Esoterik

BGH-Urteil zur Wahrsagerei

Es kommt wohl nicht alle Tage vor, dass sich die Richter des Bundesgerichtshofs (BGH) in Karlsruhe mit „übernatürlicher“ Lebensberatung befassen müssen. Eine Kartenlegerin hatte einem Mann Hilfe in einer schweren Lebenskrise versprochen. Sie erhielt von ihm 35000 Euro, doch die Zahlung von weiteren 6700 Euro verweigerte ihr der Kunde. Nun fällte am 13. Januar 2011 der III. Zivilsenat des BGH das Urteil: Wahrsager dürfen für ihre Dienste Honorare beanspruchen, wenn sich zuvor Anbieter und Kunde darüber verständigt haben, dass die Beratung auf übernatürlich-magischen Fähigkeiten und damit auf wissenschaftlich nicht beweisbaren Annahmen beruht und sich beide auf eine Bezahlung dieser Dienstleistung geeinigt haben. Hinfällig wird der Anspruch von Wahrsagern, wenn sie psychisch labile Kunden ausbeuten.

Im konkreten Fall geht es um eine Kartenlegerin, die Lebensberatung („life coaching“) anbietet. Nach der Trennung von seiner Freundin suchte ein Messebauer „übersinnlichen“ Rat, um sie zurückzugewinnen. Über Internet kam er mit der späteren Klägerin in Kontakt. Über Telefon legte sie ihm zu privaten und beruflichen Fragen die Karten und erteilte ihm Ratschläge. Der Mann zahlte ihr im Jahr 2008 über 35000 Euro. Im darauffolgenden Jahr verlangte die Klägerin für ihre Leistungen die Summe von rund 6700 Euro, die ihr der Mann jedoch verweigerte, nachdem er Kontakt zur Stuttgarter „Aktion Bildungsinformation“ aufgenommen hatte. Daraufhin klagte die Kartenlegerin erfolglos vor dem Landgericht, das die Klage als unbegründet zurückwies. Sie legte gegen diese Entscheidung Revision ein. Das Berufungsgericht stellte fest, dass der Klägerin der Betrag nicht zustünde, da sich ihr Leistungsversprechen „auf die Wirkung magischer Kräfte und somit auf eine objektiv unmögliche Leistung“ stütze. Deshalb zog die Frau vor den BGH.

Trotz des Spruchs des III. Zivilsenats des BGH ist der Rechtsstreit noch nicht zu Ende. Der BGH verwies den Fall an die Vorinstanz zurück. Das Landgericht Stuttgart hat nun zu klären, ob es in dem konkreten Fall eine solche Vereinbarung zur Bezahlung zwischen Kartenlegerin und Kunde gab. Nach Meinung der BGH-Richter könnten sich Menschen sehr wohl dafür entscheiden, solche „irrationalen“ Leistungen zu erkaufen, die einer „für Dritte nicht nachvollziehbaren Haltung entsprechen“. Wenn sich die Kunden klar darüber seien, dass diese Art der Lebensberatung nicht rational erklärbar ist, sei es ihre Entscheidung, ob sie trotzdem Geld dafür bezahlen wollen. Anders verhalte es sich jedoch, wenn der Vertrag zwischen Wahrsager und Kunde gegen die „guten Sitten“ verstoße. Im konkreten Fall hatte das Landgericht Stuttgart die Frage offengelassen, ob die Vereinbarung zwischen den beiden wegen Sittenwidrigkeit nichtig war. Der BGH betonte jedoch, dass sich viele Menschen, die sich in die Hände von Wahrsagern begäben, in einer schwierigen Lebenssituation befänden. Bei einigen handele es sich auch um „besonders leichtgläubige, unerfahrene oder psychisch labile Menschen“. Deshalb – so die weitere Begründung – „dürften in solchen Fällen keine allzu hohen Anforderungen an einen Verstoß gegen die guten Sitten gelten“.

Nach dem BGH-Urteil obliegt es nun dem Landgericht Stuttgart zu prüfen, ob die Kartenlegerin die Zwangslage und das mangelnde Urteilsvermögen ausgebeutet und damit gegen die „guten Sitten“ verstoßen hat (BGH III ZR 87/10).


Matthias Pöhlmann