Haringke Fugmann

Der Film „Batman v Superman: Dawn of Justice“

Eine weltanschauliche Analyse

Bei „Batman v Superman: Dawn of Justice“ (Regie: Zack Snyder, 2016) handelt es sich um einen US-amerikanischen Actionfilm aus dem DC-Comics-Universum. Der Film versteht sich als Fortsetzung von „Man of Steel“ (2013) und führt dessen Handlungsstränge fort. Die Besetzung ist prominent: Ben Affleck spielt Bruce Wayne alias Batman, Henry Cavill ist (wieder) als Clark Kent alias Superman zu sehen. Die Reporterin Lois Lane – Supermans große Liebe – wird von Amy Adams dargestellt. In der Rolle von Supermans Erzfeind Lex Luthor erscheint Jesse Eisenberg. Auch einige Nebenrollen sind mit bekannten Schauspielern besetzt, zu sehen sind u. a. Laurence Fishburne, Jeremy Irons und Kevin Costner.

Die Handlung des Films ist schnell erzählt: Lex Luthor will Superman vernichten, weil er sich vor einer Diktatur des „falschen Gottes“ fürchtet (Lex‘ Vater war, so erfahren wir, in der DDR aufgewachsen und hatte die Gräuel einer Diktatur am eigenen Leibe erfahren). Dazu bringt er eine größere Menge Kryptonit (jenes Mineral von Supermans Heimatplaneten Krypton, das als einzige Substanz auf der Erde in der Lage ist, Superman zu schwächen bzw. zu töten) illegal in seinen Besitz, wofür er auch über Leichen geht.

Auch Bruce Wayne alias Batman meint in Superman eine wachsende Bedrohung für die Menschheit zu erkennen, insofern jedes Mal, wenn Superman zu Hilfe eilt, viele unschuldige Menschen sterben. Um Superman aufzuhalten, entwendet Batman das Kryptonit aus Luthors Forschungslabor, wofür dieser sich wiederum an ihm rächen will.

Superman, der seinerseits mit Argwohn beobachtet, wie Bruce Wayne bzw. Batman im Kampf gegen das Verbrechen immer wieder das Recht bricht und Selbstjustiz übt, will Batman endgültig das Handwerk legen.

Luthor entführt nun Supermans irdische Adoptivmutter Martha und erpresst ihn: Er soll Batman töten. Es kommt zum Showdown zwischen Superman und Batman, wobei es Batman mithilfe des Kryptonits (in Form eines Speeres) gelingt, Superman zu besiegen. Kurz bevor Batman Superman töten will, bittet Superman ihn jedoch, wenigstens seiner Mutter zu helfen: „Rette Martha!“ Batman, der als Kind dabei zusehen musste, wie seine Eltern bei einem Raubüberfall ums Leben kamen, ist von Supermans Bitte irritiert, da auch seine Mutter mit Vornamen Martha hieß. Er erkennt, aus welchem Motiv Superman handelt, und lässt ab von ihm.

In der Zwischenzeit hat sich Luthor Zugang zu einem Raumschiff aus Krypton (abgestürzt in „Man of Steel“) verschafft und mithilfe der überlegenen Alien-Technologie ein schier unbesiegbares Super-Monster erschaffen, das Superman töten soll. Dessen Bosheit wird durch seine Hässlichkeit plastisch veranschaulicht.

Batman und Superman verbünden sich nun, um Martha zu befreien und das Super-Monster zu besiegen. Unerwartete Hilfe bekommen sie von einem sogenannten Meta-Wesen (einem Wesen mit übernatürlichen Kräften) namens Wonder Woman, die zuvor mehrmals im Film als mysteriöse Zuschauerin der Ereignisse gezeigt worden war (und die in einer Fortsetzung der Comic-Saga sicherlich eine prominente Rolle spielen wird). Am Ende gelingt es den dreien, das Monster zu töten, wofür Superman allerdings sein eigenes Leben opfert. Die letzte Szene im Film deutet jedoch an, dass mit seiner Auferstehung zu rechnen ist.

Lebensentwürfe

Comics sind zeitgenössische Mythen: Geschichten außerhalb der bekannten Realität, die in anschaulicher Weise deutlich machen, welche unsichtbaren Kräfte unser Leben beeinflussen. Zeitgenössische Superhelden können dabei als personifizierte Verdichtungen menschlicher Lebensgestaltungen interpretiert werden.

Im Folgenden soll es nicht um den Film an sich gehen, nicht um seinen Unterhaltungswert und nicht um die Qualität des Drehbuchs, der Regie, der Kampfinszenierungen oder der schauspielerischen Leistungen. Die Frage, der hier nachzugehen ist, lautet vielmehr: Wie stellt sich die aktuelle weltanschaulich-religiöse Situation aus der Perspektive dieses Comic-Films dar? Welche verborgenen Kräfte macht der Film sichtbar?

Insgesamt werden in „Batman v Superman: Dawn of Justice“ vier verschiedene Lebensgestaltungen dargestellt, wobei der Film suggeriert, dass sie sich im Streit befinden und es zu einem apokalyptischen Konflikt zwischen ihnen kommen wird. Spannenderweise werden dabei zugleich verschiedene ethische Ansätze in die Kampfarena geworfen:

1. Lex Luthor steht für einen militanten, radikalen Atheismus: Er bezeichnet Superman des öfteren als „Gott“ und gibt zu verstehen, dass er ihn töten will. Seine ethische Maxime ist eine teleologische: Er will verhindern, dass Superman eines Tages die Allmacht über die Erde an sich reißen könnte, und nimmt dafür in Kauf, Menschen zu töten.

2. Superman ist ein Symbol für den ewigen Menschheitstraum eines mit übernatürlichen Fähigkeiten ausgestatteten Menschen, der stärker ist als ein gewöhnlicher Mensch, der mehr weiß als ein gewöhnlicher Mensch (im Comic-Universum dargestellt durch Supermans Fähigkeit, durch Wände zu sehen und Funkwellen zu hören) und der unverwundbar ist. Es ist diejenige Wunschvorstellung, die das Fundament zahlreicher (nach-)moderner populär-spiritueller und esoterischer Glaubensvorstellungen bildet: „Meditiere auf diese Weise und besuche diesen Kurs, so wirst du Zugang zu höherem Wissen erlangen, alle Krankheiten besiegen ...“ Dabei ist die Tradition des „Supermenschen“ schon sehr alt: Der entsprechende griechische Begriff „Hyperanthropos“ taucht bereits im 1. Jahrhundert v. Chr. beim Rhetor und Geschichtsschreiber Dionysios von Halikarnassos auf. Die bekannteste Variation zum Thema dürfte Friedrich Nietzsches „Übermensch“ sein. Im Film handelt Superman nun als Messias nach christlichem Vorbild: Er opfert sein Leben für die Menschheit, und wir erwarten seine Auferstehung im Kino. Dabei wird Superman im gesamten Film von einer gesinnungsethischen Maxime geleitet: Er will stets das Richtige tun, so wie er es von seinem irdischen Adoptivvater gelernt hat. Indem er das Richtige tut, verhindert er aber nicht das Böse, das sich um ihn regt.

3. Batman verkörpert den nihilistischen Pragmatismus der westlichen Gesellschaften: Er vertraut nur seiner eigenen Körperkraft, seinen Maschinen, modernster Technik und seinem engsten sozialen Umfeld (d. h. seinem Butler Alfred, der nach dem Tod seiner Eltern die einzige Familie ist, die er noch hat). Batman hat dabei Zugang zu unbegrenzten Ressourcen (im Blick auf Geld, Ausrüstung, Kultur, Libido) und repräsentiert auch darin ein Kernelement westlicher Lebensweise. Mit dem gewaltsamen Tod der Eltern hat Batman früh gelernt, dass das Leben grausam ist und dass der Mensch für sich selbst sorgen muss. An Höheres – Gott, Ideale, Versprechen – glaubt er nicht mehr. In ethischer Hinsicht ist Batman durch und durch Utilitarist: Er will von möglichst vielen Menschen möglichst viel Schaden abwenden. Dass Einzelne dabei verletzt werden oder zu Tode kommen, nimmt er hin. Gänzlich desillusioniert hat er sich damit abgefunden, dadurch selbst ein Verbrecher geworden zu sein.

4. Schließlich deutet der Film noch eine vierte Lebensgestaltung an, obgleich diese nicht personalisiert dargestellt wird: Erstaunlich oft wird im Film auf „Gott“ Bezug genommen. Mehrmals im Film sieht man zudem Menschen, die sich angesichts der schrecklichen Ereignisse bekreuzigen, ohne jedoch dadurch Hilfe zu erfahren. Auf „Gott“ wird auch als eine letzte moralische Instanz rekurriert, wenn es heißt, dass sich Superman wohl nicht einmal „Gott“ unterordnen würde. Dabei bleiben dieser „Gott“ und das Christentum als religiöse Lebensgestaltung aber letztlich nur eine vage, weit entfernte Sprach- und Denkmöglichkeit vergangener Zeiten. Diese hat zwar als kulturelle Tradition noch eine gewisse normative Funktion, insofern das Christentum sozusagen einen kulturell gültigen „Goldstandard“ definiert hat, wie sich ein Gott und ein Messias zu verhalten haben, aber der christliche Gott und der christliche Glaube haben keinerlei Einfluss mehr auf die Geschehnisse der Gegenwart.

Angesichts dieser Aufzählung fällt auf, dass der religiöse Fundamentalismus unserer Zeit im DC-Comics-Universum dieses Films nicht eigens personifiziert wird. Doch zurück zur Ausgangsfrage: Welchen diagnostischen Wert hat dieser Film im Blick auf die aktuelle weltanschaulich-religiöse Situation unserer Welt?

Das weltanschauliche Szenario

Interessanterweise scheint der Film zeigen zu wollen, dass ein in unserer Welt schwelender Konflikt, bei dem es um das Überleben der Menschheit geht, letztlich nicht – wie man es oft zu hören bekommt – von Gläubigen, sondern im Gegenteil von militanten Atheisten heraufbeschworen wird, die gegen ihre vermeintliche Unterdrückung durch die Religionen kämpfen. Die heuristische Leistung des Films besteht darin, dass er in fantastischer Weise ein Szenario durchspielt, das meist unserer Aufmerksamkeit entgeht, weil wir es eher gewohnt sind, unsere Sorge auf die religiösen Prozesse unserer Zeit zu richten.

Im Film besteht die Lösung des Konflikts darin, dass jene, die an eine strahlende Zukunft und Selbstvergottung des Menschen glauben, und jene, die diesbezüglich eine pessimistische Meinung vertreten, ihre Gemeinsamkeiten als Menschen entdecken (filmisch zugespitzt in der überraschenden Erkenntnis, dass sowohl Batmans verstorbene Mutter als auch Supermans entführte Adoptivmutter Martha heißen, wodurch eine emotionale Verbundenheit zwischen Batman und Superman etabliert wird) und zusammenarbeiten. Das darf aber wiederum nicht darüber hinwegtäuschen, dass der christliche Glaube nach diesem Film in der popkulturellen Gegenwart keinerlei wirklichkeits- oder gesellschaftsgestaltende Kraft mehr hat – abgesehen von der Tatsache, dass er im kollektiven Gedächtnis westlicher Gesellschaften eine normative Vorstellung davon hinterlassen hat, wie ein Gott bzw. ein Messias zu sein haben.


Haringke Fugmann