Buddhistischer Friedhof in Dresden eingeweiht
Mit großer öffentlicher Anteilnahme wurde am 27. September 2015 auf dem Dresdner Heidefriedhof ein besonders gestaltetes Areal als erster buddhistischer Friedhof in Sachsen und ganz Osteuropa seiner Bestimmung übergeben. Die Initiative dazu ging von der vietnamesisch-buddhistischen Gemeinde aus. Es wurde aber Wert darauf gelegt und in der Gestaltung darauf geachtet, dass der Friedhof für Buddhisten aller Richtungen offen stehen soll.
In dem 1600 m2 großen quadratischen Bereich laufen aus den Längs- und Querachsen sowie den Diagonalen Wege auf das Zentrum hin, wo sich eine Statue des Buddha Shakyamuni aus Granit befindet. Hinter ihm ist ein Baum gepflanzt, sodass diese Kombination die Erleuchtung symbolisieren soll, „die überall im Himmel und auf der Erde strahlt“, wie es in einer zur Zeremonie ausgeteilten Erläuterung heißt. Der Grundriss mit seinen acht Wegen soll den Achtfachen Pfad symbolisieren, der den Speichen im buddhistischen Rad der Lehre entspricht. In den vier Ecken befinden sich weitere Granitstatuen mit kleineren Figuren von Bodhisattvas: Avalokiteshvara soll die Barmherzigkeit verkörpern, Manjushi die Weisheit, Samantabhadra die Handlung und Kshitigarbha die Opferung. Bodhisattvas haben im Mahayana-Buddhismus die Funktion von Helfern auf dem Weg zur Erlösung.
Durch die verbindenden Wege ergibt sich eine Strecke für die Gehmeditation. Der Name der Grabstätte „Ort der Rückkehr“ ist auf zwei Säulen am Eingang in Vietnamesisch, Deutsch, Englisch und Pali eingraviert.
Festlich gekleidete vietnamesische Jugendliche standen Spalier, als die Festprozession vom Friedhofseingang zu dem neuen buddhistischen Grabfeld kam. Auch wurden gelbe Rosen an die Gäste verteilt, die diese vor den Statuen ablegen konnten. Zu Beginn waren alle Figuren noch mit gelben Seidentüchern umhüllt, die dann im Laufe der Zeremonie unter Beteiligung der buddhistischen Mönche und Laien, der anwesenden Lokalpolitiker und Mitarbeiter der Stadtverwaltung weggezogen wurden. Die darauf folgenden Zeremonien lagen in der Leitung von Thich Tri Chon, der als ehrwürdiger Obermönch des Mutterklosters Khánh An in Vietnam eine besondere Rolle einnahm. Er zelebrierte in direkter Folge eine Darbringung von Blumen zur Verehrung Buddhas, eine Zeremonie zur heiligen Verewigung der Buddha-Statue und der Skulpturen der Bodhisattvas, eine Zeremonie zur Verehrung der Vorfahren und ein Gebet an Buddha um Glück und Frieden. Teilweise stimmten die anwesenden vietnamesischen Besucher mit in die Gesänge ein. Die nur deutschsprachigen Teilnehmer konnten die Bedeutung dieser Zeremonien lediglich erahnen, sofern ihnen nicht die bei der vorherigen Pressekonferenz verteilten Informationen zugänglich waren.
Der Dresdner Kulturbürgermeister sprach nicht nur ein Grußwort, sondern legte auch mitgebrachtes Obst als Opfergabe zur Verehrung Buddhas vor der Statue nieder, was vonseiten der buddhistischen Veranstalter als große Geste des Entgegenkommens gewertet wurde. Die Stadt Dresden hat die Fläche zur Verfügung gestellt und die Erschließungskosten übernommen, während die Skulpturen und die buddhistische Gestaltung durch Spenden finanziert wurden, die der vietnamesische Verein gesammelt hatte.
Was hat der Buddhismus mit Friedhofskultur zu schaffen? Eigentlich dürfte es da doch nicht allzu viel geben, wo in ihm doch eine Form des Reinkarnationsglaubens gelehrt wird – so könnte man meinen. Eine solche Sichtweise aber übersieht, dass es zum Markenzeichen des Buddhismus gehört, bei seiner Ausbreitung die vorfindlichen Religionsformen nicht aktiv bekämpft und abgeschafft, sondern weitestmöglich integriert zu haben. Dies führt dazu, dass unter einer äußerlich buddhistischen Oberfläche auf vielfältige Weise traditioneller Volksglaube weiterlebt, einschließlich der Ahnenverehrung. Diese hat wie im gesamten vorderasiatischen Raum auch in Vietnam eine starke Ausprägung erfahren. Ein Indikator dafür ist, dass den Dresdner Vietnamesen der Friedhof zunächst wichtiger war als eine eigene Pagode. Der Friedhof ist elementar für das Ankommen in der „zweiten Heimat“. Die Toten werden dann nicht mehr ins Familiengrab in Vietnam überführt, sondern das Familiengrab beginnt in Dresden neu. Daraus folgt, dass für die jetzige Generation und die kommenden Generationen vietnamesischer Buddhisten nicht nur der äußerliche, sondern auch der religiöse Lebensmittelpunkt in Deutschland liegen kann.
Auch 25 Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung sind die in Deutschland lebenden Vietnamesen tief gespalten, denn die Wunden des Vietnamkrieges (1964 – 1975) wirken bis heute nach. Während die Mehrzahl der in Ostdeutschland lebenden Vietnamesen ab den 1950er Jahren als Delegierte des kommunistischen Nordvietnam in die DDR kamen, sind die meisten Vietnamesen in Westdeutschland aus Südvietnam gekommen und unter z. T. großen Opfern vor der kommunistischen Herrschaft geflohen. Einer Versöhnung steht im Weg, dass in Vietnam die kommunistische Regierung nach wie vor im Einparteiensystem herrscht und sich um Kontrolle des religiösen Bereichs auch in Deutschland bemüht. Die Spaltung betrifft die Buddhisten in der Weise, dass z. B. die Dresdner Gemeinde keine engeren Verbindungen zu der Leipziger Pagode pflegt. Diese ist nämlich von westdeutsch/südvietnamesisch geprägten Personen initiiert worden und eine Tochtergründung der Pagode in Hannover. Darum werden mangels regionaler nordvietnamesischer religiöser Autoritäten zu den Zeremonien der Jahresfeste in Dresden jedes Mal die Mönche direkt aus Vietnam eingeflogen. Versuche zur Überwindung der Trennung hat es gegeben, sie waren aber bisher nicht von Erfolg gekrönt.
Insgesamt ist Vietnam ähnlich wie Ostdeutschland stark säkularisiert, und nur eine Minderheit kennt und lebt die buddhistische Tradition aktiv. Die religiösen Wurzeln unter den Nachkommen der kommunistischen Delegierten wiederzubeleben, ist Anliegen des Dresdner Vereins, und der buddhistisch geprägte Friedhof ist ein wichtiger Schritt auf diesem Weg.
Harald Lamprecht, Dresden