Paranormale Heilung

Bruno Gröning-Freundeskreis breitet sich aus

(Letzter Bericht: 1/2014, 24-27) Zum Jahreswechsel 2013/2014 nahmen nach eigenen Angaben 1330 Personen an der internationalen Schulungswoche des Bruno Gröning-Freundeskreises (BGF) in Geseke (Niedersachsen) teil.1 Fast eine Woche lang beschäftigten sie sich mit der Lehre der und Heilpraxis Bruno Grönings (1906 – 1959), tauschten Heilungserfahrungen aus und unternahmen gemeinsame Freizeitaktivitäten. Als ein Höhepunkt wurden Ausschnitte aus einem neuen Dokumentationsfilm des BGF gezeigt, der noch in diesem Jahr veröffentlicht werden soll und der wie die beiden Vorgängerfilme angebliche Heilungswunder dokumentiert.

Die materialreiche Internetseite der vom BGF betriebenen Informationsplattform ist mit dem Profilbild des „Wunderheilers“ innerhalb einer (Welt-)Kugel als Logo versehen, sie enthält Beiträge in 31 Sprachen.2 Die weltumspannenden Intentionen werden auch in der Quartalsschrift „Bruno Gröning“, der Informationszeitschrift des BGF, offensichtlich. In der Rubrik „Auslandsreport“ wird dort regelmäßig über die wachsende Ausbreitung dieses Heilverfahrens durch Informationsvorträge in anderen Ländern und auf anderen Kontinenten berichtet.

Der 26. Januar 2014, der 55. Todestag des kultisch verehrten Gemeinschaftsgründers, war wie der Gedenktag jedes Jahr für mehrere hundert Freunde Anlass für einen Besuch am Grab im hessischen Dillenburg. In zwei Feierstunden gedachte man des Verstorbenen und verdeutlichte an Beispielen, dass die geistige Kraft des göttlichen „Heilstroms“ von Gröning bis heute unvermindert wirke, sofern man darum bitte und sich darauf „einstelle“. Die Informationszeitschrift erläutert in ihrem Glossar unter „Einstellung“: „Der Mensch stellt sich auf den Empfang der Heilkraft ein, nimmt sie in sich auf.“3 Ein Anhänger Grönings beschreibt die Wirkungen des Heilstroms „wie eine sehr zarte Elektrifizierung, verbunden mit einer Durchwärmung, Durchblutung und Entspannung des kranken Organs“.4

Der BGF bezeichnet sich als „eine der größten weltweit tätigen Vereinigungen zur Heilung auf dem geistigen Weg“. In allen europäischen Ländern sowie auf allen Kontinenten der Erde gibt es mittlerweile örtliche Gemeinschaften, wo sich Anhänger und Interessierte in dreiwöchigen Abständen zu Gemeinschaftsstunden treffen. Im deutschsprachigen Raum soll es eigenen Angaben zufolge rund 20 000, weltweit gar bis zu 50 000 Anhänger in 2000 Gemeinschaften geben.5

Der in Danzig mit dem Namen Bruno Grönkowski geborene Heiler ruft aber trotz wachsender Anhängerschar weiter Kritik hervor. Eine ausgewogene biografische Studie seines bewegten Lebens fehlt bislang, die Publikationen schwanken zwischen grenzenloser Vergötzung und gnadenloser Verurteilung.6 Viele Fakten sprechen gegen ihn. Die beiden Söhne des Heilers starben in jungen Jahren an einem Herzklappenfehler bzw. einer Brustfellentzündung in Dillenburg. 1949 führte Gröning viel beachtete Massenheilungen in Herford durch, geriet aber wegen fehlender Heilerlaubnis sofort in Konflikte mit den Gesundheitsbehörden. Weitere Stationen seiner Heilaktivitäten in den Jahren 1950 bis 1953 waren Hamburg, Oldenburg, Wangerooge und Oberbayern. Weil Gröning immer wieder gesetzliche Bestimmungen ignorierte, wurde 1954 in München ein umfangreiches Ermittlungsverfahren eingeleitet. Ihm wurde vorgeworfen, wissentlich gegen das Heilpraktikergesetz verstoßen und dabei fahrlässig den Tod von mindestens einem Menschen in Kauf genommen zu haben. Deshalb erhielt er ein Auftrittsverbot für die gesamte Bundesrepublik. In einem früheren Gerichtsverfahren antwortete Gröning auf die Frage, welche Krankheiten er heilen könne: „Ich heile alle Krankheiten auf der Erde!“7 Auf die Rückfrage hin, warum er nicht bei sich selbst anfange und seinen deutlich sichtbaren Kropf heile, erwiderte er, dass er denselben brauche, um darin alle Krankheiten der Menschen auf der ganzen Welt einzusammeln. Wer an ihn als Erlöser glaube, der werde auch sofort von seinem Leiden befreit.8

Schon 1950 hatte sich im Auftrag der Staatsanwaltschaft Oldenburg ein Arzt unter die Heilungsuchenden in eine Veranstaltung mit Gröning gemischt und ihm anschließend in einem Gutachten „Größenwahn und Verfolgungswahn“ bescheinigt. Der bekannte Heidelberger Psychiater Alexander Mitscherlich attestierte Gröning in einem Gerichtsgutachten eine „krankhafte Persönlichkeit ... mit einem überdurchschnittlichen Maß an Suggestivkraft“.9 Selbstbewusst habe er jede fachärztliche Hilfe bei der Behandlung seiner kranken Kinder abgelehnt. Vielen Ratsuchenden habe er Heilung versprochen und ihnen ausdrücklich geraten, keinen weiteren Arzt aufzusuchen. Ein weiterer Widerspruch: Gröning verheimlichte selbst seiner engen Anhängerschaft seinen Magenkrebs und ließ ihn im Dezember 1958 schulmedizinisch in Paris behandeln, das Karzinom war aber bereits inoperabel und führte kurz darauf zu seinem Tod.

Trotz dieser Fakten trifft die 1998 getroffene Prognose eines Schweizer Weltanschauungsexperten zu: „Für die nächsten Jahre ist mit einem weiteren starken Anwachsen der Gemeinschaft zu rechnen, falls nicht eine öffentliche Diskussion um Abschottungs-Mechanismen, übersteigerte Heilserwartungen … und missionarisches Gebaren zu einer größeren Aufmerksamkeit in der Gesellschaft führt“.10 Ein Medizinhistoriker beschließt seine zusammenfassende Darstellung über die bleibende Faszination durch den umstrittenen Heiler mit dem resignierenden Fazit: „Menschen lassen sich nun einmal gerne von irrationalen Mythen leiten ... Wahrheit oder Unwahrheit haben in solchen Momenten keine Auswirkung auf die Anziehungskraft des Mythos ... Es bedarf jedoch einer Führerfigur, die den Fanatismus steuert und kanalisiert.“11 Die Sehnsucht nach Heilung und die Einbildungskraft sind menschliche Grundkonstanten, die leicht ausgenutzt werden können und deshalb besonderer Aufmerksamkeit und wachsamer Überprüfung bedürfen.


Michael Utsch


Anmerkungen

  1. Bruno Gröning. Informationszeitschrift des Freundeskreises, 17. Jg., Frühjahr 2014, 3.
  2. Vgl. www.bruno-groening.org.
  3. Bruno Gröning. Informationszeitschrift des Freundeskreises, 17. Jg., Frühjahr 2014, 19.
  4. Friedrich Retlow, Bruno Grönings Heilstrom. Seine Natur und Wirkung, Herford 1949, 11.
  5. Matthias Pöhlmann, Bruno Gröning, www.ekd.de/ezw/Lexikon_119.php .
  6. Eine differenzierte und kompakte Darstellung wurde erarbeitet von Florian Mildenberger, Heilstrom durch den Kropf. Leben, Werk und Nachwirkung des Wunderheilers Bruno Gröning (1906 – 1959), in: Sudhoffs Archiv. Zeitschrift für Wissenschaftsgeschichte 92/1 (2008), 35-64.
  7. Ebd., 52.
  8. Ebd.
  9. Zitiert nach ebd., 58.
  10. www.relinfo.ch/bgf/info.html
  11. Florian Mildenberger, Heilstrom durch den Kropf, a.a.O., 64.