Interreligiöser Dialog

Buddhistisch-christlicher Dialog in St. Ottilien

Am Wochenende vom 10.-13.6.2005 fand in der Erzabtei St. Ottilien die 6. Tagung des European Network of Buddhist Christian Studies statt, das 1996 in Hamburg gegründet wurde. Die Tagungen des Netzwerks, die ca. alle zwei Jahre bisher mit Schwerpunkt in Deutschland, aber auch in Schweden und Schottland stattgefunden haben, oszillieren zwischen einem religionswissenschaftlichen und spirituellen Charakter und bieten nun auch jungen Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen die Möglichkeit, ihre Projekte vorzustellen und diskutieren zu lassen. Die diesjährige Konferenz stand unter dem Thema „Conversion and Religious Identity“ und widmete sich damit einem Gebiet, das derzeit auch in der Religionswissenschaft eine Hochkonjunktur erlebt. Neben Regionalstudien mit stark empirischem Charakter (der deutsche Benediktiner Thomas Timpte über Korea und Elizabeth Harris, London, über Sri Lanka) trugen Jörgen Sörensen und Kajsa Ahlstrand aus Schweden systematische Überlegungen bzw. Projekteinführungen zum Thema „Bounderies of Religious Identity“ vor. Perry Schmidt-Leukel und Jose Cabezon setzten sich kritisch auseinander mit Paul Williams und seiner doppelten Konversion hin zum Buddhismus und wieder zurück zum Christentum, die er in einem Buch rekapituliert hat.

Das Thema der religiösen Identität fand seinen Focus in der Zuspitzung auf Bi-Identität oder double belonging/multiple identity, repräsentiert durch Ruben Habito, jetzt in den USA (Dallas) lehrender philippinischer Theologe mit japanischem und jesuitischem Hintergrund, der aus intensiver Begegnung mit dem Zen-Buddhismus der kleinen Sanbo-Kyodan-Schule schöpft und aus dieser Erfahrung autobiographisch-narrativ berichtete. Systematisch zum Thema der multiple religious identity sprach der Münchner Religionswissenschaftler Michael von Brück, der aufgrund neuerer Untersuchungen aus der Neurologie und frühkindlichen Sozialisationsforschung zu dem Schluss kam, dass auch bei mehrfachen religiösen Beeinflussungen die Ursprungssozialisation eines Menschen eine prägende Beharrungskraft behält. In Anbetracht der zunehmenden double-belonging-Begeisterung unter den Teilnehmern im Laufe der Tagung, die gar zu einer spontanen Abstimmung („wozu rechne ich mich eigentlich?“) führte, waren dies bemerkenswert ernüchternde Akzente.

Das Thema double belonging wurde im Zusammenhang der Projektvorstellungen junger Wissenschaftlerinnen noch einmal von Rose Drew (Glasgow) aufgegriffen mit einer Systematisierung und Kategorisierung der diesbezüglichen Dynamiken. Ulrich Schoen gab Einblicke in die Japan-bezogene Dimension des double belonging (K. Takizawa, G. Hashino, K. Barth). Martin Rötting stellte sein Projekt zum Lernen im interreligiösen Dialog vor. Weitere Projekte wurden in Arbeitsgruppen geboten.

Die Teilnehmerschaft setzte sich internationaler denn je zusammen und umfasste nun auch einen guten Anteil aus der buddhistischen Welt, der in früheren Jahren unterrepräsentiert war. Nachfolger im Amt des langjährigen Vorsitzenden Aasulv Lande, Theologe und Religionswissenschaftler aus Lund, wurde der in Dublin lehrende Australier John May.

Unübersehbar ist die Tendenz, dass die (religions-) wissenschaftliche Komponente der Konferenzen gegenüber der spirituellen Seite zunehmend Raum greift, auch wenn der Tagungsort St. Ottilien zweifellos ein höchst spirituelles und angenehmes Ambiente bot.


Ulrich Dehn