Auf den Spuren der Nahtoderfahrungen. Gibt es eine unsterbliche Seele?
Günter Ewald, Auf den Spuren der Nahtoderfahrungen. Gibt es eine unsterbliche Seele?, Butzon & Bercker, Kevelaer 2011, 172 Seiten, 16,95 Euro.
Günter Ewald, Jahrgang 1929, emeritierter Mathematikprofessor, Physiker und ehemaliges Mitglied des Präsidiums des Deutschen Evangelischen Kirchentags, ist im Bereich der Nahtodforschung kein Unbekannter. Es sind bereits mehrere Bücher von ihm zu diesem Thema erschienen. Sein aktuelles Werk, publiziert im christlichen Butzon & Bercker-Verlag, beinhaltet aufs Neue die Frage, ob es ein Leben nach dem Tod gibt. Es leistet einen eigenständigen Beitrag durch die Konstellation der bearbeiteten Themen, durch die Aufarbeitung vergangener Forschung und bestehender Erkenntnisse sowie die Reflexion dieses Wissens im Spiegel neuerer wissenschaftlicher Betrachtung. Ewald setzt sich für die Vereinbarkeit von Wissenschaft und Glauben ein und unternimmt den Versuch, wissenschaftlich aufzuzeigen oder doch zumindest an die Aussage heranzuführen, dass es eine unsterbliche Seele gibt, die nach dem irdischen Ableben erhalten bleibt. Diese Annäherung vollzieht er nicht mit einem Anspruch auf absolute Gültigkeit, sondern stellt sie als begründete Möglichkeit in den Raum.
Das Buch ist in drei Abschnitte eingeteilt. Zwischen dem Fassbaren und dem Unfassbaren fungieren die Nahtoderlebnisse als Bindeglied. Damit das Thema der Nahtoderfahrung auch für den Erstleser verständlich wird, werden einige bekannte Thesen aufgerollt. Die verschiedenen typischen Elemente von Nahtoderlebnissen werden anfangs erwähnt und eingeleitet durch Pim van Lommels 2001 publizierte Studie über Nahtoderfahrungen von Patienten, die einen Herzstillstand hatten und daraufhin reanimiert wurden. Der erste Teil stellt insbesondere Originalberichte von Nahtoderfahrungen vor. Unklar bleibt hier, ob es sich bei den älteren Berichten um verschriftlichte Erlebnisse der jeweiligen Personen zum Zeitpunkt der Erfahrung dreht oder ob es sich um eine Rückschau handelt. Inhaltlich geht es um todesnahe Grenzsituationen, wobei die Betroffenen von außerkörperlichen Erfahrungen, Konfrontationen mit verstorbenen Angehörigen und einem breiten Wahrnehmungsspektrum von Musik, Lichtszenerien oder Wärmeempfinden erzählen. Die Berichte enthalten außerdem Nachbetrachtungen der Betroffenen über mit dem Erlebnis verbundene Gefühle und über Konsequenzen, die aus der Erfahrung gezogen wurden.
Ewald hält die Fackel hoch, um Zusammenhänge zwischen den Nahtoderlebnissen und neuen Erkenntnissen der Wissenschaft auszuleuchten. Dabei wirft er ein kritisches Licht auf die konventionelle Neurobiologie als gängiges Erklärungsmodell, um tiefgreifende Aussagen über Bewusstsein, Seele sowie Nahtoderfahrungen treffen zu können, weil sie als Disziplin klassischer Physik nur Teilaspekte und physikalische Vorgänge beschreiben könne. Der Geist, die Seele oder das Bewusstsein werden vom Autor nicht als ein Produkt des Gehirns verstanden. So bemüht sich Ewald im zweiten und dritten Teil, den Bogen von den geschilderten Phänomenen zur Wissenschaft und zur Religion zu spannen, und weist insbesondere darauf hin, dass es keinen Widerspruch zwischen den Erfahrungen in Todesnähe und dem wissenschaftlichen Standpunkt gebe, solange die moderne Wissenschaft bereit sei, sich von ihrer materiellen Sicht zu lösen. Eingebettet in mehrere Überlegungen aus der Quantenphysik wie auch im Spiegel christlichen Glaubens (unter)sucht Ewald die Form der Verbindung von Bewusstsein und Materie in der Quantenwelt und diskutiert deren Anwendbarkeit auf Nahtoderlebnisse, Bewusstsein und Seele, wozu Positionen verschiedener Denker und Wissenschaftler vorgestellt und kommentiert werden.
Tobias Lauer, Marburg