Siegfried Raeder

Antworten auf den Islam. Texte christlicher Autoren vom 8. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Zusammengestellt und erläutert von Siegfried Raeder

Siegfried Raeder, Antworten auf den Islam. Texte christlicher Autoren vom 8. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Zusammengestellt, eingeleitet und erläutert von Siegfried Raeder. Neukirchener Verlag, Neukirchen-Vluyn, 2006, 228 Seiten, 19,90 Euro.


Der emeritierte Kirchenhistoriker Siegfried Raeder legt eine Textsammlung vor, die vor dem Hintergrund der jüngsten Ereignisse ungeahnte Aktualität gewinnt. Noch ist uns die teilweise bewusst inszenierte Empörung von Muslimen über ein historisches Zitat in der Rede Papst Benedikt XVI. vom 12. September 2006 gegenwärtig. Zu Recht ist von kritischen Kommentatoren angemerkt worden, dass hier der Versuch zu erkennen war, bereits den Rückgriff auf historische islamkritische Aussagen als „Beleidigung“ des Islam zu stigmatisieren und daraus die Berechtigung zu (auch gewalttätigem) Protest abzuleiten. Eine solche Haltung, bestimmte sie denn mehrheitlich den Weltislam, wäre das Ende jeder kritisch-historischen Auseinandersetzung und des Dialogs, mit verheerenden politischen Folgen.

Siegfried Raeders sorgfältig ausgewählte Textsammlung christlicher Autoren kommt daher zur rechten Zeit und leistet einen wertvollen Beitrag zum kritischen Diskurs über den Islam. Raeder präsentiert zehn christliche Autoren vom 8. Jahrhundert bis zur Gegenwart: Johannes von Damaskus, die Apologie des Abd al-Masih al-Kindi, Petrus Venerabilis, Wilhelm von Tripolis, Raimundus Lullus, Nikolaus von Kues, Martin Luther, Johann Gottfried Herder, Samuel Zwemer und Hendrik Kraemer. Drei Grundsatzdokumente beschließen die Textsammlung:

Der Dialog zwischen Christen und Muslimen auf der bekannten Konferenz von Chambésy 1976 über „Christliche Mission und islamische da’wa“, die Grundaussagen des Zweiten Vatikanischen Konzils zum Islam 1965 und schließlich Aussagen aus der Handreichung des Rates der Evangelischen Kirche über das „Zusammenleben mit Muslimen in Deutschland“ aus dem Jahr 2000. (Soeben ist die Fortschreibung der Handreichung erschienen).

Das ist eine eindrucksvolle und gut aufbereitete Auswahl, gleichwohl fällt die Präsentation von Gegenwartstexten etwas dünn aus. Hier hätten auch noch Texte aus dem Kreise pluralistischer Religionstheologen aufgenommen werden müssen – so z.B. von Wilfred Cantwell Smith und Kenneth Cragg –, um die große Bandbreite gegenwärtiger theologischer Positionen im Dialog mit dem Islam abzubilden. Auch ein Text von Hans Küng, dem Schöpfer des „Weltethos“, wäre hilfreich gewesen.

Raeder leitet jeden Text kundig ein und kommentiert ihn zurückhaltend ohne dem Leser seine Position aufzuzwingen. Jeder kann sich selbst eine Meinung bilden und wird instand gesetzt, wie Raeder empfiehlt, „zwischen Zeitbedingtem und Bedenkenswertem zu unterscheiden“ (S. VIII). Der Leser folgt den über einen langen Zeitraum entwickelten, sehr unterschiedlichen Islambildern und wird überrascht feststellen, dass erstens „einige Autoren aus der Perspektive des christlichen Glaubens auch heute noch bedenkenswerte Interpretationen des Islam“ bieten (S. 213), selbst wenn wir heute nicht nur erheblich mehr wissen, sondern auch in der Lage sind, manches differenzierter darzustellen. Größere Sachkenntnis muss gleichwohl nicht zwingend besseres Urteilsvermögen zur Folge haben.

Zweitens kann er erkennen, dass einige der bereits vor tausend Jahren kritisch angesprochenen Themen noch heute aktuell sind: z.B. die Entstehungsgründe des Islam und sein Verhältnis zu Christentum und Judentum, grundlegende Kategorien wie Ein-Gott-Glaube, Sündenverständnis und Moralauffassungen (Frauen und Ehe), die Debatte zu Vernunft und Glaube (so bei Raimundus Lullus und Nikolaus von Kues), das Verhältnis von Mission und Dialog (so klassisch in der berühmten Chambésy-Konferenz entfaltet), die „hellen“ und „dunklen“ Seiten des Religionsstifters Mohammed (so bei Johannes von Damaskus, der Apologie des Abd al-Masih al-Kindi und Petrus Venerabilis) und schließlich die Wirkungen der neuen Weltreligion in ihren jeweiligen Einflussbereichen (so bei dem Islam-Missionar Samuel Zwemer und dem großen Ökumeniker Hendrik Kraemer).

Je nach Erkenntnisinteressen werden die im Dialog mit dem Islam stehenden Christen aus den Texten das auswählen, was entweder die Gemeinsamkeiten oder das Trennende hervorhebt. Entscheidend ist aber, dass der Respekt vor den persönlichen Glaubensüberzeugungen der Muslime sich mit der „Treue gegenüber der erkannten Wahrheit“ (S. 214) verbindet. Fazit: Ein unbedingt lesenswertes Buch, das für jede christlich-islamische Dialoginitiative zur Basislektüre gehören sollte.


Johannes Kandel, Berlin