Iranischer Reformtheologe zu Gast in Berlin
Die Entscheidung des Landgerichts Köln, dass die Beschneidung von nicht einwilligungsfähigen Kindern eine Körperverletzung darstellt und strafbar ist, wurde von atheistischen und humanistischen Organisationen begrüßt. Ganz anders reagierten islamische Verbände, wie etwa der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD), ebenso der Zentralrat der Juden in Deutschland wie auch die EKD, die Deutsche Bischofskonferenz und die evangelischen Freikirchen. Sie wiesen darauf hin, dass ein Beschneidungsverbot einen Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften darstellt und das Elternrecht auf religiöse Kindererziehung zurücktreten lässt.
In seiner Zustimmung zum Beschneidungsurteil wies der Internationale Bund der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA) darauf hin, die Beschneidung als das zu betrachten, „was sie ist: ein strafbarer Eingriff in die körperliche Unversehrtheit von wehrlosen und ihren Eltern ausgelieferten Jungen. Es ist dabei irrelevant, ob diese irreversiblen Verstümmelungen aus religiösen oder anderen ideologischen Gründen durchgeführt werden ... Das Urteil stärkt die Rechte der Kinder vor religiösen Übergriffen. Eine Beschneidung ohne eine medizinische Notwendigkeit ist Körperverletzung.“
Auch zahlreiche Laizisten in der SPD haben der Gerichtsentscheidung mit Emphase zugestimmt. Horst Isola, langjähriges Mitglied der Bremer Bürgerschaft, bemerkte etwa: „Endlich machen sich die deutschen Gerichte daran, die Religionsfreiheit neu zu vermessen.“ Den Religionsgemeinschaften wird nach unserer Rechtsordnung nicht das Recht gegeben, „sich unter Berufung auf religiöse Vorschriften oder Rituale ein eigenes – göttliches – Recht zu schaffen und zugleich gegen fundamentale Grundrechtsvorschriften wie die körperliche Unversehrtheit zu verstoßen. Dies ist umso verwerflicher, als im vorliegenden Fall Opfer Kleinkinder sind, die sich nicht wehren können und womöglich für ihr ganzes Leben durch einen solchen Eingriff ... traumatisiert werden.“
Die unterschiedlichen Stellungnahmen zum Beschneidungsurteil verdeutlichen: Die durch die Verfassung geschützten Rechtsgüter, das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften, das elterliche Erziehungsrecht, das Recht auf körperliche Unversehrtheit werden in den verschiedenen weltanschaulichen Milieus unserer Gesellschaft unterschiedlich gewichtet. Weit über das Urteil des Gerichtes hinausgehend wurde vonseiten des Internationalen Bundes der Konfessionslosen und Atheisten bereits gefordert, Kinder vor Vollendung des 14. Lebensjahres „vor einseitiger religiöser Beeinflussung“ zu schützen. Religiöse Erziehung erscheint in dieser Perspektive gewissermaßen als unstatthafte Manipulation, ja als Kindesmissbrauch. Religionskritische Eiferer möchten offensichtlich ihre atheistische Weltdeutung zur Norm für alle erheben. Aus dem elterlichen Erziehungsrecht soll die religiöse Erziehung herausgenommen werden. In pluralistischen Gesellschaften müssen jedoch auch Atheisten lernen, mit christlichen, muslimischen, jüdischen, buddhistischen ... Gläubigen zusammenzuleben. Es bleibt zu hoffen, dass das Bundesverfassungsgericht Rechtsklarheit schaffen wird.
Reinhard Hempelmann