauft sich das neueste Handy und ist der Star der ganzen Klasse. Doch es sind nur kurze Glücksmomente. Und weil dieses Glücksgefühl schnell wieder nachlässt, ist die Versuchung groß, sich wieder etwas Neues zu kaufen. Manche geraten dadurch in einen Kaufrausch. Statt Glück wird die innere Leere größer, und Geldsorgen kommen noch dazu. Wir alle sind diesen Glücksversprechungen der Werbung ausgesetzt, auch wenn wir glauben, dass wir die falschen Versprechungen durchschauen.

Ich habe im Rahmen meiner Glücksforschung eine junge Frau befragt, die ohne viel Konsum auskommt. Vera lebte in einem Wagendorf am Rande von München: in einem Bauwagen, zusammen mit ihrem Freund und ihrem kleinen Sohn. Sie sagte: „Für mich ist es kein Verzicht, mit wenigen Dingen zu leben. Da ist jeder wieder anders.“ Einen völlig anderen Lebensstil erlebte sie, als sie eine Zeit lang bei H&M arbeitete. Da kamen junge Mädchen jede Woche und kauften sich neue Klamotten. Vera erzählte weiter: „Ich glaube, wenn man sich mit dem beschäftigt, was einem wirklich wichtig ist, dann braucht man das Materielle nicht so. Dinge machen mich nicht glücklich, sondern Menschen. Und trotzdem bin ich dem Einfluss der Konsumgesellschaft ausgesetzt. Wenn ich Spaghetti kaufe und auf der Packung Parmesan abgebildet ist, dann denke ich: ‚Ach, das wäre jetzt auch noch gut.‘ Ohne das Bild wäre mir der Gedanke gar nicht gekommen.“

Ist Glück machbar?

Glück versprechen auch die vielen Glückstrainer und Glückscoachs. Glück kann man lernen, ist die Parole. Da ist natürlich etwas dran. Man kann etwas für sein Glück tun. Sonja Lyubomirsky, eine renommierte amerikanische Glücksforscherin, sagt, dass etwa 40 Prozent der Glücksfähigkeit in der eigenen Hand liegen. 10 Prozent des Glücks hingen von den äußeren Umständen ab, also zum Beispiel davon, ob man in einer Familie behütet aufgewachsen ist oder in einer Familie, in der Streit und Geldsorgen den Alltag bestimmten. 50 Prozent der Glücksfähigkeit sei angeboren. Das weiß man aus der Zwillingsforschung. Zwillinge, die bei der Geburt getrennt wurden und unter sehr unterschiedlichen Umständen aufgewachsen sind, sind ungefähr gleich glücklich. Ob sich das wirklich messen lässt, ist eine andere Frage.

Dass Glücksfähigkeit angeboren sein soll, hören wir nicht so gerne, weil es gegen unser Gerechtigkeitsempfinden verstößt. Aber es gibt einfach Menschen, die mehr zum Grübeln neigen, und andere, die alles von der leichten Seite nehmen. Dabei übersehen wir oft, dass Menschen, die es mit dem Glück schwerer haben, viel bewegen, weil sie Probleme erkennen und unzufrieden damit sind, z. B. Menschenrechtsaktivisten. Außerdem: Was wäre, wenn Literatur, Musik und Kunst nur von glücklichen Menschen gemacht würden? Dann gäbe es oft nicht diesen Tiefgang. Es ist gut, dass es Menschen gibt, die sich nicht nur mit den schönen Seiten des Lebens beschäftigen.

Auch wenn Untersuchungen über Glück darauf hinweisen, dass es Grenzen der Machbarkeit gibt, tun wir heute so, als läge das Glück vollkommen in unserer Hand. Ein Glückscoach schreibt auf seiner Homepage:2 „Wie ein Muskel, der durchs Trainieren stärker wird, so lässt sich Glück auch trainieren. Die Bereitschaft, in sein persönliches Glück zu investieren, ist eine Grundvoraussetzung, um sein Glück selbst in die Hand zu nehmen. Denn Glück ist kein Zufall!“

Dass man etwas für sein Glück tun kann, steht außer Frage, doch hier wird der Gedanke der absoluten Machbarkeit in den Mittelpunkt gestellt. Dabei liegt es doch nicht in der eigenen Hand, ob man in Deutschland oder in Syrien geboren wurde oder ob man durch Einsparmaßnahmen seine Stelle verliert und für den Arbeitsmarkt zu alt ist. Natürlich kann man in jeder Lage etwas für sein Glück tun, aber für einen Flüchtling ist die Ausgangslage anders als für jemanden, der ein Zuhause hat.

Ein anderer Glückstrainer zeigt auf, was Glückstraining bewirken kann, nämlich: oft positive Gefühle spüren, erfüllenden Tätigkeiten nachgehen, befriedigende Beziehungen zu anderen Menschen haben, das Leben als bedeutungsvoll erleben.

Es ist durchaus positiv, diese Ziele anzustreben und auch daran zu arbeiten. Es sind ja Dinge, die das Leben bereichern. Die Gefahr bei den Glückstrainings ist nur, dass man das Glück fokussiert und negativen Gefühlen die Existenzberechtigung abspricht. Sie werden als Indikator gesehen, dass man irgendetwas falsch macht. Der Druck, sein Leben zu optimieren, ist hoch.

Eine sehr erfolgreiche Variante des Glückstrainings sind die „Bestellungen beim Universum“, Bücher und Seminare, in denen es darum geht, wie man seine Wünsche formuliert, damit sie in Erfüllung gehen. Ein prominenter Vertreter ist der ehemalige Schauspieler Pierre Franckh. Er hat viele Bücher geschrieben mit Titeln, wie „Einfach glücklich sein!“ oder „Erfolgreich wünschen“. Seine Wunschregel Nr. 9 lautet, dass man seine Wünsche in der Gegenwart formulieren soll. „Wünscht man sich zum Beispiel viel Geld, ist es völlig falsch, den Satz ‚Ich will reich sein‘ zu formulieren … Die richtige Formulierung lautet: ‚Ich bin bereit für den Reichtum in meinem Leben.‘ Oder: ‚Ich bin reich und glücklich.‘“ Franckh erklärt: „Natürlich trifft dies zum gegenwärtigen Zeitpunkt – noch – nicht zu, aber wir möchten ja in diesen Zustand kommen. Also werden der Verstand, dein Unterbewusstsein und dein Resonanzfeld schon nach kurzer Zeit versuchen, diese Diskrepanz zwischen deiner behaupteten Überzeugung und der bestehenden Realität auszugleichen.“3

Bei diesem Glücksverständnis wird das eigene Ego überhöht. Dahinter steckt die Haltung eines kleinen Kindes. Glücklich bin ich, wenn ich alles bekomme, was ich möchte. Die Vertreter dieser Richtung – und davon gibt es viele – versprechen: „Du kannst alles haben, wenn du nur deine Wünsche richtig formulierst und daran glaubst.“ Und wie es Pierre Franckh verspricht: Das alles in kurzer Zeit – ganz ohne Ausdauer oder Anstrengung.

Eine solche Erwartungshaltung ist sehr verbreitet, wenn auch nicht immer in dieser extremen Form. Oft bleibt es nicht nur bei dem Wunsch nach Glück, sondern man glaubt, einen Anspruch darauf zu haben: Ich habe ein Recht darauf, glücklich zu sein! Wenn man mit seinem Ehepartner nicht mehr glücklich ist, ist es heute völlig in Ordnung, den Partner zu wechseln. Mehr noch: Immer weniger Leute verstehen heute, warum jemand in einer Beziehung bleibt, die vielleicht nur mittelmäßig ist.

Die Einstellung „ich bin nur glücklich, wenn meine Wünsche in Erfüllung gehen“ bringt die Menschen um viele Glückserlebnisse. Manchmal bewirkt Verzicht das größere Glück. Der Philosoph Epikur sagte zum Beispiel, dass er gerne Wein trinke, aber auch gerne gute Gespräche führe. Aber wenn er sich dem Wein hingebe, werde es mit scharfsinnigen Gesprächen schwierig. Deshalb verzichtete er oftmals auf den Wein, um in den Genuss eines guten Gespräches zu kommen.

Ein anderes Beispiel: Wenn man auf Liebesbeziehungen verzichtet, die im Moment vielleicht glücksversprechend aussehen, und auch in Krisenzeiten bei seinem Partner bleibt, entsteht eine vertrauensvolle, verlässliche Beziehung. Das ist ein Glück, das sich viele wünschen, aber nicht alle sind bereit, den Preis dafür zu zahlen, nämlich Verzicht auf kurzfristiges Glück.

Manchmal ist es ein Glück, wenn Wünsche nicht in Erfüllung gehen. Ein Berufswunsch, der nicht in Erfüllung gegangen ist, öffnet den Weg für einen anderen Beruf, der vielleicht viel besser passt.

Genießen, Wellness und Gesundheit

Um etwas ganz anderes als Wunscherfüllung geht es bei dem bereits erwähnten neuen Trend in der Glückssuche: Hygge. Dabei geht es mehr um das Genießen, um das sinnliche Erleben: gut kochen, gemütlich vor dem offenen Kamin sitzen oder mit Freunden heißen Tee trinken, wenn es draußen schneit. Das, was wir als gemütlich und wohltuend empfinden, bekommt einfach einen neuen Namen. „Gemütlich“ klingt nach deutscher Verstaubtheit, „Hygge“ dagegen nach einem modernen Hype.

Es ist sehr zu begrüßen, dass die Aspekte der Beziehungspflege und des Genießens in den Mittelpunkt gerückt werden. Dass der Fokus nicht auf „noch mehr Erfolg“ und „noch mehr Geld“ liegt, sondern darin, Dinge bewusst zu erleben. Außerdem geht mit diesem Trend auch eine Entschleunigung einher. Ob das nur Wunschgedanken sind oder ob Hygge tatsächlich die Lebensweise verändert, ist schwer zu sagen. Zumindest wird das Bewusstsein dafür geschärft, dass es im Leben auf anderes ankommt als auf Karriere und Status.

Das Glückverständnis von Hygge kommt ziemlich nah an den Bereich Wellness heran. Viele Glücksversprechen kommen aus dem Bereich Wellness, Gesundheit, Sport. Wellness ist in den letzten Jahren ein enormes Geschäft geworden: kaum ein Hotel, das nicht einen Spa-Bereich anbietet mit Pool, Saunen, Massagen, Ruhezonen und sanfter Musik. Dazu kommt noch ausgezeichnetes Essen in einem Restaurant bei Kerzenschein.

Glücksversprechen docken ja meistens dort an, wo Glück auch erlebt wird. Und das ist auch bei der Genussfähigkeit und beim sinnlichen Erleben so. Wenn man die Sonne auf der Haut spürt, die ersten Frühlingsblumen riecht, eine schöne Musik hört oder etwas Gutes isst: Solche Momente sind tatsächlich eine Glücksquelle.

In unserer Studie über Glück4, als wir fragten, wie Menschen Glück erleben, hat eine Lehrerin erzählt: „Es gibt einen ‚goldenen’ Zeitpunkt beim Essen eines sehr guten Menüs, bei dem die Lust am Essen groß ist, aber der Magen noch nicht voll. Diese Kombination aus totalem Genuss und der Vorfreude auf die noch mindestens halbe Portion, die darauf wartet, verspeist zu werden, macht mich wahnsinnig glücklich.“

Wenn man etwas mit den Sinnen wahrnimmt, dann lebt man ganz in der Gegenwart und nicht im Gestern oder im Morgen. Oft gelingt das im Alltag nicht. Deshalb versprechen die Wellness-Hotels diese sinnlichen Erfahrungen. Interessant ist, dass sich immer mehr Männer dafür begeistern. In meinem Umfeld sind vor einigen Jahren fast nur Frauen mit ihren Freundinnen zum Wellness-Wochenende gefahren. Inzwischen sind die Männer auf den Geschmack gekommen, und die Frauen fahren nicht mehr mit ihren Freundinnen, sondern mit ihren Ehemännern.

Eng verbunden mit Wellness ist der hohe Stellenwert der Gesundheit. Dabei geht es zum einen um Sport und zum anderen um Ernährung. Fitness-Studios schießen wie Pilze aus dem Boden, teilweise ist schon ein richtiger Körperkult entstanden.

Ausgewogene Ernährung reicht nicht mehr aus. Man will das Optimum für seine Gesundheit. Die Lebensmittelindustrie bringt immer wieder neue Lebensmittel auf den Markt, die als „Superfood“ angepriesen werden. Man kauft teure Chia-Samen anstatt Leinsamen, der den gleichen Nährwert hat, aber nicht so gut klingt. Und dafür ist man bereit, viel Geld auszugeben. Oder man kauft Quinoa aus den Anden und bedenkt nicht, dass dieses gesunde Produkt das Grundnahrungsmittel für die Menschen dort war, bis ihn der Westen als Superfood entdeckte. Heute wird Quinoa exportiert und ist so teuer geworden, dass die Bauern ihn sich selbst nicht mehr leisten können und auf weniger nahrhafte Lebensmittel ausweichen müssen. Manche leiden dadurch schon unter Mangelernährung. Unsere Suche nach Glück und Gesundheit geht oft auf Kosten anderer.

Körperwahrnehmung, spirituelle Erfahrungen, esoterische Angebote

Eine andere Richtung, die Glück im Körpererleben verspricht, sind spezielle Meditationen und Übungen, bei denen es um die Wahrnehmung des eigenen Körpers geht, z. B. Yoga oder Qigong. Lange Zeit galt Yoga als eine Sportart für Frauen und Weicheier, auf keinen Fall für harte Männer. Inzwischen praktizieren auch Fußballer der Bundesliga Yoga. Yoga als körperliche Übung empfinden viele als wohltuend, als angenehmer als das auf Leistung ausgerichtete Workout.

Für die einen ist Yoga eine Sportart, die der Gesundheit dient und die Wahrnehmung des eigenen Körpers fördert. Andere suchen darüber hinaus die Verbindung zum Göttlichen. Yoga wird heute in Sportvereinen, Volkshochschulen und Fitness-Studios angeboten, aber auch in speziellen Yoga-Zentren, und es gibt viele Yoga-Varianten, die ins Esoterische reichen.

Der Esoterik-Markt bietet eine große Palette an Glücksversprechen an. Der Zulauf ist groß. Jährlich setzt die Branche zwischen 15 und 20 Milliarden Euro um, schätzt der Trend- und Zukunftsforscher Eike Wenzel.5 Esoterik ist längst keine Randerscheinung mehr, sondern in der Mitte der Gesellschaft angekommen.

In vielen Städten gibt es Esoterik-Messen. Schon die Namen sind vielsagend: „Lebensfreude-Messe“ in Hamburg oder „Spirit und Life“ in Dortmund. Auf den Esoterik-Messen werden Vorträge geboten, und oft gibt es dazu Produkte zu kaufen, die Energie geben oder negative Strahlen abhalten sollen. Menschen, die ihre Produkte verkaufen, sind gute Erzähler. Oftmals berichten sie aus ihrem eigenen Leben, von ihrem früheren Leiden und davon, wie sehr ihnen das Produkt geholfen habe.

Glück versprechen Nullpunktenergie-Steine oder Magnetschmuck von Energetix. Franziska van Almsick wirbt zum Beispiel dafür. Außerdem: Wahrsagen, Handlesen, Kartenlegen, Pendeln, ganzheitliche Behandlung mit Engel-Energie, gesundes Wasser, das in schwingungsfreien Karaffen aufbewahrt wird ...

All die Produkte und Praktiken versprechen ein besseres und vor allem gesünderes Leben. Oftmals setzt die Esoterik dort an, wo Menschen gesundheitliche Probleme haben. Menschen greifen zu alternativen Heilmethoden, weil sie sich von der Schulmedizin nicht ernst genommen fühlen oder keine Besserung erfahren haben.

Häufig aber bietet die Esoterik nicht nur die Lösung eines Problems an, also eine Heilmethode, wenn man krank ist, sondern sie schafft erst ein Problembewusstsein bzw. weist auf ein Problem hin, um dann eingreifen zu können, z. B. auf die Strahlenbelastung durch Erdstrahlen, Elektrostrahlen, Wasseradern usw. Oder es wird auf eine Disharmonie im Körper aufmerksam gemacht. Irgendetwas sei im Inneren blockiert, sodass Geist, Körper und Seele nicht mehr in Einklang seien.

Die Heiler und Wahrsager verdienen dabei gut. Ihr Stundensatz liegt bei über 100 Euro. Im Gegensatz zu Heilpraktikern brauchen geistige Heiler keine Ausbildung oder Erlaubnis, weil diese Heilung spirituell wirke und religiösen Riten näherstehe als der Medizin.

Auf dem Esoterik-Markt gibt es große Abhängigkeiten vom Heiler, der Glück und Gesundheit verspricht. Dabei geben Menschen oftmals so viel Geld aus, dass sie sich verschulden. Am Anfang wirkt der Preis noch überschaubar, aber anschließend sind immer neuere Kurse erforderlich, sodass man u. U. viel Geld zu seinem Guru trägt.

Erfolg und Berühmtheit

Ein anderes Glücksversprechen, das heute sehr verbreitet ist, betrifft Erfolg, Geld, Berühmtheit. Vor allem junge Leute träumen davon. Casting-Shows im Musik- und Modelbereich versprechen das alles und sind offensichtlich erfolgreich damit, denn sie schießen wie Pilze aus dem Boden. In den Shows wird eine Karriere als Model oder als Musiker versprochen. Um dieses Glück zu erreichen, sind viele bereit, ihre Würde zu verkaufen und sich von Heidi Klum oder Dieter Bohlen bloßstellen zu lassen. Bei dieser Glückssuche wird das eigene Ich auf ein Podest gestellt. In der Musikbranche geht es vielleicht noch darum, sein Interesse an Musik zu verwirklichen, aber bei den Model-Casting-Shows geht es darum, das eigene Ich zu zelebrieren. Der Körper wird perfektioniert, die Haare gestylt, die teuerste Kleidung angezogen, und dann wird gepost, was das Zeug hält.

Partnerschaft und Liebe

Viele Glücksangebote gibt es im Bereich der Partnersuche. Das wundert nicht, denn alle Glücksforscher sind sich einig, dass Liebe und Freundschaft eine große Glücksquelle sind. Doch auch Beziehungen fallen heute unter die Wohlfühldiktatur. Und dann wird es mit dem Glück schon schwieriger, denn in Beziehungen kommt es auch zu Konflikten und negativen Gefühlen. Wir erwarten von einer Liebesbeziehung das höchste Glück und die Erfüllung all unserer Lebensträume. Das ist ein bisschen viel. Aber Datingbörsen versprechen genau dieses Glück. Am Anfang einer Beziehung scheinen sich alle Träume zu erfüllen, doch irgendwann klaffen Wunsch und Wirklichkeit auseinander. Eine Beziehung, die nicht das Glück gibt, das man sich von ihr erhofft, wird oftmals ziemlich schnell entsorgt. Es ist jedoch nicht immer so, dass Beziehungen leichtfertig aufgegeben werden. Oftmals geht eine lange Leidenszeit voraus. Das Leiden an der Beziehung entsteht dadurch, dass man hohe Erwartungen in Bezug auf Kommunikation, Romantik, Abwechslung und innige Verbundenheit hat.

Beziehungen sind heute sehr viel zerbrechlicher als früher, deshalb gibt es viele Singles. Wir leben in einer Single-Gesellschaft, wird oft gesagt. Und dementsprechend groß ist das Angebot an Singlebörsen. Am bekanntesten sind Parship und Elite-Partner, die beide inzwischen von einem britischen Investor gekauft wurden. Es gibt aber auch viele spezifische Jagdreviere. Für Single-Eltern gibt es Seiten wie „Moms-Dads-Kids“. Das Datingportal „Rubensfan“ wendet sich nicht an Kunstinteressierte, sondern an mollige Frauen und Männer sowie an Fans von üppigen Figuren. Dann gibt es Datingportale, die auf verschiedene Berufsgruppen spezialisiert sind, wie „Polizeisingles“, „Metzgersingles“, „Farmersingles“ oder „doctor-dating“. Auch bestimmte Lebensformen haben ihre eigenen Datingseiten, wie „Veggiecommunity“, auf der sich Vegetarier, Veganer und „Frutarier“ finden. Auf der Plattform „Schwarzes Glück“ treffen sich Gruftis. Es gibt Datingbörsen für Christen, Muslime, Juden, für große und für kleine Menschen, für Kranke und Behinderte, für Singles über 50, für Golfer, für Homosexuelle, für Millionäre, für Kiffer oder für Hundeliebhaber.

Bei diesem vielseitigen Angebot müsste eigentlich jeder sein Glück finden, doch das große Angebot ist auch das Problem. Denn es entsteht der Eindruck, dass bei so einer großen Auswahl der perfekte Partner dabei sein muss. Man übersieht, dass eine Plattform einer großen Party vergleichbar ist, wo sich ganz normale Menschen treffen. Aber bei dieser großen Auswahl macht man sich nicht mehr die Mühe, jemanden näher kennenzulernen. Oft entscheidet man nur über das Foto. Besonders bei der Dating-App Tinder ist das Aussehen das einzige Kriterium.

Es gibt kostenlose Datingbörsen und solche, die eine Gebühr verlangen. Man kann also die Dienste in Anspruch nehmen, ohne etwas zu bezahlen. Dennoch ist es besser, sich auf einer Datingbörse anzumelden, die man bezahlen muss, vor allem für Frauen. Auf den kostenlosen Plattformen bekommen Frauen sehr viele Sexangebote, was auf den Bezahlbörsen weniger geschieht. Dort sind eher Menschen, die wirklich nach einem Partner suchen.

Die Datingbörsen sind eine moderne Form der Partnersuche. Ein Drittel der Partnerschaften kommt heute über das Internet zustande, eben vor allem über Datingbörsen. Es kann gut funktionieren, allerdings nur, wenn man nicht in eine Kaufhausmentalität fällt und versucht, das Superangebot zu finden. Viele lassen sich gar nicht darauf ein, einen der Kandidaten näher kennenzulernen, wenn er nicht sofort überzeugt, sondern sie suchen nebenher noch weiter.

Heute finden Singles in unserer Gesellschaft nicht so einfach zueinander. Eine Frau auf Partnersuche sagte: „Ich würde ja gerne jemanden kennenlernen oder einfach mal flirten. Aber das geht nicht, weil jeder auf sein Handy schaut.“ Ein Ehepaar aus meinem Bekanntenkreis hat sich über eine christliche Datingbörse kennengelernt und dann festgestellt, dass beide in die gleiche Gemeinde in München gingen, ohne dass sie sich wahrgenommen hatten.

Datingbörsen bieten eine Plattform, auf der man einen Partner finden kann. Doch viele Glücksversprechen der Datingbörsen beschränken sich nicht darauf, einen Partner zu finden, sondern stellen in Aussicht, dass man dann auch glücklich sein wird. Doch das hängt von den Menschen ab, von dem, was sie daraus machen. Ein Glücksverständnis, das auf Wohlfühlglück beruht, führt ziemlich schnell zu einer Enttäuschung. Man findet eben keine Supermänner und Superfrauen, die so aussehen wie auf den Werbeplakaten der Datingbörsen. Auch die Vorstellung, dass man dauerhaft glücklich ist, wenn man endlich einen Partner gefunden hat, führt zu einer Enttäuschung. In Partnerschaften gehören Krisen dazu.

Heute sind Beziehungen mit einem hohen Erwartungsdruck belastet. Eine Liebesbeziehung soll all das ausfüllen, was einem Menschen im Leben fehlt. Vor allem soll sie Lebenssinn geben. Die Einmaligkeit und Bedeutung des eigenen Lebens suchen viele in einer Beziehung. Nur wenn sie von einem Partner geliebt werden, fühlen sie, dass sie etwas Besonderes sind.

Erfülltes Leben

Die Suche nach Glück hat heute einen hohen Stellenwert. Doch Glück ist ein Nebenprodukt. Das haben Wissenschaftler verschiedener Fachdisziplinen gezeigt, wie der Philosoph Ulrich Pothast, der Neurologe und Psychotherapeut Viktor Frankl oder der Gehirnforscher Manfred Spitzer. Glück findet man oft im Tun, oftmals dann, wenn man gar nicht damit rechnet. Glück ist häufig sehr unspektakulär. Eine Studentin in unserer Studie sagte: „Ich war in meinem Leben so sehr mit der Suche nach Glück beschäftigt, dass ich nicht gemerkt habe, dass manche meiner Träume in Erfüllung gegangen sind oder gerade in Erfüllung gehen.“

Interessant ist, dass sich das Glück woanders findet als dort, wo wir suchen. Die Menschen streben nach Reichtum, Erfolg, interessanten Beziehungen usw. Aber in unserer Befragung hat sich gezeigt – und auch viele andere Glücksstudien bestätigen es –, dass die Menschen Glück in einer engen Beziehung finden, in einer erfüllenden Arbeit oder im bewussten Genießen. Und diese Dinge bekommt man nur, wenn man nicht nur danach strebt, sich wohlzufühlen, sondern auch bereit ist, Krisen und negative Zeiten durchzustehen.

Glück ist auch ein Kontrasterlebnis. Die düsteren Seiten des Lebens ausschalten zu wollen, so erklärt der Philosoph Wilhelm Schmid, würde nicht nur zum Verlust der Kontrasterfahrung führen, die Glück erst spürbar macht, sondern auch zum Verlust der Orientierung im Leben.6 Krisen regen uns zum Nachdenken an, sie sind richtungweisend und fördern unsere Empathiefähigkeit. Was wir uns eigentlich wünschen, ist ein erfülltes Leben, und das ist weit mehr als Wohlfühlglück.


Annegret Braun


Anmerkungen

  1. Eröffnungsvortrag auf der christlich-buddhistischen Dialogtagung „Glück“ am 23.2.2018 in Hannover (vgl. den nachfolgenden Tagungsbericht). Der Text wurde leicht überarbeitet, der Vortragsstil aber weitgehend beibehalten.
  2. www.xn--feelglck-coaching-72b.de , Abruf: 6.4.2018.
  3. www.huffingtonpost.de/pierre-franckh/wunschregel-nr9-formuliere-deine-wuensche-in-der-gegenwartsform_b_6334060.html , Abruf: 6.4.2018.
  4. Studie im Institut für Volkskunde/Europäische Ethnologie, Universität München. Vgl. Annegret Braun: Wie Frauen Glück erleben, Freiburg i. Br. 2013; dies.: Ohne Arbeit keinen Urlaub, in: Das Archiv. Magazin für Kommunikationsgeschichte 2/2013, 34-39.
  5. Süddeutsche Zeitung vom 20.7.2017, www.sueddeutsche.de/wirtschaft/esoterik-wer-am-geschaeft-mit-dem-seelenheil-verdient-1.3596195 , Abruf: 6.4.2018.
  6. Vgl. Wilhelm Schmid: Glück. Alles, was Sie darüber wissen müssen, und warum es nicht das Wichtigste im Leben ist, Frankfurt a. M./Leipzig 2007, 30f.