Bildungscampus der Gülen-Bewegung in Berlin geplant
Ein Großprojekt der Gülen-Bewegung steht in Berlin am Start: Wie aus einer Ende 2012 aufgetauchten Broschüre hervorgeht, will ein dem Bildungsnetzwerk der Gülen-Bewegung zuzurechnender Verein auf rund 84000 m2 einen bislang einzigartigen Bildungscampus errichten. Vom Kindergarten bis zur Hochschulreife soll in Zukunft alles an einem Standort möglich sein. Auf dem Areal um die schon bestehenden Privatschulen mitten im Berliner Bezirk Spandau – bis 1994 von den Briten als Kasernenanlage genutzt – befinden sich heute Behindertenwerkstätten der Stephanus-Stiftung und des Evang. Johannesstifts Berlin und ein ehemaliges Hotel, insgesamt über 20 unterschiedlich genutzte bzw. leerstehende Gebäude, die teilweise unter Denkmalschutz stehen. Die Werkstätten sollen in das Projekt eingebunden werden, das neue Konzept soll „neue Synergieeffekte und pädagogische Formen des Lernens und Lehrens“ ermöglichen. Das TÜDESB Bildungsinstitut Berlin-Brandenburg e.V. (vormals „Türkisch-Deutsches Sozialbildungsinstitut Berlin-Brandenburg Tüdesb“) betreibt heute berlinweit vier Kindertagesstätten, sechs Bildungszentren (im Wesentlichen für Nachhilfeunterricht) und vier Schulen (Grund-, Real-, Integrierte Sekundarschule und Gymnasium). Die Grundschule soll im nächsten Schuljahr 2013/14 die Anerkennung erlangen, ein fünfter Kita-Standort ist im Aufbau.
TÜDESB ist seit 1994 in Berlin aktiv. Der Verein setzt sich für Bildungseinrichtungen „für Kinder aus Migrantenfamilien“ ein, um durch Spracherwerb und höhere Bildung als wichtige Voraussetzungen für gelingende Integration bessere Berufschancen und gesellschaftliche Teilhabe zu erzielen. Die Bildungseinrichtungen machen in der Regel Religion nicht in besonderer Weise zum Thema, geschweige denn ihre Verbindung zu Fethullah Gülen. In den engeren Kreisen der Bewegung wird jedoch ein konservatives islamisches Ideal gepflegt, das in Sachen Bildungsbegriff, Demokratieverständnis, Frauenbild und Gesellschaftsmodell und anderen Fragen eine teilweise ernüchternde Diskrepanz zu der nach außen hin gezeigten Dialogoffenheit aufweist. Der im amerikanischen Exil lebende türkische Prediger verbreitet die Parole „Gründet Schulen statt Moscheen“, sein „erzieherischer Islamismus“, der sich deutlich von Modellen des „politischen Islamismus“ unterscheidet und doch selbst hoch politisch ist, setzt auf stille und geduldige gesellschaftliche Transformation durch schariaorientierte islamische Werte. Der politisch brisante Schariavorbehalt an vielen Stellen in Gülens Schriften sowie die schroffe Entgegensetzung „des“ Islam als der wahren Religion und „des“ materialistisch eingestellten und deshalb tendenziell dekadenten Westens wollen kaum zu dem Bild passen, das die Gülen-Bewegung in der Öffentlichkeit zeigt und das von dieser offenkundig auch gerne gesehen wird. Dass hier ein Wahrnehmungsdefizit in der Öffentlichkeit entsteht, zeigt die symbolträchtige Präsenz politischer Prominenz bei unterschiedlichen Anlässen wie der Deutsch-türkischen Kulturolympiade oder der Eröffnung eines Schulneubaus Anfang Januar in Stuttgart.
Inwieweit Integration durch Einrichtungen befördert wird, die bisher fast ausschließlich eine Klientel aus türkischen Einwandererfamilien ansprechen, ist im Moment noch nicht abzusehen. Was angesichts der Dynamik, die die Entwicklung der Gülen-Bewegung in Deutschland derzeit bestimmt, jedoch mit Sicherheit gesagt werden kann, ist, dass die islamische Mission der Gülen-Anhänger im Umfeld der deutschlandweit inzwischen über 20 Schulen und mehr als 160 Bildungseinrichtungen nicht die öffentliche und kritische Beachtung findet, die ihr gebührt. (Zur Information über die Gülen-Bewegung: http://www.ezw-berlin.de/html/3_174.php ; EZW-Kompakt-Infos zur Gülen-Bewegung können bei der EZW bestellt werden.)
Friedmann Eißler