Neuapostolische Kirche

„Christus - meine Zukunft“. Eindrücke vom europäischen Jugendtag der NAK

(Letzter Bericht: 7/2008, 169f) Vom 21. bis 24. Mai 2009 fand im Düsseldorfer Messegelände der erste Europa-Jugendtag (EJT) der Neuapostolischen Kirche (NAK) statt. Über 35 000 hauptsächlich jugendliche Dauerteilnehmer waren gekommen, am Abschlussgottesdienst nahmen sogar etwa 46 000 Menschen aller Altersgruppen teil. Die Teilnehmer kamen aus ganz Europa, aber auch aus Australien, den USA und anderen außereuropäischen Ländern.

Um es vorweg zu sagen: Der Jugendtag war für die NAK ein großer Erfolg. Nicht nur logistisch wurde dieser größte Event souverän gemeistert. Die vornehmlich jugendlichen Teilnehmerinnen und Teilnehmer nahmen das Treffen fröhlich, ja begeistert an, die Stimmung war ausgezeichnet, fast wie auf einem Kirchentag. Der Stammapostel wurde herzlich, z. T. begeistert begrüßt. Der EJT bedeutet einen weiteren Schritt der NAK heraus aus dem eigenen Milieu, aus der „Selbstisolierung“ (Volker Kühnle auf dem EJT), hinein in die Gesellschaft. Auch die wohlwollenden Grußworte des Bundespräsidenten und des Düsseldorfer Oberbürgermeisters machten dies deutlich.

Trotz guter Stimmung ist der EJT nicht mit katholischen, evangelischen oder ökumenischen Kirchentagen zu vergleichen. Organisatorisch handelt es sich beim EJT nicht um ein Laientreffen, zu dem natürlich auch Kirchenvertreter eingeladen werden, sondern um eine offizielle Veranstaltung der NAK. Das muss kein Nachteil sein. Gleichwohl wäre für die Zukunft zu fragen, ob nicht eine stärkere inhaltliche Beteiligung anderer als ausschließlich der Amtsträger der NAK möglich ist. Gerade die Struktur von Kirchentagen zeigt, wie durch die organisatorische Distanz zur offiziellen Kirche auch eine selbstkritische Diskurskultur und damit echte partizipative Elemente in der Kirche gefördert werden können. Für den ersten EJT wäre dies aber wohl noch eine Überforderung gewesen. Auch war es schade, dass die engagierten Kritiker innerhalb der NAK und in ihrem Umfeld keinen eigenen Raum auf dem EJT hatten.

Inhaltlich bezogen sich fast alle Veranstaltungen auf den Binnenraum der NAK bzw. auf die Förderung und Vertiefung des persönlichen und des gemeinsamen Glaubens („Ich bin...“ – Jesus stellt sich vor; Glaube im Alltag; Gott mit allen Sinnen erleben; Bibelbox; viele musikalische Angebote) oder auf konkrete Lebensfragen (Powersticks – Social Competence Concepts; Suchtgefahren in der Jugend; Die Kunst der Komunikation). Der Zusammenhang mancher Workshops mit den Themen Glaube und Kirche war nicht wirklich deutlich (Digitale Bildbearbeitung; journalistisches Schreiben); sie orientierten sich mehr am Interesse der jugendlichen Besucher. Veranstaltungen, in denen gesellschaftlich oder ethisch relevante Themen aufgegriffen wurden, fehlten weitgehend. Ausnahmen bildeten aber z. B. „Biotechnik und unser Glaube“ oder „Christ sein in einem multikulturellen Europa“. Beeindruckend war der Informationsstand der „Regenbogen-NAK“, einer Interessengemeinschaft homo-, bi- und transsexueller Christen in der NAK, der an prominenter Stelle gegenüber dem Bischoff-Verlag platziert war. Das Interesse an diesem Stand war groß. Die NAK hatte die Präsentation der Initiative unterstützt. Die Atmosphäre in den Hallen war durchweg locker und fröhlich. Zwischen den Podien liefen selbstgedrehte Filme, über die das Publikum in schallendes Gelächter ausbrach. Es waren Sketche über manche langweiligen NAK-Gottesdienste, voller Selbstironie und Kreativität.

Großes Interesse fand die Podiumsveranstaltung „Miteinander reden – zueinander finden (Ökumene)“. Die Halle war überfüllt. Apostel Volker Kühnle diskutierte unter der Moderation von NAK-Kirchensprecher Peter Johanning mit EZW-Referent Michael Utsch. Zunächst führte Kühnle in die Geschichte der Ökumene ein, stellte dann die Entwicklung in der NAK dar, die zu einem verstärkten Interesse an ökumenischen Beziehungen geführt habe. Nächstes Ziel sei nicht nur eine Gastmitgliedschaft in der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK), sondern, wenn möglich, auch eine Beteiligung am 2. Ökumenischen Kirchentag 2010 in München. Kühnle orientierte seine ökumenischen Zielvorstellungen am Modell der „versöhnten Verschiedenheit“, bei der er die Wassertaufe als gemeinsames ökumenisches Band und als Verpflichtung zum weiteren Gespräch sah. Die Diskussion strittiger theologischer Fragen müsse man noch vertagen, bis der neue Katechismus der NAK erschienen sei. Peter Johanning fragte, warum in der ökumenischen Begegnung für die NAK strengere Maßstäbe gelten würden als für andere. Dass dies nicht der Fall ist, sondern es zunächst einer verbindlichen Darstellung neuapostolischer Lehre als notwendigem Referenzrahmen für ein ökumenisches Gespräch bedarf, hatte im Grunde Apostel Kühnle mit seinem Hinweis auf den ausstehenden Katechismus selbst deutlich gemacht. Michael Utsch wies auf die theologische Bedeutung des Stammapostolats in der NAK hin, die letztlich Gottes Bedeutung und Rang relativiere und damit auch ein ökumenisches Hindernis darstelle. Übrigens war es versäumt worden, die Düsseldorfer Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen über das Projekt EJT überhaupt zu informieren.

Der Abschlussgottesdienst am Sonntag in der LTU-Arena fand im fast voll besetzten Stadion statt. Die Stimmung war locker, trotz einiger Längen. Der Schlusssegen wurde durch nicht enden wollende La-Ola-Wellen verlängert. Stammapostel Leber, der von der guten Atmosphäre sichtlich berührt war, predigte nacheinander von drei Altären aus über Phil 3,13 und akzentuierte dabei für evangelische Ohren den Lohngedanken und die dem Glauben vorauslaufende eigene Bemühung etwas zu stark. Leber begrüßte ausdrücklich die geladenen Vertreter apostolischer Gemeinden, an die gewandt er in Anlehnung an Phil 3,13 sagte: „Ich strecke mich aus, auch im Namen der Kirche, nach der Versöhnung!“ Zuvor hatte er ausdrücklich Fehler der NAK gegenüber den apostolischen Gemeinden eingeräumt. Es war schade, dass er die Ökumene mit keinem Wort erwähnte. Im Anschluss an die Abendmahlsfeier wurde das Abendmahl für Entschlafene gefeiert. Eine seelsorgerliche oder sozialpsychologische Bedeutung z. B. für die Hinterbliebenen ist durchaus erkennbar, aber seine theologische Bewertung als Sakrament oder auch seine stellvertretende Durchführung ist für evangelisches Empfinden doch höchst befremdlich.

Insgesamt hatte der EJT vor allem eine Binnenwirkung, er diente der Stärkung der Gemeinschaft und der Selbstvergewisserung der NAK. Das neu gewonnene Selbstbewusstsein wird für die theologischen und strukturellen Veränderungen, die noch vor der NAK liegen, dringend benötigt. Der Bundespräsident schrieb in seinem Grußwort: „Wer offen bleibt für die Herausforderungen der Zeit, wer sich nicht verschließt in Ängstlichkeiten und festgefahrenen Meinungen, der kann wirklich die Zukunft gestalten.“ Dies ist der NAK nach dem insgesamt sehr gelungenen EJT von Herzen zu wünschen.


Andrew Schäfer, Düsseldorf