Anhaltende Kritik am Umgang mit der eigenen Geschichte
(Letzte Berichte: 3/2008, 92ff; 106f) Seit dem Informationsabend am 4. Dezember 2007, an dem die „Arbeitsgruppe Geschichte“ die Ergebnisse ihrer Studie zu den Entwicklungen und Problemen der Neuapostolischen Kirche (NAK) zwischen 1938 und 1955 vorgelegt hat, reißt die Kritik an einer „tendenziösen“ Geschichtsschreibung nicht ab. Das dokumentieren der öffentliche Briefwechsel des früheren Apostels der Gebietskirche Niederlande, Gerrit Sepers, mit Stammapostel Wilhelm Leber sowie der Briefwechsel zwischen der Vereinigung der Apostolischen Gemeinden und dem Stammapostel. Sepers hatte Leber nach dem Informationsabend persönlich heftig angegriffen und seine tiefe Enttäuschung über den rückwärtsgewandten Kurs der Kirchenleitung ausgedrückt. Besonders der Exklusivitätsanspruch und die beschönigenden Vergangenheitsdarstellungen wurden bemängelt. An einer Stelle verglich Sepers die NAK sogar mit einem „geistigen Konzentrationslager“. In einem sechsseitigen Brief wies der Stammapostel die Vorwürfe zurück und betonte, dass die NAK immer zu einer sachlichen Auseinandersetzung bereit sei. Allerdings gestand er ein, dass die Verantwortlichen zu wenig bedacht hätten, dass durch diesen Abend alte Wunden wieder aufgerissen würden. „Wenn wir es noch einmal tun könnten, würden wir sicherlich schonender vorgehen.“
Als „unwürdig und unverständlich“ haben auch die Apostel und Bischöfe der Vereinigung der Apostolischen Gemeinden in Europa (VAG) den Informationsabend der NAK binnen weniger Tage zurückgewiesen und dem Stammapostel mitgeteilt, dass die VAG wegen dieses „unakzeptablen Verhaltens“ für weitere Gespräche nicht mehr zu Verfügung stünden. Die Enttäuschung der VAG war groß, hatte es doch bereits 2005 erste Schritte zur Versöhnung zwischen der NAK Schweiz und der Vereinigung Apostolischer Christen Schweiz gegeben. Nach „langen Beratungen und umfangreicher Diskussion der Fakten und in konstruktiver Auseinandersetzung mit der gemeinsamen Geschichte“ war beiderseitig eine versöhnliche Erklärung unterschrieben worden. Der Gesprächsabbruch der VAG hat sicher eine Signalwirkung gehabt und unterstreicht eindrücklich die hohe Brisanz und Sensibilität des Themas.
Mit einer weiteren Erklärung hat sich die VAG nun im Februar 2008 erneut an die Öffentlichkeit gewandt. Darin setzt sie sich noch einmal mit der sogenannten „Botschaft“ J. G. Bischoffs auseinander und betont deren ungöttlichen Charakter. Gleichzeitig drücken die Apostel der VAG ihre Hoffnung aus, dass es in Zukunft doch zu einer Versöhnung mit der NAK kommt. Als Reaktion auf diese deutlich freundlicheren Töne hat Stammapostel Leber nun der VAG weitere Gespräche angeboten. Er lädt die VAG in seinem öffentlichen Brief dazu ein, alle Einzelheiten der kritisierten Punkte mit der Arbeitsgemeinschaft „Geschichte der NAK“ mündlich zu diskutieren und sie erläutern zu lassen. Es ist sehr zu begrüßen, wenn zerstrittene Parteien wieder in Kontakt miteinander treten. Über Gespräche hinaus sind jedoch schriftliche Dokumente wichtig, um der interessierten Öffentlichkeit – worunter sich zahlreiche Betroffene finden – die offizielle Deutung der Fakten zu präsentieren. Und dass eine Geschichtsaufarbeitung von zwei Betroffenen ohne unbeteiligte Dritte mit professioneller Distanz zum Thema zum Ziel führen kann, ist unwahrscheinlich. Es sind Vorschläge für einen Runden Tisch gemacht worden, wo mit Hilfe von Vermittlern der steinige Weg der apostolischen Gemeinschaften fortgesetzt werden kann.
Michael Utsch