Der Amateur-Monumentalfilm „Helden sterben anders“ von Ivo Sasek
(Letzter Bericht: 4/2003, 132ff) Ivo Sasek, der Gründer der radikalchristlichen Glaubensgemeinschaft „Organische Christus-Generation“ (OCG), eines seit 1984 ständig wachsenden Netzwerks unabhängiger freikirchlicher Kleingemeinden mit dem Zentrum Walzenhausen/AR in der Schweiz, hat als Amateurfilmer einen vom Verleih als „actionreich“ und als „größter Schweizer Monumentalfilm“ angepriesenen, zweieinhalb Stunden langen Spielfilm zu Wege gebracht – als Drehbuchschreiber, Regisseur, Produzent und Verleiher. Titel: „Helden sterben anders“ (2006).
Vordergründig erzählt der Film eine der bekanntesten Schweizer Legenden, die von Arnold Winkelried, der sich laut Sage 1386 in der Schlacht von Sempach gegen das Heer des habsburgischen Herzogs Leopold I. durch besonderen Mut ausgezeichnet und sich letztlich geopfert hat. Gezeigt wird, wie Winkelried als Kind die Ermordung seines Großvaters erlebt, wie er sich später einem Bündnis von Freiheitskämpfern anschließt, versehentlich einen ihm zugeneigten Abt tötet und schließlich in der Schlacht von Sempach fällt.
Es ist erstaunlich, wen Ivo Sasek für dieses Filmprojekt alles mobilisiert hat: unzählige Komparsen und Laienschauspieler einschließlich wohl seiner gesamten eigenen Familie – bis hin zu freiwilligen Darstellern aus Süddeutschland und Hohenlohe, die sich dann später als Werbeträger darum bemüht haben, dass der Film in ihren heimischen Kinos gezeigt wird. Bei einer Vorführung haben solche Laiendarsteller das Publikum begrüßt und betont, dass mit dem Film für keine religiöse Gruppierung geworben werden soll. Vielmehr gehe es um die Aufarbeitung historischer Zusammenhänge.
Dass der Film ein Werk von Laien ist, merkt man schnell. Die Leistungen der Schauspieler sind schwach. Am Anfang und am Ende wird ein Biograph Arnold Winkelrieds gezeigt, der nur seltsam seine Augen verdreht, als ihn sein Herr auffordert, sich kürzer zu fassen. Die Texte sind durchweg schlecht gesprochen, ohne Melodie oder Zwischentöne. Es ist überhaupt ein Film ohne Zwischentöne, sondern nur mit plakativer Schwarz-Weiß-Malerei.
Zwar wird nicht für die Glaubensgemeinschaft „Organische Christus-Generation“ geworben, aber das Denken ihres Gründers Ivo Sasek prägt den gesamten Film. Der Grundgedanke ist das völlige sich Ergeben in Gott, das sich Aufopfern: „Vergossenes Blut kann nur sühnen, wer eigenes Blut vergießt.“ Dieses „Ganzopfer“ bringt Arnold Winkelried dar, der am Schluss des Films, von zahllosen Speeren durchbohrt, auf dem Schlachtfeld stirbt. Dem „reinen“ Leben steht aber gegenüber, dass der ganze Film sich auslebt, ja austobt in der Darstellung roher Gewalt.
Die Religionsgemeinschaft widerspricht dem protestantischen Gedanken, dass der Mensch „Sünder und gerecht zugleich“ ist (simul iustus et peccator). Was dabei herauskommt, ist ein Verzicht auf Zwischentöne und ein massives Hochschrauben der Extreme. Besonders düster ist die Darstellung der Zustände in einem Kloster: Mönche und Nonnen treiben im Film miteinander Unzucht. Die ungewollt geborenen Kinder werden zu Hunderten getötet. Ihre im Klostergarten verscharrten Schädel werden später von anderen Kindern gefunden. Man hat im Film nicht den Eindruck, lebendige und authentische Menschen zu erleben, sondern Ausgeburten einer zwanghaft-ideologischen Phantasie. Untermalt wird das Ganze von einer martialisch hämmernden und seelenlosen Filmmusik.
Kurz und durchaus subjektiv: Der Kinobesuch bedeutete für mich zweieinhalb langatmige, meistens auch langweilige und quälende Stunden. Dem Drehbuchautor, Regisseur und Produzenten wünsche ich ein wenig von der Erkenntnis eines größeren Schweizers, Conrad Ferdinand Meyers: „Ich bin kein ausgeklügelt Buch. Ich bin ein Mensch mit seinem Widerspruch.“ Menschen, die ihre eigene Widersprüchlichkeit sehen, akzeptieren und vielleicht sogar humorvoll ertragen, helfen unserer Welt mehr als solche unnötigen Filme.
Ulrich Wildermuth, Crailsheim