Tom Kahn

Das Tibetprojekt

Tom Kahn, Das Tibetprojekt, dtv Verlag, München 2009, 413 Seiten, 9,95 Euro.


Bücher zum Thema Tibet gibt es viele. Da ist es gut, dass man die schlechten und die guten eigentlich ganz leicht auseinanderhalten kann, denn Erstere zeichnen sich meist dadurch aus, dass in ihnen unweigerlich der Begriff „Gottkönig“ fällt, wenn es um den Dalai Lama geht. Der war und ist aber weder ein Gott noch ein König. Insofern ist auch der Tibet-Thriller des Frankfurter Schriftstellers Tom Kahn ein schlechtes Buch. Mehr noch: Es ist schlichtweg das Papier nicht wert, auf dem es gedruckt ist, und der Verlag muss sich schon fragen lassen, was ihn geritten hat, ein solches Machwerk herauszubringen.

„Das Tibetprojekt“ ist ein Thriller, der sich auf die Formel „Brown trifft Trimondi“ bringen ließe. Wie in den Büchern von Dan Brown hechelt ein Wissenschaftler, assistiert von einer klugen und schönen Frau und auf Bitten einer großen Macht (in diesem Fall das Regime der VR China), durch das Geschehen, um einen mysteriösen Mord in Tibet aufzuklären. Insoweit imitiert das Buch die Fabulierkunst von Dan Brown. Leider gerät es dabei in den Bereich der absurden Fantasien des Ehepaars Herbert und Mariana Röttgen alias Victor und Victoria Trimondi, die einen Privatkreuzzug gegen den Dalai Lama führen und z. B. behaupten, der tibetische Buddhismus strebe nach der Weltherrschaft und habe mit dem Nationalsozialismus paktiert. Dieser geballte Unsinn findet sich auch im „Tibetprojekt“.

Dummerweise hat sich Tom Kahn nicht die Mühe gemacht, seriöse Literatur zu Rate zu ziehen, und er behauptet deshalb wie die Trimondis, dass Hitler sich für Okkultismus begeistert habe und deshalb von Tibet fasziniert gewesen sei. Das ist falsch: Hitler hat sich nie besonders für das Schneeland hinter dem Himalaya interessiert, die Tibet-Expedition zu den vermeintlichen Ursprüngen der Arier – die es tatsächlich gab – beruhte sozusagen auf einem Privatspleen des Reichsführers SS Heinrich Himmler. Auch tut Tom Kahn so, als sei die schamanistische Bön-Religion so etwas wie der geheime, verborgene Kern des tibetischen Buddhismus. Dass die Bön-Religion in der tibetischen Exilgesellschaft neben dem Buddhismus gleichberechtigt ist, von etwas Geheimem und Verborgenem also keine Rede sein kann, ist dem Autor offenbar entgangen.

Und so geht es in einem fort, eine absurde Behauptung reiht sich an die nächste. Dass der Thriller dann auch noch die SS, die natürlich den Zweiten Weltkrieg überdauert hat und weiterhin existiert, ins Spiel bringt, kann den durch so viel fiebrige Konfabulierwut erschöpften Leser kaum noch erstaunen. Es fehlen in dem Roman eigentlich nur Illuminaten, Freimaurer und Außerirdische, dann wäre das Pandämonium der Verschwörungstheorien komplett. Richtig ärgerlich ist jedoch, dass Tom Kahn die Tibeter in fast rassistischer Weise als dumpfe, dämonengläubige Primitivlinge darstellt, die Chinesen dagegen als heroische Lichtgestalten. Für den kulturellen Genozid, den China in Tibet verübt, ist der Autor vor lauter Begeisterung für das Regime in Peking anscheinend blind. Man könnte bei der Lektüre fast den Eindruck gewinnen, das Werk sei von der Propagandaabteilung der VR China in Auftrag gegeben worden. So ist es wahrscheinlich gut, dass es sich bei Tom Kahn um ein Pseudonym handelt, hinter dem sich der Autor verstecken kann. Denn wer eine solche Schundliteratur in die Welt setzt, hat keinerlei Grund, auf seine „Leistung“ stolz zu sein.


Christian Ruch, Chur/Schweiz