Martin Repp

Der eine Gott und die anderen Götter. Eine historische und systematische Einführung in die Religionstheologien der Ökumene

Martin Repp: Der eine Gott und die anderen Götter. Eine historische und systematische Einführung in Religionstheologien der Ökumene, Evangelische Verlagsanstalt, Leipzig 2018, 468 Seiten, 68 Euro.

Der evangelische Theologe und Religionswissenschaftler Martin Repp (geb. 1953) verarbeitet in dem vorliegenden Buch – einem Opus magnum, das die religionstheologische Thematik von der Zeit der Entstehung des Alten Testaments bis in die Gegenwart in den Blick nimmt – Erfahrungen und Einsichten aus mehreren Jahrzehnten seiner Beschäftigung mit der Materie der Religionstheologie; zunächst von 1988 bis 2009 in Japan, u. a. als Professor für Vergleichende Religionswissenschaft an der buddhistischen Ryukoku-Universität Kyoto, von 2009 bis 2015 als Privatdozent an der Universität Heidelberg und von 2009 bis 2019 als Referent für den Dialog mit den asiatischen Religionen im Zentrum Oekumene der EKHN und EKKW in Frankfurt.

Leitmotive seines in 13 Kapitel untergliederten Werks sind eine Dekonstruktion sowie eine sich auf sie beziehende Rekonstruktion: die Dekonstruktion der seit dem ausgehenden 20. Jahrhundert gängigen religionstheologischen Leitdifferenzierungen und Grundmodelle Exklusivismus, Inklusivismus und Pluralismus und die Rekonstruktion einer theologisch begründeten Sicht und Beurteilung anderer Religionen anhand der Dialektik von Kosmologie (Theologie der Schöpfung) und Soteriologie.

In Kapitel 1 widmet er sich, unter Bezugnahme auf verschiedene Theologen des 20. Jahrhunderts, der klassischen Frage nach einer „natürlichen Theologie“ sowie der „Etablierung einer ‚Theologie der Religionen‘ seit den 1960er Jahren“ (36ff), mitbedingt durch die rasante „religiöse Pluralisierung des Abendlandes“ (40) im 20. Jahrhundert. Dieser Pluralität suchten sich Theologie und Religionswissenschaft in zwei „Gruppen von Entwürfen“ (41) anzunähern – den drei o. g. Leitdifferenzierungen mithilfe von „religionssoziologischen bzw. -psychologischen Kategorien“ (ebd.) sowie den „theologischen“, ggf. christologischen, pneumatologischen oder trinitarischen Ansätzen, die jedoch in der Regel im Sinne eines der drei Grundmodelle dekliniert wurden.

Repp dekonstruiert diese Grundmodelle: „Jedes von ihnen [sagt] etwas Richtiges, [unterschlägt] jedoch zugleich wichtige Elemente …, die sich in den beiden anderen … befinden“ (42). Ihre „gemeinsame Grundproblematik“ verortet er „darin, dass sie Spannungen oder Polaritäten, die in der Sache selbst angelegt sind, in einseitige Positionen auflösen“ (ebd.); dies konkretisiert er „darin, dass sie … Soteriologie und Schöpfungstheologie voneinander trennen, die theologisch eigentlich aufs engste zusammengehören“ (43).

Damit sind wesentliche erkenntnisleitende Motive benannt, die Repp sodann in den weiteren Kapiteln seines Werks entfaltet. Theologie muss bestrebt sein, die Einsichten aus der (tendenziell universalistischen) Schöpfungslehre bzw. Kosmologie mit der (tendenziell spezifischen und exklusivistischen) Soteriologie zusammenzuhalten – die immanente Spannung aushalten und sie nicht, wie die drei genannten Idealtypen auf ihre je spezifische Weise, in die eine oder andere Richtung auflösen.

Auch die biblischen Traditionen (Kap. 2, 47ff) sind religionstheologisch vielfältiger, als es exklusivistische Konzeptionen zuweilen wahrhaben wollen. In ihnen findet sich der abgrenzend-exklusive Monotheismus eines Deuterojesaja ebenso wie die „kosmologische Erweiterung der Soteriologie“ in der „Missions- und Religionstheologie des Paulus“ (57ff).

In den weiteren Kapiteln, die hier nicht mehr im Einzelnen vorgestellt werden können, dekliniert Repp den Umgang mit jener Dialektik von Kosmologie und Soteriologie in einem weiten theologiegeschichtlichen Bogen durch.

Dieser reicht von den „Religionstheologien in der Alten Kirche“ (67ff), expliziert an den Beispielen von Justin dem Märtyrer, Clemens von Alexandrien und Augustinus (Kap. 3), über Thomas von Aquin (Kap. 4, 103ff), Ramon Lull (Kap. 5, 127ff) – lesenswert vor allem im Blick auf den heutigen Dialog mit dem Islam –, Nikolaus von Kues und dessen Konzeption der „una religio in rituum varietate“ (Kap. 6, 155ff) hin zu den, sich unterscheidenden, Religionstheologien Martin Luthers und der lutherischen Orthodoxie (Kap. 7, 189ff).

Dies setzt sich fort in den ganz gegensätzlichen frühneuzeitlichen Konzeptionen in der Jesuitenmission – von Francisco de Xavier und Matteo Ricci (Kap. 8 und 9, 225ff, 253ff) –, wodurch Repps Werk nicht nur ökumenisch bedeutsam wird, sondern auch – dies gilt ebenso im Blick auf seine Darstellung der Missions- und Religionstheologie von Bartholomäus Ziegenbalg (Kap. 19, 287ff) – hinsichtlich der bis, ja gerade heute relevanten Zusammenhänge von interkultureller und interreligiöser Kommunikation. Seine historisch-genetische Darstellung schließt im 20. Jahrhundert mit Repps theologischem Lehrer Carl Heinz Ratschow (Kap. 11, 327ff) sowie dem japanischen Theologen und Religionsphilosophen Muto Kazuo (Kap. 12, 357ff), bevor er in einem abschließenden Kapitel (13, 379ff) den „Entwurf einer zeitgenössischen Religionstheologie“ skizziert.

Die nach Repp im Blick auf ihren Gegenstand (die Wahrnehmung fremder Religionen) adäquate Theologie der Religionen besteht dabei in der inhaltlichen Bestimmung sowie der ebenso komplexen wie spannungsreichen Verhältnisbestimmung von Soteriologie und Kosmologie – religionsübergreifend als thematische Säulen wie als inhaltliche Herausforderung. Sein spezifisch christlicher Ansatz ist trinitätstheologisch, der jedoch „nicht bei Röm 1 und 2 stehen bleiben“ (386) darf, sondern – wie etwa bei Ratschow – „anhand von Röm 1-8 [in] eine[r] trinitarische[n] Religionstheologie“ (ebd.) expliziert wird oder wie bei Muto in einem pneumatologisch bestimmten Spannungsverhältnis von „theologische[r] Kosmologie und christologisch bestimmt[er] Soteriologie“ (ebd.).

In Repps Werk verbinden sich die Weite der persönlichen Erfahrung, die in der langjährigen, intensiven Begegnung und im Dialog mit dem Buddhismus geschulte Tiefe des theologischen Denkens wie der Argumentation mit dem umfassenden Horizont seiner Darstellung. Gelegentlich zu hörender Kritik an diesem Werk, Differenzierungen gegenwärtiger religionstheologischer Entwürfe zu übersehen, ist zu erwidern, dass es sich in seiner eingangs beschriebenen Rekonstruktion grundsätzlichen Fragestellungen widmet, diese jedoch – im Übrigen sehr detailreich – an verschiedenen theologie- und religionsgeschichtlich relevanten Vertretern verifiziert.

Dem Werk ist eine eingehende Rezeption zu wünschen, die manchem religionstheologischen Diskurs der Gegenwart aus einer den Gegenstand simplifizierenden und verengten Sicht helfen möge.


Jörg Bickelhaupt, Frankfurt a. M.