Gesellschaft / Religionen

Coronavirus und Religionsgemeinschaften - ein Streifzug

Das Coronavirus SARS-CoV-2 wirkt auch auf die verschiedenen Religionen und Weltanschauungen. Wie die New York Times berichtete,1 gingen in China bei buddhistischen, taoistischen, katholischen, protestantischen und muslimischen Gemeinschaften zahlreiche Spenden ein, die sich in Gänze auf mehrere Zehnmillionen Euro belaufen, um im Kampf gegen das Virus zu helfen und medizinische Ausrüstung zu kaufen. Aber auch Gebete und Reinheitsrituale, wie beispielsweise im taoistischen Tempel in Wuhan, um das Land von Krankheit und Unglück zu reinigen, sollen ihren Teil beitragen. Die religiöse Wohlfahrt stoße beim chinesischen Staat jedoch wegen der nichtstaatlichen und weniger kontrollierbaren Graswurzelstrukturen auf Skepsis. In Thailand spendete eine Gruppe chinesischer Touristen der Statue von Luang Por Buddha Sothon im Tempel Wat Sothon Wararam Worawihan 200 000 Eier, damit das Virus aus China verschwinde.2

Obgleich SARS-CoV-2 sich schon über die chinesischen Grenzen ausgebreitet hatte, fand Anfang Februar 2020 in Südkorea eine Massenhochzeit der Vereinigungskirche (aktueller Name „Familienföderation für Weltfrieden und Vereinigung“) im Gedenken an den 100. Geburtstag von Gründer Sun Myung Moon mit 6000 Hochzeitspaaren und mit insgesamt ca. 30 000 Menschen statt. Die angebotenen Atemmasken fanden allerdings nur mäßig Gebrauch. Eine der Bräute gab an, das Gefühl zu haben, an diesem Tag vor dem Virus geschützt zu sein.3

Bekannt dürfte inzwischen die Verbindung zwischen der religiösen Gruppe Shinchonji („Neuer Himmel, neue Erde“) mit ihren arkanen Strukturen und der Ausbreitung des Krankheitserregers durch Patientin Nr. 31 in Südkorea sein. Teilnahmezwang an Gottesdiensten trotz Krankheit und die Geheimhaltung der Gemeinschaftszugehörigkeit – selbst gegenüber Familienmitgliedern – trugen zur Ausbreitung der Krankheit bei, weil Verbreitungsketten aufgrund dessen schwer bis nicht rekonstruierbar sind. Wie am 2. März 2020 bekannt wurde, hat die Stadt Seoul Strafanzeigen u. a. wegen Mordes gegen den Gründer Lee Man-hee und zwölf weitere führende Persönlichkeiten der Religionsgemeinschaft gestellt. Ihnen wird vorgeworfen, gegen das Gesetz zur Prävention von Infektionskrankheiten verstoßen zu haben, weil sie wichtige Informationen vorenthalten hätten. Lee Man-hee entschuldigte sich inzwischen öffentlich. Die Namen von über 200 000 Mitgliedern wurden nun den Behörden übergeben. Aufgrund der hohen Ansteckungsgefahr wurden die Shinchonji-Kirchen geschlossen, auch in Frankfurt und Berlin sind die Zentren wegen Umbaumaßnahmen gesperrt.4 Zudem besteht in Südkorea, wie in anderen südostasiatischen Staaten, die behördliche Anweisung, alle religiösen Veranstaltungen mit zahlreichen Menschen abzusagen. Viele Kirchen und religiöse Gemeinschaften übertragen ihre Gottesdienste im Internet, um ein Gemeindeleben aufrechtzuerhalten.

Erste Einschnitte in rituelle Abläufe gab es im Februar und März auch schon in Europa, zum Beispiel in der katholischen Kirche in Österreich: So wurde in Salzburg das Weihwasser aus den Weihwasserbecken im Dom entfernt und die Mundkommunion ausgesetzt. Die Hostien werden nun nur noch in die Hände der Gläubigen gelegt. Auch auf das Händeschütteln beim Friedensgruß wird vorerst verzichtet. Die Maßnahmen wurden in Abstimmung mit den staatlichen Gesundheitsbehörden erlassen.5 Inzwischen kommt der religiöse Tourismus und der Tourismus an religiösen Stätten immer weiter zum Erliegen. Auch in Kirchen und religiösen Gemeinschaften in Deutschland werden Schritte zur Eindämmung des Virus ergriffen. So hat der Zentralrat der Muslime empfohlen, die Freitagsgebete vorerst auszusetzen, Gottesdienste wurden bis auf Weiteres abgesagt.

Die Anhänger der verschiedenen Glaubensgemeinschaften finden offensichtlich unterschiedliche Wege, mit der neuen Viruserkrankung und ihrer Ausbreitung umzugehen. Augenscheinlich wirken sich die seuchenschutzbedingten Maßnahmen auf das religiöse Leben in der Gemeinschaft weltweit aus und stellen ihre Resilienz gegenüber gesellschaftlichen Krisen auf die Probe. Internetangebote und die Möglichkeiten der Digitalisierung scheinen daher in Zeiten von Versammlungsverboten weiter an Bedeutung zu gewinnen.


Jeannine Kunert


Anmerkungen

  1. Vgl. New York Times vom 23.2.2020, https://nyti.ms/2HJVdPE  (Abruf der Internetseiten: 7.3.2020).
  2. Vgl. Coconuts Bangkok vom 18.2.2020, https://coconuts.co/bangkok/news/200000-eggs-offered-to-buddha-statue-to-make-coronavirus-go-away .
  3. Vgl. N-TV-Panorama vom 7.2.2020, www.n-tv.de/panorama/30-000-Menschen-feiern-Massenhochzeit-article21562156.html 
  4. Vgl. NZZ vom 21.2.2020, www.nzz.ch/international/coronavirus-in-suedkorea-ist-der-infektionsherd-eine-sekte-nzz-ld.1541921 ; vgl. auch https://foreignpolicy.com/2020/02/27/coronavirus-south-korea-cults-conservatives-china .
  5. Vgl. ORF-Religion, https://religion.orf.at/stories/2999205 .