Esoterik

Der Kongress tanzt - die Baseler Psi-Tage auf neuen Wegen

(Letzter Bericht: 3/2003, 104ff) Auf den ersten Blick schien die 23. Ausgabe der Basler Psi-Tage nicht viel Neues zu bieten; die Leitthemen dieses internationalen Esoterik- und Grenzwissenschaften-Kongresses waren in den vergangenen Jahren immer beliebiger und daher bedeutungsloser geworden, denn viele Referenten hielten sich ohnehin nicht an die vorgegebene Fragestellung. Und so schien es, als drohe auch diesmal die ewige Wiederkehr des Gleichen, also die immer gleichen Themen und Referenten. Außerdem war in den letzten Jahren zu beobachten, dass die Veranstalter an einem aufrichtigen Dialog mit den Kritikern der Esoterik überhaupt nicht (mehr) interessiert sind. Selbstreferenziell haben sich die vermeintlich Erleuchteten immer wieder selber gefeiert und dabei den angeblichen Dogmatismus der etablierten Wissenschaft und natürlich auch der Kirchen in einer an Arroganz grenzenden Weise angeprangert, die selber längst den Ungeist des Dogmatismus atmet. Dennoch – oder vielleicht sogar gerade deshalb – war es nicht selbstironisch gemeint, als der Esoteriker und Filmemacher Clemens Kuby die Institution der Psi-Tage zur „Friedensarbeit“ emporstilisierte.

Die Fähigkeit und den Willen, das eigene Angebot, aber auch die aktuellen Tendenzen in der Esoterik-Szene selbstkritisch zu hinterfragen, lassen die Organisatoren leider immer noch vermissen. Zwar wurde in der Pressekonferenz betont, dass die „esoterischen Glaubensbekenntnisse“, die an den Psi-Tagen sicher überwiegen würden, kritisch geprüft werden sollten, doch war davon einmal mehr nichts zu spüren. Auch auf die oft fragwürdigen Angebote und Anbieter der Begleitmesse „Aura“ scheinen die Veranstalter keinerlei Einfluss nehmen zu wollen. Und so kann es kaum verwundern, dass im Programm zwar darauf hingewiesen wurde, dass es sich bei Bert Hellinger um einen der „meistbewunderten, aber auch umstrittensten Psychotherapeuten unserer Zeit“ handle, ansonsten durfte der Guru des „Familienstellens“ aber völlig ungestört seine dubiosen Thesen verbreiten, ohne dass kritische Einwände vorgesehen gewesen wären. Natürlich hing das Publikum wie bei solchen Anlässen üblich in stummer Bewunderung an den Lippen des Meisters, der sich als „Philosophen“ und seine therapeutischen Aktivitäten als „angewandte Philosophie“ bezeichnete. Im Übrigen vertrat Hellinger – nota bene ehemaliger katholischer Missionar – die These, dass „das Göttliche, wie wir es erfahren, (…) unvollkommen ist. Irren ist nicht nur menschlich, sondern auch göttlich.“ Für das Organisationsteam der Psi-Tag war Hellinger ganz explizit eines der Zugpferde des Kongresses; offenbar wollte man seine Attraktivität nutzen, solange es noch geht, denn wie betont wurde, sei an diesen Psi-Tagen eine der letzten Gelegenheiten, Hellinger, immerhin schon Mitte 70, beim Familienstellen zuschauen zu können.

Als weitere Attraktion wurde der Brasilianer Thomaz Green Morton präsentiert, „das vielleicht bedeutendste Psi-Talent unserer Zeit“, dem „herausragende Leistungen in Telepathie, Apportation, Materialisation, Transmutation und Transformation nachgesagt“ würden. 300 Teilnehmer der Psi-Tage hätten sich alleine zu seinem Tagesseminar angemeldet. Im Rampenlicht stand außerdem der inzwischen fast 100 Jahre alte Chemiker Prof. Dr. Albert Hofmann, Entdecker des LSD. Im Januar 2006 wird Hofmann und dem LSD – „Sorgenkind und Wunderdroge“ – ein eigenes Symposium gewidmet (www.LSD.info). Sieht man sich die Liste der übrigen Referenten an, fällt auf, dass die Psi-Tage weiterhin einer Globalisierung der Esoterik Rechnung tragen, indem außereuropäische Redner und spirituelle Traditionen wie der Sufismus, das Qi Gong oder schamanistische Rituale aus Hawaii in den Mittelpunkt des Kongressprogramms rücken. Daneben achten die Organisatoren auf eine Verjüngung der Vortragenden und lassen eine neue Esoteriker-Generation zum Zuge kommen, so etwa den deutschen Kornkreis-Forscher Andreas Müller (Jg. 1976) oder den Schweizer Ufologen Luc Bürgin (Jg. 1970).

Dahingestellt sei, ob dies Ursache oder Folge eines sich anbahnenden Generationenwechsels ist, der sich im Publikum der Psi-Tage immer deutlicher abzeichnet. In den letzten Jahren ist der Anteil der 20-bis 30-jährigen Kongressbesucher konstant gestiegen. Dies mag dazu beigetragen haben, dass die Veranstalter diesmal neue Wege bei der Gestaltung des Abendprogramms beschritten. Statt altbekannten Blendern wie Uri Geller eine Bühne zu bieten, wagten sie das Experiment einer Psi-Tanznacht. Der mit dieser Aufgabe betraute Basler DJ und Performancekünstler Claude Karfiol hatte zuvor auf eine erfrischend freche Art das ernste Gehabe der Psi-Tage in Frage gestellt. Wo denn an diesem Kongress die Lust am Blöd- und Unsinn bleibe, wollte er wissen und stellte die These auf, dass das heutzutage weit verbreitete Gefühl der Sinnlosigkeit auch aufkommen könne, wenn man sich dem Un- und Blödsinn verweigere.

Ob diese augenzwinkernde Mahnung die Veranstalter erreichte, muss offen bleiben. Sie glauben jedenfalls unbeirrt an die Zukunft der Psi-Tage, und das Publikumsinteresse, das sich auch angesichts der horrenden Eintrittspreise offenbar nicht abschwächt, gibt ihnen zweifellos Recht. Und so wagen sie noch etwas Neues: Die Psi-Tage sollen sozusagen „Junge“ bekommen und künftig in kleinerer Form auch im Sommer stattfinden. Die ersten „Psi-Tage im Sommer“ sind bereits für den 23. bis 25. Juni 2006 in Rheinfelden, 15 km rheinaufwärts von Basel, geplant und werden sich dem Thema „Medialität – Das Tor zur geistigen Welt“ widmen. Man darf gespannt sein, ob der Erleuchtungshunger nun tatsächlich schon so groß ist, dass man die Psi-Tage zweimal im Jahr braucht…


Christian Ruch, Baden/Schweiz