Das Apostelamt: hilfreich, heilsnotwendig oder herrisch?
(Letzter Bericht: 2/2007, 73ff) Wiederholt haben wir darüber berichtet, dass die Neuapostolische Kirche (NAK) in Bewegung gekommen ist. So erkennt sie z.B. neuerdings die Taufen der ökumenischen Kirche an. Dreh- und Angelpunkt aller Neupositionierungen ist jedoch die Frage nach dem Apostelamt, das in der NAK als heilsnotwendig erachtet wird. In der aktuellen Stellungnahme „Das Verständnis von Heil, Exklusivität, Heilsnotwendigkeit des Apostelamtes und Nachfolge in der Neuapostolischen Kirche“ vom 24.01.2006 heißt es dazu: „Mit der Heilsnotwendigkeit des Apostelamtes wird ausgedrückt, dass das Apostelamt zur Erlangung des Heils in Christus unerlässlich ist.“ Diese Position hat Stammapostel Wilhelm Leber in den letzten Wochen wiederholt bekräftigt. (Vgl. Unsere Familie vom 05.03.2007)
Die entscheidende Frage lautet, ob die NAK damit über einen Weg zum Heil verfügt, oder über den einzigen Weg. Mit anderen Worten: Ist das Apostelamt ein hilfreiches Amt oder ein heilsnotwendiges Amt? Entscheidet man sich für die erste Antwort, dann wäre die NAK eine christliche Kirche unter vielen; betont man die Heilsnotwendigkeit, dann ist die NAK eine exklusive Kirche. Ein solches exklusives Verständnis war viele Jahrzehnte für die NAK konstitutiv und ist für diese Kirche und ihre Mitglieder nicht ohne Faszination: Denn damit könnte man sich als neuapostolischer Christ „auf der sicheren Seite“ wähnen und aus der Hoffnung leben, der „richtigen“ christlichen Kirche anzugehören.
Die Frage nach dem Apostelamt ist die zentrale Frage für die NAK, fast möchte man orakeln, sie könnte zur Überlebensfrage werden. Mitte April wurden drei neuapostolische Diakone in Hamburg-Blankenese ihrer Ämter enthoben, weil sie die Exklusivität der NAK in Zweifel zogen. Die Blankeneser Gemeinde hatte schon seit einiger Zeit Missfallen erregt. Um die Jahreswende bat der zuständige Bezirksapostel die drei Diakone, zu vier zentralen theologischen Fragen (Apostelamt, Spendung des Heiligen Geistes, Sündenvergebung, Wiederkunft Christi) Stellung zu beziehen. Bei allen Unterschieden in den Voten lässt sich festhalten, dass sie damals ein „Ja zur NAK und ein Nein zur Exklusivität“ formuliert haben. So heißt es in einem Text: „Ich stehe zu der Aussage, dass das Apostelamt die Sünden vergeben kann. Ich stehe nicht zu der Aussage, dass dann, wenn das Apostelamt diesbezüglich nicht tätig wird, keine Sündenvergebung da ist. (...) Zusammengefasst glaube ich, dass der Weg der neuapostolischen Kirche eine sichere Möglichkeit darstellt, für sich selbst und in der Gemeinschaft Jesus zu erleben und zu ihm zu kommen. Ich glaube auch, dass es daneben andere Möglichkeiten geben kann.“ Sinngemäß hält der Diakon und NAK-Religionslehrer schließlich daran fest, dass der Heilige Geist nicht ausschließlich durch das Apostelamt wirkt. Wie erwähnt, ließ die Maßregelung bzw. Amtsenthebung nicht lange auf sich warten. Der Schritt rief größte Bestürzung in der Blankeneser NAK hervor. Inzwischen sucht man gar „Asyl“ in einem anderen Gemeindebezirk – d.h. im Verwaltungsbereich eines anderen Bezirksapostels. Man erhofft sich hier mehr Verständnis für differenzierte theologische Positionen.
Die Ereignisse in Blankenese zeigen, wie selbstbewusst viele Christen in der NAK geworden sind. Die Zeit der autoritären Herrscher ist vorbei. Deren Machtverfall werden auf Dauer auch Amtsenthebungen nicht aufhalten können – zumal solche Schritte immer ein Zeichen von Schwäche sind. Warum sucht man nicht das Gespräch mit Menschen, denen der christliche Glaube sehr am Herzen liegt? Warum spricht man nicht mit den „Abtrünnigen“, die, das zeigen die Dokumente, ja gar nicht „abtrünnig“ sein wollen? Im Grunde könnte die Leitung der NAK auf solche engagierten Amtsträger stolz sein. Dank des Internets hat die Vernetzung kritischer NAK’ler eine Dynamik erreicht, die man mit Ausbürgerungen wie zu DDR-Zeiten nicht mehr aufhalten kann. (Aktuelle Informationen fortlaufend unter www.glaubenskultur.de)
Hinweis: In der nächsten Ausgabe des MD erscheint ein Beitrag, der die historischen und theologischen Hintergründe des Apostelamts in der Neuapostolischen Kirche darstellt und kritisch beleuchtet.
Andreas Fincke