Deutschland sucht den Super-Geller
Übersinnliche Phänomene oder zauberhafte TV-Illusionen?
Nach acht Wochen ist Ende Februar 2008 die erste Staffel der wöchentlichen Pro-Sieben-Show The next Uri Geller – Unglaubliche Phänomene Live zu Ende gegangen. Sieger des Titels, der mit 100 000 Euro dotiert ist, wurde der 41-jährige Schweizer Vincent Raven, der mit seinem Kolkraben das TV-Publikum für sich gewinnen konnte (www.vincentraven.ch). Inzwischen ist die Behauptung verbreitet worden, Raven sei Mitglied des satanistischen „Schwarzen Ordens von Luzifer“, was er jedoch vehement bestreitet. Der Schweizer Zeitschrift „Blick“ sagte der Gewinner der Zauber-Show: „Ich bin Katholik, wurde katholisch erzogen und interessiere mich auch für andere Richtungen der Magie. Aber ich bin sicher kein Satanist!“ (Quelle: www.blick.ch, 28.2.2008) Eines steht jetzt schon fest: Im nächsten Jahr wird es nach Mitteilung von Pro Sieben eine zweite Staffel von „The next Uri Geller“ geben. Doch die Einschaltquoten fielen offensichtlich nicht so hoch aus, wie sich die Produzenten dies erhofft hatten.
2004 erlebte der Bühnenmagier Uri Geller bei RTL mit der Uri-Geller-Show ein TV-Comeback. Seit Anfang des Jahres tritt er nun in der neuen Casting-Show „The next Uri Geller“ als Gastgeber und Kommentator der Kandidaten auf, die über angeblich außergewöhnliche Fähigkeiten verfügen sollen und diese wiederum an Prominenten vor Publikum unter Live-Bedingungen demonstrieren. In der Sendung hat der Zuschauer die Möglichkeit, über sogenanntes Televoting die einzelnen Kandidaten zu bewerten und darüber zu entscheiden, wer in der nächsten Folge wieder auftreten darf und wer nicht. Pro-Sieben bezeichnet Geller in der die Sendung begleitenden PR-Kampagne als den größten „Mystifier“ auf der Suche nach einem Nachfolger. Vorbild der Sendung ist die in Israel äußerst erfolgreiche Show „The Successor“, die dort eine Einschaltquote von rund 50 Prozent erzielen konnte. In den USA lief eine TV-Variante des Originalformats unter dem Titel „The Phenomenon“. Auch in den Niederlanden und in Ungarn sind ähnliche TV-Formate in Arbeit.
Der Titel der 90-Minuten-Sendung geht zurück auf den 1946 in Israel geborenen Bühnenmagier Uri Geller, der hierzulande mit seinem spektakulären Fernsehauftritt als „Löffelverbieger“ in der Wim-Thoelke-Show „Drei mal Neun“ am 17. Januar 1974 bekannt wurde. Bereits im Alter von fünf Jahren soll Geller ein übersinnliches Erlebnis zuteil geworden sein. In der Grundschule soll ihm schließlich bewusst geworden sein, dass er über paranormale Fähigkeiten verfüge. Zunächst kämpfte er 1967 als Fallschirmspringer im Sechs-Tage-Krieg, in dem er verwundet wurde. Zwischenzeitlich arbeitete Geller auch als Fotomodell. Entdeckt wurde er von dem New Yorker Parapsychologen und Ufologen Andrija Puharich (1918-1995), seinem späteren Biografen. Ende der 1960er Jahre machte Geller mit Auftritten von sich reden, bei denen er auf geheimnisvolle Weise Löffel verbog.
Die Kritik an seinen angeblichen übernatürlichen Fähigkeiten ließ nicht lange auf sich warten. So wurde ihm vorgeworfen, die Löffel vorher mit einer Chemikalie manipuliert zu haben. In den 1980er Jahren zog er sich von der Fernsehöffentlichkeit weitgehend zurück. Er soll seinen Unterhalt mit der Suche nach Gold und Erzen bestritten haben. Geller verfasste auch einige Bücher: Neben einer Autobiografie Mein wundervolles Leben (1995) erschienen Der Geller Effekt (1986), Uri Gellers Geheimtips für Glück und Wohlstand (1988) und Die Macht des Geistes (2006) sowie Uri Gellers Powerguide zum Erfolg (2007).
In der Vergangenheit kam es immer wieder zu juristischen Auseinandersetzungen zwischen Geller und verschiedenen Skeptikerorganisationen, die ihm vorwarfen, weniger mit übersinnlichen Kräften denn mit überaus irdischen und teilweise billigen Zaubertricks zu beeindrucken. Im Internet kursieren jetzt wieder viele skeptische Beiträge und Videos, die dem seit mehreren Jahren in England wohnenden Geller Täuschung und Manipulation vorwerfen (www.gwup.org/themen/texte/uri_geller). In Wirklichkeit würde es sich um Tricktechniken mit oder ohne Hilfsmittel handeln. Hinzu kämen u. a. die gezielte Anwendung wenig bekannter psychologischer Effekte und die bewusste Instrumentalisierung von Schwachpunkten der TV-Technik im Studio (Kameraführung und häufiger Standortwechsel) für die verblüffenden „Ergebnisse“.
Die aktuelle Kritik konzentriert sich jetzt auf die angeblichen paranormalen Fähigkeiten der Teilnehmer in „The next Uri Geller“. Zauberkünstler bescheinigen der neuen Show inzwischen einen großen Unterhaltungswert. Von übernatürlichen Fähigkeiten bei den Teilnehmern könne jedoch keine Rede sein. Jetzt melden sich auch „Mentalisten“ zu Wort, die als Mentalzauberkünstler Effekte wie Vorhersagen, Gedankenlesen als Zauberkunst darbieten, ohne jedoch einen paranormalen Hintergrund zu postulieren. Inzwischen sind Fans der Sendung dazu übergegangen, in sogenannten Internet-Blogs die Tricks der TV-Castingshow zu entzaubern (vgl. http://gellerentlarvt.wordpress.com und http://urigellertricks.wordpress.com). Die Programm-Verantwortlichen wird dies nicht weiter stören. Ein Pro-Sieben-Sprecher wird in der Presse mit den Worten zitiert, den Sender interessiere es nicht, „wie die Kandidaten es machen, sondern was sie machen“. Dies deutet darauf hin, dass von solchen TV-Inszenierungen nach wie vor eine große Wirkung und Suggestionskraft ausgehen. Pro-Sieben wird damit einmal mehr seinem Image als „magischer Kanal“ im sprichwörtlichen Sinne gerecht. Gesetzt wird auf gängige Mystery-Themen, die bei jüngeren Zuschauern ankommen und nach wie vor einen hohen Unterhaltungswert in dieser Zielgruppe haben dürften.
Die mediale Inszenierung wird zum Gesprächsthema, aber auch zum Anlass für Zeitschriften, das Thema möglichst publikumswirksam aufzugreifen. Das große Rauschen im Blätterwald hat eingesetzt. Die populärwissenschaftliche Zeitschrift P.M.Perspektive (Ausgabe 1/2008) greift zeitgeistkonform die „neue Faszination des Okkultismus“ auf und beleuchtet – durchaus kritisch – Telepathie, Pendeln, Wahrträume und Spukphänomene.
Andere Zeitschriften gehen noch weiter und nehmen den Geller-Effekt zum Anlass, übersinnliche Erfahrungen mit esoterischen und spiritistischen Aspekten anzureichern. So widmete die Frauenzeitschrift freundin in ihrer Ausgabe 4/2008 (13.2.2008) dem Thema „Übersinnliche Phänomene“ sogar eine eigene Titelgeschichte: „Rätselhafter Spuk, mysteriöse Vorahnungen, geheimnisvolle Botschaften aus dem Jenseits. Was wirklich dran ist.“ Präsentiert werden auf mehreren Seiten „15 faszinierende Geschichten von übersinnlichen Erfahrungen“. Und auch Uri Geller, der an dieser Stelle überraschenderweise als „Mystik-Star“ tituliert wird, kommt im Interview zu Wort. Auf die Frage, ob er übersinnliche Kräfte habe, antwortet Geller: „Ich sehe mich als ‚Mystifier’ – ich fasziniere Menschen. Aber natürlich bin ich auch ein Performer, ein Showman. Und das suche ich auch bei meinem Nachfolger: Es geht um Charisma – und die fantastischste Show. Die Leute zu Hause sollen sagen: Das ist doch unmöglich, was der kann!“ (S. 96) Dass Geller esoterischen Denkmustern zuneigt, wird im weiteren Verlauf des Interviews deutlich: „Ich denke, es hat mit Energie zu tun. Schon Einstein hat mit seiner berühmten Relativitätstheorie festgestellt: Alles im Universum ist Energie. Und immer in Bewegung. Und alles hat eine Vibration, auch unser Gehirn. Und ich nehme an, diese Vibration kann man zu einem anderen Gehirn senden.“ Die Casting-Show „The next Uri Geller“ impliziert versteckt die Frage nach dem Übersinnlichen, auch wenn man vieles als inszenierten Showeffekt deutet. Das Interesse an diesen Themen ist – wie es scheint – ungebrochen.
Die TV-Show provoziert kritische Rückfragen. Sie beziehen sich einerseits auf das geschickte (Selbst-)Vermarktungskonzept des TV-Magiers und die gezielte Instrumentalisierung des Mediums Fernsehen für den Geller-Effekt. Uri Geller wird zur zentralen Botschaft. Die beteiligten Kandidaten treten als „Mentalisten“ auf, als Zauberkünstler, die sicherlich beeindruckende Effekte zu erzielen vermögen. Weitaus interessanter scheinen indes die unterschiedlichen Zuschauerreaktionen zu sein: Die einen stufen die Sendung als Beitrag zur Volksverdummung ein. Wiederum andere nehmen alles Gezeigte und Inszenierte für bare Münze, wobei manche von der Wirklichkeit „okkulter“ Phänomene und Kräfte überzeugt sind und sich in dieser Auffassung gar bestätigt sehen. Wiederum andere sind der Entzauberung auf der Spur, indem sie die Tricks der Kandidaten im Internet zu erklären versuchen. Der Reiz solcher spektakulären Inszenierungen besteht zunächst in der geheimnisvollen, suggestiv erzeugten Atmosphäre. Der besondere Effekt ist die verblüffte Reaktion des Zuschauers. Sie ist das eigentliche Pfund, mit dem die Macher der Sendung wuchern. Zusätzlich wird durch das scheinbar Unerklärliche ein Anreiz gegeben, darüber zu rätseln, auf welche Weise die verschiedenen Effekte erzielt wurden. Sind sie bloße Einbildung oder gar Betrug? Sind sie Hinweise auf das Einwirken von Geistern? Handelt es sich um Wirkkräfte des geheimnisvollen Reiches der Seele? Die Spekulationen nehmen kein Ende.
Die in der Sendung gezeigten Phänomene sind durchaus erklärbar. Es gibt im Einzelfall gute und plausible Gründe. Bewusst wird mit der Suggestion bzw. Illusion gespielt, es würde sich um paranormale Effekte handelt. In diesem Spiel dürfte der besondere Reiz liegen. Was nicht vergessen werden sollte: Übersinnliche Erfahrungen spielen in der Religionskultur nach wie vor eine große Rolle. Im Kontext einer neuen erfahrungsbezogenen esoterischen Religiosität gewinnen sie zunehmend an Bedeutung. Aus theologischer Sicht ist darauf hinzuweisen, dass viele dieser Phänomene durchaus „innerweltlich“ gedeutet werden können. Damit gehören sie letztlich zur Geschöpflichkeit des Menschen. In jedem Fall ist es hilfreich und notwendig, auf „natürliche“ Erklärungsmodelle zurückzugreifen, um nicht vorschnell in spiritistische oder okkult-magische Deutekategorien zu geraten, die mit dem christlichen Wirklichkeitsverständnis nicht zu vereinbaren sind.
Übersinnliche Erfahrungen können als Hinweis auf den Schöpfungszusammenhang des Menschen gedeutet werden – auf eine Wirklichkeit, die umfassender und vielseitiger ist, als es uns Illusions-, Zauber- und Suggestionskünstler erahnen lassen. Ihre Zaubertricks sind darauf ausgerichtet, ein verblüfftes Publikum zurückzulassen. Doch die Verblüffung hält nicht lange an, wie sich dies an Reaktionen in kritischen Internetforen ablesen lässt. Für manchen Zuschauer können die darin gezeigten Showphänomene unterhaltsam und kurzweilig sein. Aber sie sind eben nicht die ganze Wahrheit.
Matthias Pöhlmann
Kritische Internetseiten:
www.gwup.org/themen/texte/uri_geller
http://gellerentlarvt.wordpress.com
http://urigellertricks.wordpress.com