Michael Junge

Das Johannes-Evangelium. Luthers Auslegung. Lorbers Erklärung

Michael Junge, Das Johannes-Evangelium. Luthers Auslegung. Lorbers Erklärung, Books on Demand, Norderstedt 2014, 156 Seiten, 9,80 Euro.

Die Lorber-Bewegung versteht sich als internationaler und überkonfessioneller Teil der „Weltgemeinde der Liebesreligionen“. Eine geistige Verbundenheit sieht man mit den Quäkern, der Heilsarmee, der Neugeistbewegung, den Bahai und den Bhakti-Bewegungen des Hinduismus. Lorberianer verstehen sich als Christen, deren Fundament die Bibel ist, wobei diese aber nicht als das einzige und ausschließliche Offenbarungswerk verstanden wird. Der Grazer „Schreibknecht Gottes“ Jakob Lorber (1800 – 1864) wird heute als eine Schlüsselfigur unter den Neuoffenbarern des 19. und 20. Jahrhunderts angesehen, der mit seinem umfangreichen Schrifttum viele inspiriert habe. Durch die „innere Stimme“ empfing Lorber 1850 die Erklärung des Johannes-Evangeliums, die er in dem Werk „Das Große Evangelium Johannis“ veröffentlichte. Fast vier Jahrhunderte zuvor hatte Martin Luther als Professor der Theologie bereits das Johannes-Evangelium ausgelegt, das er als das höchste aller Evangelien bezeichnete. Anhänger der Lorber-Bewegung beteuern auf kritische Rückfragen hin, dass der Geist der Neuoffenbarung identisch sei mit dem Geist der Bibel.

Der Autor der vorliegenden Forschungsarbeit, der seine gründliche Kenntnis dieser Bewegung schon in einer früheren Publikation unter Beweis gestellt hat, hat nun in einer kommentierten Darstellung Luthers Auslegung des Johannes-Evangeliums mit den Erklärungen Lorbers verglichen und ausgewertet.

Im Hauptteil werden die ersten vier Kapitel des Evangeliums – weiter ist Lorber mit seinen umfangreichen Erklärungen nicht gekommen – Vers für Vers abgedruckt und die jeweiligen Kommentare Luthers und Lorbers hinzugefügt. Danach folgt die vergleichende Einschätzung des Autors zu den Kommentaren. Nach den vier Kapiteln werden in ähnlicher Weise weitere Textquellen – ein Brief Luthers an Melanchthon, ein Auszug aus Luthers Katechismus sowie ein Brief Lorbers an einen Freund analysiert.

Das Fazit des Autors fällt deutlich aus: Lorbers „lebendige Stimme“ könne keine Frucht des Heiligen Geistes sein, weil die Gegenüberstellungen der lutherischen Auslegung und der Erklärungen Lorbers inkompatible Widersprüche ergeben hätten. Mit exakten Belegen weist der Autor nach, weshalb er Lorbers Erklärungen als fragwürdig einstuft. Das Buch ist ein gutes Hilfsmittel zur Unterscheidung der Geister, das hoffentlich auch von Freunden der Neuoffenbarung aufmerksam gelesen wird.


Michael Utsch