„Buddhismus aktuell“ mit neuem Gesicht

Die Vierteljahreszeitschrift „Buddhismus aktuell“ hat sich aufgefrischt und setzt neue Akzente. Das Sprachrohr der Deutschen Buddhistischen Union (DBU) begann 1987, elf Jahre nach der österreichischen Zeitschrift „Bodhibaum“, als „Lotusblätter“ und entwickelte sich bald zur führenden Zeitschrift für Buddhismus in Deutschland und im deutschsprachigen Raum. Seit 2003 wird das Magazin unter dem heutigen Titel fortgeführt. Die Auflagenhöhe liegt bei 7700.

Die aktuelle Nummer (2/2013) unter der Leitung von Ursula Richard, die in der Chefredaktion Michaela Doepke abgelöst hat, zeigt interessante thematische Akzentverschiebungen. Ob sich damit eine Verschiebung in der Ausrichtung ankündigt, bleibt abzuwarten.

Die Vielfalt der Themen und der Autorinnen und Autoren aus verschiedenen Kulturkreisen bleibt erhalten. „Buddhismus aktuell“ wird nach wie vor seinem Ruf gerecht, authentisch, sachkundig und zugleich verständlich aus allen Bereichen des Buddhismus zu informieren. Es wird aber kein Zufall sein, dass nun nicht Schulrichtungen titelgebend sind, sondern Rubriken wie „Kunst und Kultur“, „Praxis“ und „Alltag“ oder auch „Im Dialog“ erscheinen. Es ist vermutlich auch kein Zufall, dass das erste Schwerpunktthema „Säkularer Buddhismus“ heißt. „Buddhismus aktuell“ will verstärkt Debatten anstoßen, „unter anderem zu Fragen der Inkulturation des Buddhismus, der Verwurzelung in einer Kultur, die sich selbst auch fortwährend verändert“, so das Editorial. Die innerbuddhistische Verständigung, ein Dialog über Aspekte einer „buddhistischen Ökumene“, ist in letzter Zeit immer wieder thematisiert und gefordert worden. Der Anspruch der DBU und ihres Sprachrohrs ist ein traditionenübergreifender. Dieses Anliegen wird im Horizont gesellschaftlicher Entwicklungen stärker in den Blick genommen. Dass jetzt eine Elternseite anstelle der Kinderseite steht und Ernährungstipps und Rezepte hinzukommen, fällt daneben nicht so sehr ins Gewicht.

Ein Beispiel für den Kulturbezug ist ein Bericht über das „langsamste Musikstück der Welt“, das John-Cage-Orgelprojekt in der Burchardikirche in Halberstadt. Eine ursprünglich 30 Minuten dauernde Orgelkomposition des zen-buddhistisch inspirierten Ausnahmekünstlers wird in einem aufregend mutigen und fantastisch optimistischen Raum-Zeit-Klang-Projekt auf 639 Jahre gedehnt, bei dem der nächste „Klangwechsel“ im Oktober diesen Jahres ansteht (www.aslsp.org/de ).

Der Beitrag „Buddhismus 2.0“ von Stephen Batchelor sowie ein Interview mit diesem „profiliertesten (Quer-)Denker des Buddhismus“ bringen eine Hinwendung zur gesellschaftlichen Wirklichkeit und zum saeculum (dem weltlichen Jetztzeitalter) ganz eigener Art zum Ausdruck. Was meint der frühere Mönch Batchelor, wenn er von sich sagt, er sei „ein säkularer Buddhist“? Seine Thesen umreißen Herausforderungen buddhistischer Identität im Westen heute. „Ich sehe das Ziel meiner buddhistischen Praxis nicht darin, ein endgültiges Nirvana zu erlangen“, sagt Batchelor. Den Glauben an Buddha als „Erlöser“ von unendlichen Lebenszyklen weist er als Doktrin aus vorwissenschaftlicher Zeit zurück. Der Buddhismus habe im Laufe der Zeit auf dem Weg seiner Ausbreitung Religionsformen angenommen, Orthodoxien, Praxiskanons und Machthierarchien ausgebildet. Angesichts der modernen Entwicklungen von Erkenntnis und Wissenschaft jedoch müssten jene Verfestigungen des Ursprünglichen in den konkurrierenden Schulen und Richtungen überprüft werden. Es gehe nicht um Religion, nicht um „Wahrheit“, sondern um praktische und praktikable Antworten auf die Krise und die Leiden unserer Zeit. Man müsse daher von einem „glaubensbasierten System“ (der überlieferten Traditionen) zum praxisbasierten, nicht-metaphysischen und damit „säkularen“ System der unmittelbaren Wahrnehmung des Beziehungsprozesses zur Welt kommen. Es ist also ein grundlegender Reformansatz im Dienste intellektueller Redlichkeit, der auf der Grundlage früher buddhistischer Schriften das spezifisch Buddhistische von indisch-hinduistischen und späteren Überformungen zu scheiden sucht. Da es nicht nur um ein (westliches) „Upgrade“ geht, spricht Batchelor vom Systemwechsel, von Buddhismus 2.0. Übrig bleiben die buddhistischen „Schlüsselgedanken“ (1) Prinzip der Bedingtheit, (2) Prozess der Vier Edlen Wahrheiten, (3) Praxis der Achtsamkeit und (4) Betonung des Sich-auf-sich-selbst-Verlassens (die Lösung der Machtfrage).

Die umstrittenen Thesen sind Teil einer vielschichtigen und höchst spannenden Debattenlage, die die Transformationsprozesse „des“ Buddhismus im Westen kritisch aufgreift und voranbringt. Die neuen Akzente in „Buddhismus aktuell“ tragen dem in zukunftsorientierter und vielversprechender Weise Rechnung.


Friedmann Eißler