Andreas Renz

Beten wir alle zum gleichen Gott? Wie Juden, Christen und Muslime glauben

Andreas Renz, Beten wir alle zum gleichen Gott? Wie Juden, Christen und Muslime glauben, Kösel-Verlag, München 2011, 206 Seiten, 14,99 Euro.

Im alltäglichen Leben begegnen wir Menschen unterschiedlicher Herkunft. Unsere Gesellschaft ist multireligiös geworden. Die jüdischen Gemeinden wachsen. Die Präsenz des Islam ist sichtbar und Gegenstand zahlreicher politischer und gesellschaftlicher Diskurse geworden. Dies nimmt Andreas Renz zum Anlass, über eine gemeinsame Basis des Christentums und anderer Religionen nachzudenken. Dabei beschränkt er sich auf die drei großen monotheistischen Religionen und begründet das mit ihrer engen theologischen und geschichtlichen Verwandtschaft. Sie gehören zu einer „Familie“ (9). Ihre Anhänger decken immerhin mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung ab (179). Gleiche Fragen könnten auch in Bezug auf andere Gruppierungen gestellt werden, doch der thematische Rahmen würde dann gesprengt.

Nach einem kurzen Vorwort, in dem der Autor seine Vorgehensweise beschreibt, werden im Hauptteil die drei Religionen nacheinander jeweils mit vier parallel laufenden Abschnitten behandelt. Gemäß dem Titel des Buches wird für jede Religion zuerst die Gebetspraxis betrachtet, denn die persönliche Gottesbeziehung sei in den monotheistischen Religionen wichtiger als die dogmatischen Lehren bzw. wichtiger als Opfer und Werke. Im jeweils zweiten Teil geht es um die Besonderheit der einzelnen Religion. Dies wären die Geschichte des Gottes JHWH, Jesus Christus und der Heilige Geist und schließlich der Koran. Nach dem Grundsatz Lex orandi, lex credendi werden dann die Gebetspraxis und auch das Gottesverständnis theologisch reflektiert und die Grundlagen der jeweiligen Religion zusammengefasst. Der vierte Teil gibt Auskunft über gegebene Antworten der jeweiligen Vertreter auf die Frage: „Beten wir alle zum gleichen Gott?“ Das Buch schließt mit einem kurzen Fazit.

In allen Abschnitten werden ausführlich Quellen zitiert. Zumeist handelt es sich hierbei um traditionelle Gebete. Dies erstreckt sich vom Achtzehnbittengebet im Synagogengottesdienst über die Abendmahlsliturgie der römisch-katholischen Kirche bis hin zu den neunundneunzig Namen Gottes im Islam. Diese Texte zeigen auf, dass sie auch von Anhängern der anderen Religionen gesprochen werden könnten. Als Leser wird man häufig in die Lage versetzt, selbst nach Gemeinsamkeiten zwischen den Traditionen zu suchen. Es werden auch häufig Vergleiche zu christlichen Gebeten gezogen. Beispielsweise erkennt der Autor eine Verbindung des muslimischen Takbir (Anruf „Gott ist groß/am größten“) mit dem christlichen Gloria sowie der ersten Sure des Korans mit dem Vaterunser (127). Die Schechina, die Einwohnung Gottes bei den Menschen, dient ebenso als Bindeglied sogar zwischen allen drei Religionen. Sie ist mit dem Heiligen Geist vergleichbar, der unter die Menschen kommt, wenn sie sich zum Gottesdienst versammeln (47, 132). Ausgehend vom Judentum beschreibt der Autor aber auch die Bedeutung Jesu Christi als das spezifisch Christliche, der sich als Sohn Gottes bezeichnet, der wie die Weisheit in Prov 8 präexistent ist und ebenso mit der Schechina der jüdischen Mystik verglichen werden kann (85f). Große Aufmerksamkeit richtet Andreas Renz auf die Trinitätslehre. Denn aufgrund dieser werfen viele Muslime dem Christentum vor, eigentlich drei Götter zu verehren. Renz betont auch die Gemeinsamkeit zwischen Judentum und Islam als spezifisch monotheistische Religionen. Diese werde angesichts des Nahostkonflikts allzu oft vergessen.

Insgesamt bekommt man während der Lektüre einen Einblick in die Glaubenslehren dieser drei Weltreligionen. Renz betont, sie bezögen sich alle auf denselben Gott Israels, und es sei allgemein unmöglich, ein Urteil über das Heil oder die Gottesbeziehung eines Menschen zu fällen. Leider gebe es das Phänomen, dass sich zwei Gruppen gerade dann stärker voneinander abgrenzen wollen, wenn sie sich in ihrer Lehre ähneln. Schwierig werde es außerdem, wenn sie zudem noch einen exklusiven Anspruch vertreten. Dennoch sollen die Unterschiede nicht gänzlich aufgelöst werden. Von gemeinsamen Gottesdiensten rät der Autor ab, da dabei jeder wichtige Aspekte seiner Religion aussparen müsste. Man könne sich jedoch gegenseitig seinen Glauben bekennen und so einen Dialog ermöglichen.

Am Ende kommt Renz zu dem Fazit, dass zwar alle zum gleichen Gott beten, aber in unterschiedlicher Weise. Man könne jedoch gewiss sein, dass Gottes Heilshandeln nicht nur die Christen betreffe. Wenn Juden, Christen und Muslime nebeneinander beten, bilden sie eine Gemeinschaft als gleichrangige Geschöpfe vor Gott.


Gideon Röder, Leipzig