Der Dokumentarfilm „Guru - Bhagwan, His Secretary & His Bodyguard"
(Letzter Bericht: 7/2000, 238ff) Im September 2010 ist in Deutschland der Dokumentarfilm „Guru" angelaufen. Der Film vollzieht die Entwicklung der Bewegung um Bhagwan Shree Rajneesh (Osho) von den Anfängen in Bombay über Poona bis nach Oregon nach. Zu Wort kommen zwei Anhänger aus dem nächsten Umfeld Rajneeshs: die Inderin Ma Anand Sheela, die als seine Sekretärin die neue Kommune „Rajneeshpuram“ in Oregon führte, sowie sein Leibwächter, der Schotte Hugh Milne. Untermalt und ergänzt wird die Darstellung durch historische Filmaufnahmen aus Poona und Oregon. Für beide Erzähler endete ihre Episode mit der Rajneesh-Bewegung in einer persönlichen Katastrophe. Als bei Milne die Zweifel an der Entwicklung der Gemeinschaft in Oregon wuchsen und er Kritik äußerte, wurde er von Sheela öffentlich verleumdet und aus der Bewegung ausgeschlossen. Er geriet in eine tiefe Krise mit Selbstmordversuchen und einem freiwilligem Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik. Sheela wurde 1985 verhaftet und saß dreieinhalb Jahre in den USA im Gefängnis. Vorgeworfen wurden ihr unter anderem Vergiftung und Mordversuch, Wahlmanipulation und das Abhören von Mitgliedern der Bewegung.
Der Film der beiden Schweizer Regisseure Sabine Gisiger und Beat Häner fragt, wie Menschen, die Freiheit suchen, in Abhängigkeiten enden können und wie eine Gemeinschaft, die Individualismus verwirklichen möchte, sich zu einem stark reglementierten und hierarchischen Unterdrückungssystem entwickeln kann. Die Filmemacher geben den Erfahrungen und Geschichten der beiden Erzähler Raum und halten sich mit eigenen Wertungen zurück. Im distanziert beobachtenden Blick auf die Bewegung der Sannyasins um Rajneesh wirken die Anhänger und ihr Tun fremd, ohne dass sie verurteilt werden. Rajneesh wird nur aus ihrer Perspektive gezeigt. Er ist der Guru, dem ekstatische Verehrung entgegengebracht wird. Für einen Außenstehenden bleibt es schwer nachvollziehbar, was diesen Mann anziehend gemacht hat. Umso deutlicher kommt die Rolle der Gruppendynamik und der Sexualität zum Ausdruck. Sichtbar wird in den Filmsequenzen auch das Wechselspiel zwischen einem Meister, der sich geschickt selbst inszeniert und als Projektionsfläche anbietet, und einer Gruppe von Anhängern, die durch ihre Erwartungen und Bedürfnisse den Meister zu dem machten, was er war. Undeutlich bleibt die Rolle Rajneeshs in Oregon. Überließ er zynisch die Bewegung sich selbst und seiner Sekretärin, gab sich Luxus und Drogen hin und „beobachtete das dumme Spiel nur“, wie er selbst behauptete? Inwieweit gingen Sheelas Anweisungen auf ihn zurück?
Die Berichte Sheelas und Hugh Milnes sind ein glaubwürdiges und exemplarisches Zeugnis von Menschen, die all ihre Erwartungen und Hoffnungen auf Rajneesh und seine Vision eines „neuen Menschen“ und einer neuen Gemeinschaft setzten. In Sheela wird eine absolute Liebe und Hingabe an den Meister deutlich, aus der heraus sie alles für ihn getan hat. Bis heute zeigt sie nur eine beschränkte Schuldeinsicht. Verantwortung für Fehlentwicklungen in Oregon treffen nicht sie oder Rajneesh, sondern die „Institution“. Erschütternd für Anhänger Rajneeshs dürften Aufnahmen sein, in denen er offensichtlich lügt und Sheela krimineller Machenschaften beschuldigt, um alle Verantwortung von sich zu weisen. Der Film ist über den konkreten Kontext der Rajneesh-Bewegung hinaus ein beeindruckendes Dokument der Jugendbewegung in den 1970er und 1980er Jahren.
Claudia Knepper