Gesellschaft

Dänikens Disney-Land - der Mystery-Park im Berner Oberland

Dem Schweizer Tourismus geht es schlecht, sehr schlecht sogar. Der Irak-Krieg, SARS, ein ungünstiger Frankenkurs und horrende Preise sorgen dafür, dass vor allem die Gäste aus Übersee ausbleiben und der eidgenössische Fremdenverkehr derzeit eine seiner schwersten Krisen erlebt.

Im Berner Oberland hofft man deshalb jetzt - wenn auch natürlich nur im übertragenen Sinne - auf die Rettung durch außerirdische Besucher: In Interlaken hat Ende Mai Erich von Dänikens Mystery-Park seine Tore geöffnet und soll die Region um Eiger, Mönch und Jungfrau um eine Attraktion reicher machen. 86 Mio. Franken hat der Park verschlungen, und lange Zeit sah es so aus, als würde er wegen fehlender Investoren gar nie fertiggestellt werden können. Schließlich haben aber nicht zuletzt Erich von Dänikens mitreißende Energie und Überzeugungskraft offenbar genug Geldgeber von den angeblich guten Chancen des Projekts überzeugt und den Mystery-Park Wirklichkeit werden lassen.

Die Anlage besteht im wesentlichen aus einem ringförmigen Glaskorridor, an dem die einzelnen Themenpavillons liegen. Die Mitte des Parks bildet ein Komplex von Gaststätten und Läden, in denen natürlich nicht zuletzt die bisher 60 millionenfach verkauften Bücher von Dänikens angeboten werden. Die Pavillons sind indischen Sanskrit-Schriften, den ägyptischen und mittelamerikanischen Pyramiden, den Steinen von Stonehenge, der peruanischen Stadt Nazca, der Begegnung "primitiver" und fortgeschrittener Zivilisationen sowie dem SETI-Programm zur Kontaktaufnahme mit außerirdischen Lebensformen gewidmet. Gezeigt werden im wesentlichen Exponate, Filme und Multimediaproduktionen, die auf sehr suggestive Weise von Dänikens Thesen der sogenannten "Prä-Astronautik" thematisieren: frühe Hochkulturen wie jene der Ägypter und der Maya seien von Außerirdischen initiiert worden, die in den Mythen der Menschheit als "Götter" erscheinen.

Im Vorfeld der Parkeröffnung wurde von Däniken nicht müde zu betonen, dass er nichts behaupte, sondern lediglich Fragen stelle. Im Großen und Ganzen stimmt das, doch sind die Fragen eben so gestellt, dass sie immer zu einer Antwort durch jene Erklärungsansätze (ver-)führen, für die von Däniken schließlich bekannt geworden ist und von einer treuen Fangemeinde verehrt wird. Der von prä-astronautischen Spekulationen unberührte Besucher merkt hingegen schnell die Absicht und ist verstimmt, wenn nicht sogar gelangweilt. Hinzu kommt, dass von Däniken weniger spekulative, dafür um so wissenschaftlichere Erklärungsansätze (etwa der Archäologie) in den meisten Fällen einfach verschweigt und so tut, als verfüge er allein über die Lufthoheit der Deutungsgabe. Im übrigen belässt er es außerhalb des Mystery-Parks keineswegs bei Fragen, sondern gibt sich felsenfest davon überzeugt, "dass es vor Jahrtausenden außerirdische Besuche auf der Erde gab. Dafür gibt es zu viele Indizien. Ich brauche es nicht zu glauben, ich weiss es" (Neue Zürcher Zeitung, 15.5.2003).

Ebenso unbeirrt glaubt er an die Rentabilität und Zukunft seines Mystery-Parks. Dennoch hielten sich die doch recht irdisch denkenden und rechnenden Schweizer Großbanken von der Finanzierung des Projekts fern und verweigerten selbst dann noch einen Kredit, als die Anlage schon zu 88 % vorfinanziert war. Spendabler zeigte sich das Parlament des Kantons Bern, das in Vorfreude auf die erwarteten Besuchermassen generös 1,9 Mio. Franken für eine eigene Bahnstation bewilligte. Ob die Mystery-Begeisterten aber tatsächlich so zahlreich erscheinen werden, muss sich erst noch erweisen, denn mit einem Eintrittspreis von 48 Franken (32 Euro) für Erwachsene und 28 Franken (18,70 Euro) für Kinder ab sechs Jahren ist der Park nicht gerade ein billiges Vergnügen. Und ob die asiatischen Gäste bei ihrem bekanntermaßen dicht gedrängten Reiseprogramm zwischen Matterhorn und Jungfraujoch noch Zeit für den Mystery-Park aufbringen, sei auch dahingestellt. Der Besuch der Pavillons ist schon durch die nur alle 20 Minuten beginnenden Kurzfilme ein zeitaufwendiges Unterfangen, für das mindestens ein halber Tag eingeplant werden muss, wenn man alles gesehen haben will.

Bei all den vielen Fragen, die von Däniken den Besuchern seines Mystery-Parks stellt, hat er leider eine vergessen: Was oder wem würde es eigentlich nützen, wenn man wüsste bzw. beweisen könnte, dass die menschliche Zivilisation außerirdischen Ursprungs ist? Solange die intergalaktischen Entwicklungshelfer uns mit den drängenden Problemen der Gegenwart, die diesen Planeten und seine Bewohner belasten, alleine lassen, dürfte sich ein solcher Erkenntnisgewinn in engen Grenzen halten. Wahrscheinlich resultiert aber bei von Dänikens Anhängern aus der Annahme eines intergalaktischen Zivilisationsursprungs gerade das: die Hoffnung nämlich, die Freunde aus dem All mögen eines Tages zurückkehren und alles zum Guten wenden. Es wäre sicher einmal lohnend, eine Umfrage unter den Besuchern des Mystery-Parks durchzuführen, um zu erfahren, wie viele sich nach einer solchen Alien-Parusie sehnen.

Erich von Däniken muss allerdings gehörig aufpassen, dass er mit seinen Thesen nicht unfreiwillig in die Nähe der Rael-Bewegung gerät, die im Grunde Ähnliches verbreitet wie er. Dass er in letzter Zeit auffallend oft betont, er wolle "um Gottes willen keine Sekte" gründen, zeigt, dass er über die neue geistige Verwandtschaft in Gestalt der Raelianer kaum glücklich sein kann. Vielleicht sind sie letzten Endes für sein Lebenswerk eine größere Gefahr als ein Mystery-Park, der sich möglicherweise als kommerzieller und finanzieller Flop entpuppt.

Weitere Informationen unter www.mysterypark.ch und www.aas-fg.org (Homepage der "Forschungsgesellschaft für Archäologie, Astronautik und SETI") sowie www.sagenhaftezeiten.com (Zeitschrift der Forschungsgesellschaft).

Christian Ruch, Zürich