Bruno in Basel oder Die "Psi-Tage" auf Abwegen
(Letzter Bericht: 9/2000, 328) Vom 30. November bis 2. Dezember 2001 fanden die 19. Basler "Psi-Tage" statt. Das Thema war einmal mehr das weite Feld der Geistheilung, weswegen die "Psi-Tage" auch etwas hochgegriffen als "5. Weltkongress für geistiges Heilen" daherkamen. Die Veranstaltungen waren den Unterthemen "Heilen erleben", "Heilen lernen" und "Heilen verstehen" gewidmet, und mit was hätte man zu diesem interessanten Gebiet aufwarten können: mit einem Forum des Dialogs zwischen Schul- und Komplementärmedizin etwa, oder auch - wenn man mutig gewesen wäre - einem spannenden Streit zwischen Anhängern des geistigen Heilens und radikalen Kritikern wie beispielsweise der aus den USA stammenden Organisation "Quackwatch". Doch nichts von alledem: Wurden in den Jahren zuvor noch kritische Stimmen zugelassen, blieb man diesmal lieber unter sich und pflegte das wohlgefällige Unisono derer, die sich mehr oder weniger darin einig sind, dass geistiges Heilen (wie auch immer) "hilft".
War den Gründervätern der "Psi-Tage" einst dran gelegen, paranormale und anderweitig schwer erklärbare Phänomene den kritischen Augen der Wissenschaft vorzulegen, huldigt die neue Generation der Veranstalter einer platten Polemik gegen die Wissenschaft im allgemeinen und ihre Testmethoden im besonderen. Da werden Doppelblindstudien schon einmal locker als "Hokuspokus" abgetan, vor allem aber gehört es inzwischen offenbar zum guten Ton, über die Schulmedizin herzuziehen.
Sicher ist es nicht unberechtigt, die mitunter zu beobachtende Arroganz und Ignoranz einiger ihrer Vertreter gegenüber der Komplementärmedizin zu kritisieren, doch standen etliche Referenten ihrerseits den Geschmähten in nichts nach. Es ist beispielsweise ebenso billig wie einfach zu behaupten, dass Geistheilungsphänomene mittels wissenschaftlicher Parameter nicht verifizierbar seien, es daher auch keinen Grund gebe, solche Heilungserfolge der wissenschaftlichen Überprüfung auszusetzen.
Garniert wurde das Ganze mit flotten Sprüchen wie "Alle wissenschaftliche Erkenntnis führt über den Friedhof" (in Anspielung auf die Skandale um Contergan und jüngst um Lipobay), "Die Mediziner glauben an die Physik, aber die Physiker glauben wieder an den lieben Gott" oder "Die Titanic wurde von Experten konstruiert, die Arche Noah von Laien - deshalb vertrauen Sie nicht den Experten!" Getreu dem Luhmann'schen Diktum, dass man heutzutage nicht mehr seriös, sondern nur noch witzig sein müsse, dankte das Publikum des Kongresses für solche Äußerungen mit lautem Gelächter und begeistertem Applaus.
Im weiteren Verlauf der "Psi-Tage" zeigte sich, dass besonders eine Gruppierung den Trend zum Wunderbaren für ihre Zwecke zu verwerten verstand: der "Bruno-Gröning-Freundeskreis" und die in ihm integrierte "Medizinisch-Wissenschaftliche Fachgruppe" (MWF). Bereitwillig stellten die Veranstalter der MWF ein Podium zur Verfügung, das diese - wer wollte es ihr verdenken - hemmungslos nutzte, um für die angeblich durch zahllose Heilungserfolge "medizinisch beweisbare" Methode Bruno Grönings (1906 -1959) zu werben. Das dazu angebotene Seminar lief exakt nach dem genormten Schema der Werbeveranstaltungen des "Freundeskreises" ab, in deren Verlauf ehemals schwer kranke Menschen berichten, wie sie sich einfach nur "auf den Heilstrom eingestellt" hätten und dadurch geheilt worden seien (siehe dazu ausführlicher MD 5/1999, 150 ff, vgl. auch den vorangegangenen Beitrag in diesem Heft, 58 ff). Das Publikumsinteresse an Gröning war durchaus beachtlich, zumal ihn auch Referenten, die mit dem "Freundeskreis" nichts zu tun haben, als "großartigen Lehrer" bezeichneten oder mit anderen positiven Attributen bedachten. Mit keiner Silbe erwähnt wurde hingegen, dass die "Freundeskreise" eine sektenähnliche Struktur aufweisen und dass Hilfesuchende, bei denen sich partout keine Heilung einstellen will, sich oft unversehens allein gelassen wiederfinden.
Parallel zu den "Psi-Tagen" gibt es die Esoterikmesse "Aura". Auf ihr waren diesmal sehr viele Anbieter vertreten, während im Jahr zuvor noch die zahlreichen Lücken unvermieteter Standplätze nicht zu übersehen waren. Auch hier machte sich das im Verlauf des Kongresses wachsende Interesse für Bruno Gröning bemerkbar: Fand der Stand des Grete Häusler Verlags, der fast ausschließlich Bücher über Gröning vertreibt, am ersten Tag nur wenig Aufmerksamkeit, war er einen Tag später schon dicht umringt von Interessenten. Ansonsten war die "Aura" geprägt vom üblichen Aufmarsch der Kartenleser und Wahrsager (zumeist weiblichen Geschlechts) sowie verschiedener Anbieter von Produkten aus den Bereichen Esoterik und Gesundheit. Erstmals war diesmal die "Christian Science" vertreten. Bemerkenswert ist auch die alljährliche Präsenz der Basler Freikirchen, die mit einem eigenen Stand und auf sehr geschickte Weise das jeweilige Thema der "Psi-Tage" aufgreifen, um zu versuchen, die Leute von der Esoterik weg- und zu Jesus Christus hinzuführen. Mit welchem Erfolg, sei dahingestellt. Jedenfalls besuchten die "Aura" diesmal weitaus mehr Menschen als in den vergangenen Jahren. Ob dies am attraktiven Thema der "Psi-Tage" lag oder das Publikumsinteresse an Esoterik allmählich wieder anzieht, wird sich zeigen müssen.
Die Veranstalter der "Psi-Tage" dürften also rundum zufrieden sein: die Vorträge, Seminare, Workshops wurden ebenso gut angenommen wie die "Aura". Kritische Fragen blieben außen vor, so dass drei Tage lang die heile Welt gleichgesinnter Geistheilungsfreunde zelebriert werden konnte.
Der Außenstehende aber hat einen Kongress erlebt, der sich von seinen einstigen Anliegen immer weiter entfernt und dafür in größter Arglosigkeit Kurioses, Versponnenes und leider auch Bedenkliches kritiklos präsentiert. Es kann kein Zweifel bestehen: Die Basler "Psi-Tage" sind auf Abwege geraten und stehen in Gefahr, zur Werbeveranstaltung für z. T. äußerst bedenkliche esoterische Angebote zu verkommen. Wenn diese Strategie beim Publikum auch künftig aufgeht, bleibt für die kommenden Jahre wenig Gutes zu hoffen.
Christian Ruch, Zürich