Amin al-Huli: Die Verbindung des Islam mit der christlichen Reformation. Übersetzung und Kommentar
Christiane Paulus (Hg.), Amin al-Huli: Die Verbindung des Islam mit der christlichen Reformation. Übersetzung und Kommentar, Osnabrücker Studien Band 4, Verlag Peter Lang, Frankfurt a. M. 2011, 186 Seiten, 39,80 Euro.
Der Titel des Buches dürfte manchen Leser überraschen und neugierig machen. Denn angesichts der im Gang befindlichen Vorbereitungen für das 500-jährige Jubiläum der lutherischen Reformation 2017 und des weiter bestehenden Interesses in der Öffentlichkeit an Themen, die mit dem Islam in Zusammenhang stehen, ist es ein interessanter Gedanke, dass es Verbindungen zwischen dem Islam und der Reformation geben könnte.
So ist man auf die Lektüre gespannt, die sich um ein muslimisches Dokument aus den 1930er Jahren rankt. In der Hinführung auf den Text des ägyptischen Literaturwissenschaftlers und Koranexegeten Amin al-Huli (al-Khuli, sprich: al-Chuli), der trotz seiner Bedeutung für neue Wege der Koraninterpretation wohl kaum einem Leser bekannt sein dürfte, gibt die Herausgeberin eine recht sachkundige Darstellung des islamischen Erbes im Mittelalter, das auf die europäische Kultur- und Geistesgeschichte wesentlichen Einfluss gehabt hat und dessen Spuren sie bis in der Reformationszeit verfolgt. Das Dokument selbst, das durch das Vorwort eines Scheichs der al-Ashar-Moschee aus den 1930er Jahren eingeleitet wird, beschreibt geschichtliche und geistige Verbindungen zwischen dem Islam und der Reformation und sieht in der Befreiung der Vernunft, der Zurückweisung der Macht der Kirche, der Rolle des Glaubens, der Bedeutung des Wortes Gottes und dem neuen Verständnis der Eucharistie Parallelen zum islamischen Denken. In einem dritten Teil des Buches wertet die Herausgeberin den Ertrag des Textes von al-Huli aus, indem sie unter anderem verschiedene reformatorische Bewegungen des späten Mittelalters beschreibt und Luthers Verhältnis zu Judentum und Islam einer Analyse unterzieht.
Die Herausgeberin stellt mit Recht fest, dass die Einschätzung einer kulturellen Fremdheit des Islam bislang wohl den Blick dafür verstellt hat, dass es historische Verbindungen und Einflüsse wie auch theologische und geistesgeschichtliche Zusammenhänge zwischen dem Islam und reformatorischen Erkenntnissen gibt. In dieser Hinsicht fördert das Buch interessante Zusammenhänge zutage, die gerade dem Dialog zwischen beiden Religionen neue und produktive Anregungen geben können.
Doch bleiben bei der Lektüre zugleich auch Unklarheiten und Fragen zurück. Der Essay von al-Huli scheint eine singuläre Ausarbeitung zu sein, die in der islamischen Theologie wenig Aufmerksamkeit gefunden hat, geschweige denn weitergeführt wurde. Auch die Person al-Hulis und sein sonstiges Wirken bleiben bis auf wenige Angaben gänzlich im Dunkeln. Der Nachdruck, mit dem die Herausgeberin die Zusammenhänge betont und sogar den Dank für den Einfluss des Islam auf die Reformation einfordert, steht in merkwürdigem Gegensatz zu dem offenkundig geringen Interesse des Islam an diesen Verbindungen. Zudem schießt die Behauptung, dass sich in al-Hulis Darlegungen evolutionstheoretisches Denken finden lasse, was in den 1930er Jahren ohne Zweifel gänzlich anders ausgesehen hat, als Paulus unterstellt, über das Ziel hinaus. Ob die aufgezeigten Gemeinsamkeiten bemerkenswerte philologische Entdeckungen der Vergangenheit sind oder für den aktuellen Dialog zwischen den beiden Glaubensgemeinschaften eine verbindende Kraft entfalten können, ist eine offene Frage.
Martin Affolderbach, Hannover