Anschläge auf Moscheen und Synagogen
Die Zahl der Angriffe auf Moscheen und Synagogen in Deutschland hat in den letzten Jahren zugenommen.
Laut Presseberichten wurden zwischen 2001 und 2011 im Schnitt 22 Übergriffe auf Moscheen pro Jahr gezählt, 2012 und 2013 waren es hingegen 35 beziehungsweise 36 – ein Anstieg um mehr als 50 Prozent. Vertreter der islamischen Verbände werteten dies als Zeichen für die Zunahme anti-muslimischer Ressentiments.
Am 11. August 2014 wurde auf die Mevlana-Moschee in Berlin-Kreuzberg ein Brandanschlag verübt. Die Moschee der Islamischen Föderation in Berlin, die als Berliner Landesverband der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG) gilt, ist im Umbau begriffen. Das Millionenprojekt erlitt durch den „womöglich größten Moscheebrand der deutschen Geschichte“ (Fazli Altin, Präsident der Islamischen Föderation) in einem nicht fertiggestellten Anbau einen erheblichen Rückschlag. Es entstand großer Sachschaden. Zunächst war man nicht von einer vorsätzlichen Brandstiftung ausgegangen. Diese Einschätzung musste zwei Wochen nach dem Anschlag revidiert werden, nachdem die Polizei in allen Stockwerken Brandbeschleuniger gefunden hatte. Altin nannte „schlicht und einfach Rassismus“ als Hintergrund der Tat, den er als „Folge von Unwissenheit (Dschahiliyya)“ beklagte. (Mit diesem koranischen Ausdruck wird die vorislamische Zeit charakterisiert, die den Islam nicht kennt, häufig auch ein säkulares, unislamisches Umfeld.) Der oder die Täter und die Motive konnten allerdings bisher nicht ermittelt werden. Ein politisches Motiv bezeichneten Ermittler als unwahrscheinlich.
Innerhalb weniger Tage wurden zwei weitere Brandanschläge auf Moscheen verübt, beide in Bielefeld. Der oder die Täter zündeten jeweils Exemplare des Korans an und setzten damit die Gebetsräume in Brand. Die Polizei schloss nun eine politisch motivierte Tat nicht aus. Ende August gab es wieder einen Brandanschlag, diesmal auf die Haci-Bayram-Moschee in Oldenburg. Die Hintergründe wurden ebenfalls noch nicht aufgeklärt, der Sachschaden war zum Glück gering.
Es gibt viele weitere Beispiele, aber Täter werden kaum dingfest gemacht. Hin und wieder können Täter mit Kontakten ins rechtsextreme Milieu ermittelt werden. Einzelne Anschläge sollen auf den türkisch-kurdischen Konflikt oder schlicht auf Vandalismus zurückgehen. Im Frühjahr 2013 brannte es zweimal innerhalb von zwei Monaten an der Berliner Ensar-Moschee (IGMG). Im April 2013 schlugen Unbekannte eine Scheibe an der Moschee in Bad Tölz ein. Zwei Brandanschläge auf DITIB-Moscheen wurden Anfang 2012 verübt, in Hamburg und Darmstadt. Anfang 2011 wurde die älteste erhaltene Moschee in Deutschland, die Ahmadiyya-Moschee in Berlin-Wilmersdorf, Ziel eines Brandanschlags, der Spuren an der Tür eines Seitengebäudes hinterließ. Im Sommer 2011 lag vor einer Moschee in Osterode am Harz ein Schweinekopf, in dessen Schnauze ein Hakenkreuz eingeritzt war. Eine Folge von sechs Brandanschlägen musste die Polizei in Berlin im Jahr 2010 registrieren. Von Juni bis November 2010 wurden allein auf die Sehitlik-Moschee am Columbiadamm (DITIB) vier Anschläge verübt, weitere trafen im November die Neuköllner Al-Nur-Moschee sowie im Dezember das Gebäude der „Islamischen Kulturgemeinde der Iraner“ in Berlin-Tempelhof. Das sind nur einige Beispiele – und immer Sachschäden, niemand wurde verletzt. Doch an den Gemeinden gehen die Angriffe nicht spurlos vorüber, es bleibt Verunsicherung – und der Eindruck, dass die Öffentlichkeit weniger Notiz nimmt, wenn es Moscheen trifft, als wenn Kirchen oder Synagogen betroffen sind.
Die Lage für Juden ist nicht unmittelbar vergleichbar, schon aufgrund der unterschiedlichen Größenverhältnisse. Zuletzt wurde Anfang August 2014 die Synagoge in Wuppertal Ziel eines Brandanschlags, bei dem Jugendliche arabischer Herkunft Molotowcocktails auf das Gebetshaus warfen.
Statistisch kann man sagen, dass negative Einstellungen gegenüber Juden in den vergangenen Jahren angestiegen sind, antisemitische Delikte haben zugenommen. 51 Gewalttaten mit antisemitischem Hintergrund wurden 2013 in Deutschland registriert, 2012 waren es 41. Antisemitische Straftaten – außer Gewalttaten, vor allem Propagandadelikte – gingen gegenüber dem Vorjahr um rund 100 Fälle zurück (2013: 1275; 2012: 1374), wobei die Zahlen in beiden Jahren höher lagen als 2010 (1268) und 2011 (1239). Der höchste Wert wurde 2009 mit 1690 registriert. Etwa 90 Prozent der Straftaten sind rechtsextremen Tätern zuzuordnen.1
Mit dem sekundären und dem israelbezogenen Antisemitismus (Antizionismus) dominieren heute im Wesentlichen zwei Formen der Judenfeindschaft, die erst in der Nachkriegszeit entstanden sind. Beim sekundären Antisemitismus handelt es sich um eine speziell deutsche Form des Antisemitismus, die judenfeindliche Ressentiments aus dem Motiv der Erinnerungs- und Schuldabwehr heraus wiederbelebt. Nicht trotz, sondern wegen Auschwitz werden Juden angefeindet, denen gleichsam die „Schuld“ daran zugeschrieben wird, dass Deutschland kein „normaler Staat“ sein dürfe. Unter Entschädigungsleistungen und Wiedergutmachungszahlungen müsse endlich ein „Schlussstrich“ gesetzt werden.
Umfragen in Deutschland belegen, dass fast 40 Prozent der Befragten ein jüdisches Kollektiv mit bestimmten Eigenschaften imaginieren, das als „anders“ und „fremd“ markiert und dessen Mitgliedern die Zugehörigkeit zur Gesellschaft tendenziell abgesprochen wird. Etwa 20 Prozent der Bevölkerung in Deutschland sind „latent“ antisemitisch eingestellt. Dazu kommen 10 bis 15 Prozent, die sich offen judenfeindlich äußern. Mithin gilt für etwa 30 bis 35 Prozent der Bevölkerung, dass antisemitische Ressentiments Teil ihres Weltbildes sind. Damit nimmt Deutschland im europaweiten Vergleich einen Mittelplatz ein. Es gibt inzwischen Stadtviertel und ganze Gebiete, in denen Juden sich vorsichtshalber nicht zu erkennen geben. Nicht wenige Juden tragen deshalb über der Kippa eine weitere Kopfbedeckung.2
Friedmann Eißler
Anmerkungen
1 Vgl. Antisemitismus, hg. von der Bundeszentrale für politische Bildung, in: Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ) 28-30/2014, Bonn 2014; „Die Juden sind schuld“ – Antisemitismus in der Einwanderungsgesellschaft am Beispiel muslimisch sozialisierter Milieus, hg. von der Amadeu Antonio Stiftung, Berlin 2009.
2 Vgl. Tuvia Tenenbom, Allein unter Deutschen. Eine Entdeckungsreise, Berlin 2012.