Die aktuelle Verteilung der Religionszugehörigkeiten in Deutschland
Eine komplizierte Rechenaufgabe mit vielen Unbekannten
Man könnte meinen, die Frage nach der konfessionellen Zusammensetzung der Bevölkerung sei recht simpel, nämlich durch einfaches Auszählen zu beantworten. In Wirklichkeit handelt es sich aber um ein „sehr vertracktes Ding, voll metaphysischer Spitzfindigkeiten und theologischer Mucken“, um eine Formulierung von Karl Marx aus Das Kapital zur Entstehung von „Wert“ zu bemühen.
Die sechste Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung (KMU) der EKD, zu deren Ergebnissen im November 2023 eine erste überblicksartige Darstellung erscheinen wird, kann dabei ein Stück weiterhelfen. Denn erstmals wurden bei dieser KMU nicht nur evangelische Kirchenmitglieder und Konfessionslose befragt, sondern auch Katholiken und Mitglieder anderer Religionsgemeinschaften. Die aus 5282 Teilnehmenden bestehende Stichprobe ist repräsentativ für die Gesamtbevölkerung. Aber erst in der Zusammenschau mit einer großen Zahl weiterer Datenquellen kann ein zuverlässiges Gesamtbild zur aktuellen Zusammensetzung der Bevölkerung nach Religionszugehörigkeiten erschlossen werden.
Große Kirchen schrumpfen rasch
Nur für die beiden großen Kirchen verfügen wir aus der kirchenamtlichen Statistik über exakte und verlässliche Daten. Demnach gehörten zum 31. Dezember 2022 den EKD-Gliedkirchen 19,15 Millionen Personen an,1 der römisch-katholischen Kirche 20,94 Millionen.2 Wie vielen Prozent der Bevölkerung dies entspricht, ist bereits unsicher, weil die Schätzung des Statistischen Bundesamts zur Gesamtbevölkerungszahl Deutschlands3 wenig verlässlich ist und überhöht sein dürfte. Sie beruht auf einer Fortschreibung der Daten des Zensus 2011, denn die Daten des Zensus 2022 werden nicht vor dem Frühjahr 2024 zur Verfügung stehen. Wir wissen bereits aus früheren Zensus-Erhebungen, dass Fortschreibungen über längere Zeiträume die Bevölkerungszahl überschätzen, weil viele bei Umzügen eine Abmeldung versäumen. Bei Umzügen innerhalb Deutschlands fällt dies durch eine Anmeldung am neuen Wohnort und den darauffolgenden Datenabgleich zwischen den Behörden auf, nicht jedoch bei Umzügen ins Ausland. Deshalb sind von diesem Effekt unbemerkter Wegzüge vor allem ehemals in Deutschland lebende Personen ausländischer Staatsangehörigkeit betroffen, die in ihre Heimatländer zurückkehren. So stellte sich beim Zensus 2011 heraus, dass Deutschland 1,5 Millionen weniger Einwohner hatte als bis dahin angenommen, davon 1,1 Millionen weniger Ausländer:innen.4 Es ist damit zu rechnen, dass die für den 31. Dezember 2022 aufgrund der Fortschreibung angenommene Bevölkerungszahl von 84,3 Millionen Einwohnern nach Berücksichtigung der Ergebnisse des Zensus 2022 nochmals nach unten korrigiert werden muss, vor allem bei Personen mit nichtdeutscher Staatsangehörigkeit.5 Daraus kann abgeleitet werden, dass der Anteil der Mitglieder der EKD-Gliedkirchen an der Gesamtbevölkerung Ende 2022 bei mindestens 22,7 % gelegen haben dürfte bzw. vermutlich etwas höher.6 Entsprechend lag der Anteil der Mitglieder der römisch-katholischen Kirche bei 24,8 %; er dürfte kaum überhöht sein.7 Der Bevölkerungsanteil beider großer Kirchen zusammengenommen ist also gegenwärtig bei mindestens 47,5 % anzusiedeln, vermutlich geringfügig höher. Aus den Trends der letzten Jahre kann entnommen werden, dass dieser Anteil durch Kirchenaustritte und demographische Effekte gegenwärtig Jahr für Jahr um etwa 1 bis 2 % weiter absinkt. (Eine Diskussion um Nachkommastellen ist daher ohnehin nicht sinnvoll, weil die Werte rasch in der Größenordnung von 0,1 bis 0,2 Prozentpunkten pro Monat fallen.)
Kleinere Kirchen unverändert klein
Bei den Mitgliedern anderer christlicher Kirchen empfiehlt es sich, zwischen autochthonen und migrantischen Kirchen zu unterscheiden, d. h. zwischen solchen, deren Mitglieder überwiegend aus der einheimischen deutschstämmigen Bevölkerung bestehen, und solchen, deren Mitglieder überwiegend in den letzten Jahrzehnten aus dem Ausland zugewandert sind. Diese Unterscheidung ist vor allem aus methodischen Gründen notwendig, weil beide Teilgruppen in sehr unterschiedlichem Ausmaß vom oben erwähnten Fortschreibungsfehler in der amtlichen Statistik sowie von der notorischen Unterrepräsentation von Menschen mit Migrationshintergrund in repräsentativen Bevölkerungsumfragen betroffen sind.8
Zu den autochthonen anderen christlichen Gemeinschaften gehören in Deutschland vor allem die evangelischen Freikirchen sowie die Neuapostolische Kirche und die Zeugen Jehovas. Weitere hier noch zurechenbare Gruppierungen fallen quantitativ kaum ins Gewicht. Die Repräsentativerhebung der sechsten KMU kommt zum Ergebnis, dass diese kleineren Kirchen zusammengenommen einen Bevölkerungsanteil von 2,2 % ausmachen. Dieser Wert erscheint realistisch, jedenfalls ist kein Grund für eine systematische Über- oder Unterrepräsentation erkennbar.9
Andere christliche Gemeinschaften mit Migrationshintergrund sind in Deutschland im Wesentlichen die orthodoxen Kirchen. Hier sind die Daten der sechsten KMU für eine verlässliche Schätzung weniger geeignet, da auch diese Erhebung von der Unterrepräsentation von Menschen mit Migrationshintergrund betroffen ist. Der Religionswissenschaftliche Medien- und Informationsdienst e. V. (REMID) hat durch Anfragen bei allen hier infrage kommenden Kirchen eine Gesamtmitgliederzahl von 1,7 Millionen ermittelt, was 2,0 % der Bevölkerung entspricht. Nach einer Korrektur der fortgeschriebenen Gesamtbevölkerungszahl des Zensus 2011 nach unten dürfte der reale Wert eher etwas niedriger als 2,0 % liegen, weil der verzerrende Rückkehreffekt in die Heimatländer diese Bevölkerungsgruppe besonders betrifft.10
Christliche Konfessionen ab 2024 in der Minderheit
Aus den abgewogenen Befunden folgt, dass die Mitglieder christlicher Religionsgemeinschaften insgesamt (d. h. Katholische, EKD-Evangelische sowie sonstige autochthone oder migrantische christliche Gemeinschaften) Ende 2022 einen Bevölkerungsanteil von 51,7 % (22,7 + 24,8 + 2,2 + 2,0 %) ausgemacht haben. Bei Fortschreibung des bislang zu beobachtenden Trends (1 bis 2 Prozentpunkte Verlust pro Jahr bei den beiden großen Kirchen zusammengenommen, keine starken Veränderungen bei der Summe aller anderen christlichen Gemeinschaften) folgt, dass im Jahr 2024 der Anteil der Mitglieder aller christlichen Kirchen zusammengenommen die 50-Prozent-Marke unterschreitet und christliche Religionszugehörigkeit dadurch zu einem Minderheitenphänomen werden wird. Denn die Daten der sechsten KMU zeigen, dass Kirchenaustritte aus den beiden großen Kirchen fast ausschließlich in die Konfessionslosigkeit führen und nicht in andere christliche oder nichtchristliche Religionsgemeinschaften hinein.
Konfessionslose stellen bald die absolute Mehrheit
Für die bis jetzt diskutierte erste Hälfte der Bevölkerung war die Kalkulation noch vergleichsweise einfach, weil es bei den meisten christlichen Kirchen ein klar definiertes Kriterium der „Mitgliedschaft“ gibt.11 Das ist bei der anderen Hälfte der Bevölkerung – Konfessionslose und Anhänger nichtchristlicher Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften – überwiegend nicht der Fall, so dass auf andere Kriterien ausgewichen werden muss.
Es ist sinnvoll, hier zunächst mit der mit Abstand größten Bevölkerungsgruppe zu beginnen: mit den Konfessionslosen. Die Konfessionslosigkeit sollte nämlich keineswegs bloß als Residualkategorie behandelt werden, deren Umfang sich ergibt, wenn man alle Religionszugehörigkeiten im Sinne einer Subtraktionslogik von 100 % abgezogen hat. Denn es wird sich zeigen, dass die bei den nichtchristlichen Religionsgemeinschaften vorhandenen Unsicherheiten enorm und für eine solche Subtraktionsrechnung nicht belastbar sind. Gleichzeitig haben wir bei den Konfessionslosen deutlich verlässlichere Daten: Erstens können sie eindeutig definiert werden; zweitens ist ihre Zahl so groß, dass sie in repräsentativen Bevölkerungsumfragen gut zu erfassen sind. Beides ist bei vielen nichtchristlichen Religionsgemeinschaften nicht der Fall.
Die EKD hat im Jahr 2020 einen Grundlagentext publiziert, der Konfessionslosigkeit wie folgt definiert: „Es geht um Menschen, die ihr Leben ohne Mitgliedschaft in einer Religionsgemeinschaft führen und deuten.“12 Über die Frage „Was ist Ihre Religionszugehörigkeit?“, mit der Antwortoption „Keine Religionszugehörigkeit“, wurde dies in der sechsten KMU erfasst, wie auch in zahlreichen anderen repräsentativen Erhebungen. Auf der Basis solcher Daten ging die EKD in ihrem Grundlagentext zur Konfessionslosigkeit zum Stichtag 31. Dezember 2017 von einem Konfessionslosenanteil von 36 % aus. Mittlerweile muss das als überholt gelten, denn die Zahl der Konfessionslosen wächst rasch. Allein in den fünf Jahren vom 31. Dezember 2017 bis zum 31. Dezember 2022 ist der Anteil der Mitglieder beider großen Kirchen an der Gesamtbevölkerung von 54,2 % auf 47,5 % gefallen, also um 6,7 Prozentpunkte – das wissen wir sicher, allein aus der kirchenamtlichen Statistik. Gleichzeitig können wir mit den Daten der sechsten KMU, in der individuelle Biographien des Konfessionswechsels abgefragt wurden, belegen, dass Kirchenaustritte höchst selten mit Übertritten in andere Religionsgemeinschaften verbunden sind, mithin fast ausschließlich in die Konfessionslosigkeit führen. Auch die Kohortensukzession im Rahmen des demographischen Wandels stärkt die Konfessionslosigkeit und nicht etwa andere Religionsgemeinschaften.
Es findet also eine recht rasche Verschiebung erheblicher Bevölkerungsteile von den beiden großen Kirchen hin zu den Konfessionslosen statt, ohne dass andere Religionsgemeinschaften maßgeblich beteiligt wären. Eine darauf aufbauende Hochrechnung ergibt, dass zum 31. Dezember 2022 der Konfessionslosenanteil bereits knapp 43 % betragen müsste. Und tatsächlich: Völlig unabhängig von dieser Hochrechnung hat die sechste KMU ergeben, dass im Befragungszeitraum vom 14. Oktober bis 22. Dezember 2022 die Frage nach der Religionszugehörigkeit von 42,5 % der repräsentativ Ausgewählten mit „Keine Religionszugehörigkeit“ beantwortet wurde, so dass zum Stichtag 31. Dezember 2022 von 42,7 % Konfessionslosen ausgegangen werden kann.13 Da dieser Wert pro Kalenderjahr gegenwärtig um etwa 2 Prozentpunkte nach oben klettert (im Jahr 2022 waren es 2,2 Prozentpunkte), dürfte er zum Zeitpunkt des Erscheinens dieses Beitrags bereits 44 % erreicht haben. Bei Extrapolation der bisherigen Trends wird der Konfessionslosenanteil im Jahr 2027 die 50-Prozent-Marke überspringen.
Weltanschauungsgemeinschaften statistisch irrelevant
Um den Begriff der „Weltanschauungsgemeinschaft“ auszuleuchten, der im üblichen Sprachgebrauch etwas jenseits der Religionsgemeinschaften Liegendes mit erschließen soll, wurden die Konfessionslosen in der sechsten KMU zusätzlich gefragt: „Sind Sie Mitglied einer nicht-religiösen organisierten Weltanschauungsgemeinschaft?“ Das Ergebnis: Nur 0,3 % der Bevölkerung ordnen sich entsprechend zu. Unter diesen 0,3 % dominieren die bekannten humanistisch-atheistischen Verbände; alles andere kommt unter den Befragten bei freier Eintragungsmöglichkeit über Einzelnennungen nicht hinaus (z. B. wurden hier eingetragen: Freimaurer, Veganismus, Zen, Wicca, Die PARTEI, Ver.di). Der Begriff der „Weltanschauungsgemeinschaft“ hat also in Deutschland trotz der großen Weite im inhaltlichen Verständnis innerhalb der Bevölkerung zahlenmäßig keine große Reichweite. Er ergänzt das Feld der „Religionsgemeinschaften“ nur ganz marginal. Gleichzeitig stehen die 0,3 %, die Mitglieder in „Weltanschauungsgemeinschaften“ sind, den übrigen 42,4 % weltanschaulich ungebundener Konfessionsloser gegenüber.
Nichtchristliche Religionsgemeinschaften
Was die bislang noch nicht berücksichtigten nichtchristlichen Religionsgemeinschaften angeht, gibt es ein gravierendes konzeptionelles Problem, das genaue Prozentangaben ad absurdum führt. Diese Religionsgemeinschaften definieren sich in aller Regel nicht über eine Mitgliedschaft. Oft kann man ihnen weder beitreten noch aus ihnen austreten. Teilweise handelt es sich eher um eine „ethnische Kategorie“, die eine bestimmte Herkunft indiziert, die man aber weder frei wählen noch ablegen kann. Der Islam ist ein gutes Beispiel dafür, wie zum Beispiel Michael Blume in seinem 2017 erschienenen Buch Islam in der Krise eindrücklich dargelegt hat.14 Es besteht die Gefahr, dass wir eine erklärte „Zugehörigkeit“ als religiöse Orientierung missverstehen, obwohl tatsächlich nur eine ethnische Herkunft gemeint ist. Die Übergänge sind fließend, eine scharfe Abgrenzung ist hier ohne ein existierendes Mitgliedschaftskriterium von vornherein illusorisch.
Andere nichtchristliche Religionsgemeinschaften – die „fernöstlichen“ – verzichten zudem auch noch auf einen Exklusivitätsanspruch, d. h. man kann sich nicht nur einer von ihnen zugehörig fühlen, sondern mehreren gleichzeitig. Wie soll das in einer Religionszugehörigkeitsstatistik abgebildet werden, die ganz selbstverständlich entsprechend der christlichen Tradition davon ausgeht, man könne nur einer und nicht mehreren Konfessionen angehören? Recht naiv und aus der Zeit gefallen ist auch der zuweilen noch anzutreffende Versuch, sich auf die Abfrage statisch vorgestellter „Weltreligionen“ zurückziehen zu wollen – ein für die Untersuchung von Religion in modernen Gesellschaften analytisch unbrauchbares Konstrukt, das in der Religionswissenschaft schon lange unter massiver Kritik steht.15 Das Problem der recht beschränkten Verfügbarkeit geeigneter Daten kommt noch hinzu.
Nichtchristliche Religionsgemeinschaften als konzeptionell schwierige Residualkategorie
Rekonstruieren wir zunächst, was nach Abzug aller vorausgehend schon diskutierten anderen Kategorien (Katholische, EKD-Evangelische, andere autochthone und migrantische christliche Gemeinschaften, Konfessionslose) für die „nichtchristlichen Religionsgemeinschaften“ noch übrig bleibt: Es sind 5,6 % der Bevölkerung, um insgesamt auf 100 % zu kommen. Da es sich bei den „nichtchristlichen Religionsgemeinschaften“ um die konzeptionell schwierigste aller Kategorien handelt, ist es angemessen, dafür den Residualansatz zu wählen.
Damit könnte man es bewenden lassen, aber es sind doch noch einige weitere Aufschlüsse möglich. Zunächst kann man anhand der sechsten KMU feststellen, dass es sich bei dieser Kategorie zum weit überwiegenden Teil um Gemeinschaften mit Migrationshintergrund handelt. Ausnahmen sind Einzelnennungen zum Satanismus, zur Religionsparodie der „Kirche des Fliegenden Spaghetti-Monsters“ sowie vor allem von deutschstämmigen Anhänger:innen des Buddhismus. Legt man die von REMID genannten und auf Selbstauskünfte der Deutschen Buddhistischen Union (DBU) zurückgehenden, aber veralteten Zahlen zugrunde,16 ist einerseits mit einer insgesamt vierstelligen Zahl wirklicher Mitglieder buddhistischer Organisationen zu rechnen, andererseits aber mit einem deutlich größeren, unscharf definierten Kreis von Sympathisant:innen – angeblich über 100.000, wovon etwa die Hälfte aus Deutschland, die andere aus Asien stammen soll (das dürfte niemand wirklich gezählt haben). Das statistische Dilemma ist offensichtlich: Wo soll man hier eine klare Grenze ziehen? Wer garantiert, dass einige Sympathisant:innen buddhistischer Ideen nicht auch Mitglieder christlicher Kirchen sind und welche Konsequenzen sollen daraus für die Statistik gezogen werden?
Der aus den KMU-Konfessionswechseldaten ableitbare Anteil der zum Islam konvertierten autochthonen Bevölkerung ist ebenfalls sehr gering und dürfte vor allem auf konfessionelle Angleichung innerhalb von Partnerschaften zurückgehen. Das hier nicht weiter in allen Einzelheiten zu erörternde Gesamtbild deutet darauf hin, dass der Anteil autochthoner wirklicher Mitglieder in nichtchristlichen Religionsgemeinschaften in Deutschland nicht größer als 0,2 % der Bevölkerung sein dürfte, eher weniger. Von einer Pluralisierung der religiösen Landschaft in dem Sinne, dass nichtchristliche Religionsgemeinschaften nennenswerten Zulauf durch die einheimische Bevölkerung erhielten, kann also keine Rede sein. Religiöse Pluralisierung ist – sofern man Mitgliedschaften betrachtet – fast ausschließlich durch Zuwanderung aus dem Ausland getrieben, nicht durch Individualisierung im Sinne einer individuellen Entscheidung zwischen verschiedenen Mitgliedschaftsoptionen.
Nichtchristliche postmigrantische Gemeinschaften
Wenden wir uns dem Bevölkerungsanteil mit Migrationshintergrund zu, der nichtchristlichen Religionsgemeinschaften angehört. Hier ist mit den KMU-Daten kaum noch vernünftig zu arbeiten. Denn darin sind Menschen mit Migrationshintergrund aus den bei Repräsentativumfragen üblichen Gründen stark unterrepräsentiert; das genaue Ausmaß der Unterrepräsentation bleibt aber unsicher, weil auch die verfügbaren Angaben der amtlichen Statistik aus den genannten Gründen mit hohen Unsicherheiten behaftet sind.
Diskutieren wir zunächst den Islam. Den muslimischen KMU-Befragten wurde noch folgende Zusatzfrage gestellt: „Sind Sie Mitglied einer muslimischen Gemeinschaft, an die Sie regelmäßig finanzielle Beiträge zahlen?“ Nur 14 % derjenigen, die als Religionszugehörigkeit „Islam“ angaben, haben das bejaht. In sehr guter Übereinstimmung damit hat die Studie Muslimisches Leben in Deutschland 2020 – mit einer wesentlich höheren Zahl an Befragten und insofern zuverlässiger – dafür 14,8 % ermittelt.17
Angesichts solcher Befunde hat Michael Blume zu Recht davor gewarnt, in Religionsstatistiken „Äpfel mit Birnen zu vergleichen“, denn „tatsächlich verdecken […] die offiziellen Statistiken, die ‚geborene‘ Muslime mit beitragszahlenden Kirchenmitgliedern vergleichen, den massiven Glaubens- und vor allem Praxisverlust in der islamischen Welt.“18 Blume stellt „umso mehr in Frage, dass diejenigen staatlicherseits als ‚Muslime‘ zu zählen sind, die selbst keinen monatlichen Beitrag für ihre eigene Religion zu leisten bereit sind. Bei Christen verneinen wir diese Frage statistisch längst – wie ich meine, zu Recht.“19
Nimmt man dies ernst und zählt – nach dem gleichen Kriterium wie bei Kirchenmitgliedern – nur diejenigen als „Muslime“, die Mitglied in einer islamischen Organisation mit einer eventuellen Pflicht zur Beitragszahlung sind, dann dürfte der Bevölkerungsanteil der Muslime in Deutschland, vorsichtig geschätzt, irgendwo zwischen 0,5 und 1,2 % liegen. Die Spannweite ist so groß, weil auch die Zahl der Muslime nach großzügigeren Kriterien sehr unsicher ist.
Man könnte nun auf die alternative Idee kommen, nur „gläubige“ Muslime als Muslime zu zählen. Doch das ist zu verwerfen, denn auch die Mitglieder christlicher Kirchen sehen sich bei weitem nicht alle als „gläubig“. Insofern ist es eine die soziale Realität nicht abbildende, letztlich irreführende Terminologie, sich Religionsgemeinschaften als „Glaubensgemeinschaften“ vorzustellen. Nicht nur unter Kirchenmitgliedern, sondern auch unter den sich als „Muslime“ bezeichnenden Personen ist das gesamte Spektrum der Religiosität oder Nichtreligiosität vorhanden.20 Im Übrigen wäre ein an „Glauben“ oder „Religiosität“ orientiertes Kriterium auch deshalb unbrauchbar, weil es nicht scharf abgrenzbar ist – die Individuen verteilen sich hier bruchlos über ein Kontinuum, teilweise sogar multidimensional über mehrere.
Eine andere Möglichkeit besteht darin, ein Kriterium zu imaginieren, das die Selbstidentifikation als „Muslim“ nur dann akzeptiert, wenn dies explizit im Kontext einer religiösen Semantik geschieht, also zum Beispiel ausdrücklich nach der „Religionszugehörigkeit“ gefragt wird. Damit sollen reine „Kulturmuslime“ ausgeschlossen bleiben, die sich vom Islam als Religion distanziert haben und das Wort „Muslim“ nur noch als ethnische Kategorie oder zur Kennzeichnung ihrer Herkunftskultur verwenden. Das hat zum Beispiel die Studie Muslimisches Leben in Deutschland 2020 des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) versucht, mit der Schlussfolgerung, dass der Bevölkerungsanteil der Muslime zwischen 6,4 und 6,7 % liege.21 Doch so einfach ist das nicht. Denn der Übergang zwischen „Religion“ und „Kultur“ ist unscharf und fließend. Vielleicht gibt es hier in den Augen mancher Befragter auch keinen Unterschied. Dass „Religion“ etwas anderes sei als „Kultur“, ist nicht eine gegebene Tatsache, sondern eine soziale Realitätskonstruktion. Es ist fraglich, ob die semantische Operation „Religion vs. Kultur“ in einer Interviewsituation gut gelingen kann, und insofern sind auch die Ergebnisse dieser Studie zu hinterfragen.
Unter Verwendung eines nochmals anderen Operationsmessers, das sogar „konfessionslosen Muslimen“ – oder sind es muslimische Konfessionslose? – die Tür zur „Religionsgemeinschaft Islam“ öffnet, nimmt der Religionsmonitor 2023 von Bertelsmann sogar einen Bevölkerungsanteil der Muslime von 8,5 % an.22 Die beiden letztgenannten Studien greifen womöglich auch deshalb bei den Zahlen zu hoch, weil sie hohes Vertrauen in die Einwohnermelderegister setzen und die vom Zensus 2011 aufgezeigte Fortschreibungsproblematik bei sich nicht abmeldenden, in die Heimatländer zurückkehrenden Migrant:innen nicht zureichend erwägen. Wieder andere Kalkulationen der „Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland“ (fowid) gehen von einem Bevölkerungsanteil von 3,6 % für Muslime als Religionsgemeinschaft aus.23
Zusammenfassend kann gesagt werden: Der Bevölkerungsanteil der Muslime in Deutschland liegt irgendwo zwischen 0,5 und 8,5 %, je nach Definition und Methodik. Wenn aus all dem ein sinnvoller Schluss gezogen werden soll, dann derjenige, dass die Suche nach einem exakten Prozentwert beim Islam müßig und nicht zielführend ist. Der Islam kann als soziales Phänomen nicht mit einem Religionsbegriff erfasst werden, der durch die Sozialform christlicher Kirchen deutlich vorgeformt ist. Ein präziser Prozentwert lässt sich in dieser Konstellation per se, schon aus theoretischen Gründen, nicht angeben, weil Maßstab und Gegenstand nicht gut zueinander passen.
Das ließe sich auch – nochmals in anderen Facetten – für die anderen hier relevanten größeren nichtchristlichen Religionsgemeinschaften mit Migrationshintergrund behaupten und durchdeklinieren, insbesondere für diejenigen aus dem Mittleren und Fernen Osten. Darauf soll an dieser Stelle aber verzichtet werden.
Als Residualkategorie wurde oben für die Summe aller nichtchristlichen Religionsgemeinschaften – durch Subtraktion aller anderen, einfacher zu handhabenden Kategorien von 100 % – ein Bevölkerungsanteil von insgesamt 5,6 % errechnet. Es ist eine einigermaßen plausible Annahme, dass davon 0,2 % auf religiöse Bewegungen in der autochthonen Bevölkerung entfallen und vom verbleibenden Rest mit Migrationshintergrund 3,8 bis 4,5 % auf den Islam sowie 0,9 bis 1,6 % auf andere nichtchristliche migrantische Religionsgemeinschaften. Diese Spannweiten loten die Relation aus, die üblicherweise für das relative Größenverhältnis zwischen Islam und anderen nichtchristlichen migrantischen Religionsgemeinschaften für Deutschland angenommen wird, ohne dass dafür wirklich verlässliche absolute Zahlen vorliegen – und wegen der genannten konzeptionellen Probleme auch zukünftig gar nicht vorliegen können.
Bilanz und Fazit
Die Nachkommastellen suggerieren bei vielen in diesem Beitrag genannten Werten eine Genauigkeit, die angesichts der vorhandenen Unsicherheiten oft nicht gerechtfertigt ist. In der Berechnungsphase war das Operieren mit Nachkommastellen sinnvoll, im Fazit hingegen soll darauf verzichtet werden. Für den Stichtag 31. Dezember 2022 kann folgende Verteilung der Religionsgemeinschaften in Deutschland angenommen werden:
römisch-katholische Kirche 25 %
Gliedkirchen der EKD 23 %
andere überwiegend autochthone christliche Religionsgemeinschaften 2 %
andere überwiegend postmigrantische christliche Religions-
gemeinschaften 2 %
Islam 4 %
andere überwiegend migrantische nichtchristliche Religions-
gemeinschaften 1 %
Konfessionslose 43 %
Vernachlässigbar gering und deshalb in dieser Zusammenfassung nicht ausgewiesen (die Rundung würde zu 0 % führen) sind nichtchristliche Religionsgemeinschaften ohne Migrationshintergrund und nichtreligiöse Weltanschauungsgemeinschaften. Setzen sich die in den letzten Jahren recht stabil feststellbaren Trends fort (und davon ist auszugehen), dann werden sich diese Zahlen in einer Hinsicht rasch verändern: Bei den Konfessionslosen werden pro Kalenderjahr etwa 1 bis 2 Prozentpunkte hinzukommen, die jeweils etwa zur Hälfte von den Katholischen und den Evangelischen (EKD) abgehen.
Edgar Wunder, Hannover 02.08.2023
Anmerkungen
- Mitteilung der EKD vom 7.3.2023: Anhaltend hoher Mitgliederverlust bleibt Herausforderung für evangelische Kirche, https://www.ekd.de/ekd-veroeffentlicht-mitgliederzahlen-2022-77746.htm (letzter Abruf aller in diesem Beitrag genannten Internetseiten: 15.7.2023).
- Mitteilung der Deutschen Bischofskonferenz vom 28.6.2023: Kirchenstatistik 2022, www.dbk.de/presse/aktuelles/meldung/kirchenstatistik-2022.
- Mitteilung der Statistischen Bundesamts vom 19.1.2023: Bevölkerung im Jahr 2022 auf 84,3 Millionen gewachsen, www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2023/01/PD23_026_124.html.
- Mitteilung der Statistischen Bundesamts vom 30.5.2013: 80,2 Millionen Einwohner lebten am 9. Mai 2011 in Deutschland, https://www.zensus2011.de/SharedDocs/Aktuelles/Pressemitteilung_des_Statistischen_Bundesamtes.html.
- In dieser Angabe ist zum Beispiel eine große Zahl von aus der Ukraine geflüchteten Menschen enthalten, über deren zwischenzeitliche Rückkehr in die Ukraine nur ein mangelhafter Überblick besteht. Hinzu kommt noch das Problem, dass die deutschen Kommunalverwaltungen kaum motiviert sind, eventuell unbemerkten Wegzügen systematisch nachzugehen, weil sie pro Einwohner finanzielle Zuweisungen erhalten.
- 22,7 % = 19,15/84,3 Millionen. Da die 84,3 Millionen überschätzt sind, während die 19,15 Millionen realistisch sein dürften (weil die unbemerkt in ihre Herkunftsländer zurückkehrenden Ausländer:innen in aller Regel keine evangelische Religionszugehörigkeit haben), ist der reale Prozentwert als höher anzunehmen.
- Eine Überhöhung ist bei Katholiken unwahrscheinlicher, weil unter den quantitativ relevanten Rückkehrländern viele katholisch dominiert sind (z. B. Polen). Es ist nicht möglich, diese Prozentwerte für Evangelische und Katholische durch repräsentative Bevölkerungsumfragen weiter zu präzisieren, weil dazu die statistische Unsicherheit bei der beschränkten Fallzahl der Stichproben zu hoch ist.
- Menschen mit Migrationshintergrund beteiligen sich zum Beispiel aufgrund von sprachlichen Barrieren, schwierigerer Erreichbarkeit oder geringerer Akzeptanz weniger an solchen Befragungen. Vgl. Ulrich Weih u. a.: (Unter-)Repräsentation von Migrantinnen und Migranten in Umfragen und Panels, Ernährungs-Umschau 5 (2022), M278–M279.
- Auch bei der für repräsentative Stichproben hohen Fallzahl von N = 5282 darf dieser Wert nicht als exakte Größe verstanden werden, sondern er ist mit einer gewissen statistischen Unsicherheit behaftet und indiziert insofern lediglich die Größenordnung des tatsächlichen Werts. Der Religionswissenschaftliche Medien- und Informationsdienst e. V. (REMID) hat eigene Angaben zahlreicher dieser Kirchen zu deren Mitgliederzahlen zusammengetragen (Mitgliederzahlen: Protestantismus, 30.5.2014, geändert 29.11.2021, https://www.remid.de/info_zahlen/protestantismus), die aber zu erheblichen Teilen unzuverlässig oder veraltet sind; auch Doppelmitgliedschaften sind nicht auszuschließen. Es dürfte angesichts der Unsicherheit der Qualität dieser Datenquellen und der starken Zersplitterung der zahlreichen Gruppierungen in diesem Feld besser sein, den sich aus einer großen Repräsentativbefragung ergebenden Wert als Grundlage zu nehmen. Auch die 2021 mit ähnlicher Fallzahl erhobene letzte „Allgemeine Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften“ (ALLBUS) kommt für die darunter sicher größte Gruppe der Freikirchen auf einen Wert von etwa 2 %.
- Mitgliederzahlen: Orthodoxe, Orientalische und Unierte Kirchen, 30.5.2014, geändert 22.6.2022, https://www.remid.de/info_zahlen/orthodoxie/. Im Übrigen unterliegen Selbstauskünfte von Religionsgemeinschaften, zu erheblichen Teilen ohne Führung nachvollziehbarer und mit amtlichen Daten abgeglichener Mitgliederverzeichnisse, tendenziell der Gefahr überhöhter Angaben.
- Es sind allerdings auch Ausnahmen von dieser Regel zu notieren. Denn seit dem 19. Jahrhundert finden sich in Deutschland freikirchliche Gruppierungen, die jede körperschaftliche Organisation der christlichen Gemeinde ablehnen, weshalb sie auch keine formale Mitgliedschaft kennen. In dieser Traditionslinie stehen heute etwa noch die Brüdergemeinden, zu denen in Deutschland immerhin einige Tausend Menschen zu zählen sein dürften. Ansonsten wären exemplarisch einige neopentekostale Gemeinden oder „Churches“ zu nennen wie die „Hillsong Church“, die „International Christian Fellowship“ (ICF) oder die „C3-Church“. Wie viele Menschen ihnen zugehören, weiß niemand. Aber man liegt vermutlich nicht völlig falsch, wenn man die Zahl der Angehörigen dieser Freikirchen ohne formale Mitgliedschaft in Deutschland insgesamt niedrig sechsstellig ansetzt.
- Evangelische Kirche in Deutschland (Hg.): Religiöse Bildung angesichts von Konfessionslosigkeit. Aufgaben und Chancen (Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt, 2020), 14. Unter den Bezeichnungen für Menschen, die keiner Religionsgemeinschaft angehören, erscheint der Ausdruck „Konfessionslose“ als am weitesten verbreitet und angemessen. Er beinhaltet keine pejorative Abwertung, nicht anders als zum Beispiel der Begriff „parteilos“ in der Berichterstattung über Kandidierende bei Wahlen. Dagegen impliziert meines Erachtens der Begriff „konfessionsfrei“, der innerhalb von atheistisch-humanistischen Weltanschauungsgemeinschaften bevorzugt wird, eine vermeintliche Unfreiheit der Konfessionsgebundenen (vgl. ebd., 33) und ist wegen dieser pejorativen Aufladung eher ungeeignet.
- In der sechsten KMU wurden bewusst etwas mehr Ostdeutsche befragt, als es ihrem Bevölkerungsanteil entspricht, um auch für relevante Teilstichproben in Ostdeutschland statistisch valide Aussagen treffen zu können. Aufgrund der Überrepräsentation des vorwiegend konfessionslosen Ostens beträgt der Konfessionslosenanteil in der ungewichteten Gesamtstichprobe der sechsten KMU 45,1 %. Wird durch einen Gewichtungsfaktor die Ost-Überrepräsentation wieder beseitigt, erhält man den korrekten Wert von 42,5 %. Da die Konfessionslosigkeit im Kalenderjahr 2022 um insgesamt 2,2 Prozentpunkte zugenommen hat, pro Monat also um etwa 0,2 Prozentpunkte, ist zum 31.12. der Wert auf 42,7 % zu erhöhen. Das stimmt gut mit den von der „Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland“ (fowid) geschätzten Zahlen überein. Hingegen ist anzunehmen, dass die von der Bertelsmann Stiftung für den Juni 2022 im Rahmen des Religionsmonitor angenommenen 35,9 % (vgl. Marcel Müke/Ulf Tranow/Annette Schnabel/Yasemin El-Menouar: Religionsmonitor 2023. Zusammenleben in religiöser Vielfalt [Gütersloh: Bertelsmann Stiftung, 2023], 16) eine artifizielle Unterschätzung darstellen. Sie könnte darauf zurückgehen, dass die Konfessionslosen als Residualkategorie behandelt wurden, nachdem zunächst ein überhöhter Anteil von Muslimen in den Datensatz hinein gewichtet wurde, im Vertrauen darauf, dass die hier zugrunde liegende onomastische Einwohnermeldeamtsregisterstichprobe den Bevölkerungsanteil der Muslime korrekt erschließt. Das ist aber aufgrund des schon im Zensus 2011 festgestellten Fortschreibungsproblems fraglich: Die Melderegister dürften nach wie vor zahlreiche Muslime enthalten, die zwischenzeitlich in ihre Heimatländer zurückgekehrt sind, sich aber nicht abgemeldet haben.
- Michael Blume: Islam in der Krise (Ostfildern: Patmos, 2017).
- Zur Kritik am Konstrukt der „Weltreligionen“ siehe Tomoko Masuzawa: The Invention of World Religions (Chicago: University of Chicago Press, 2005), sowie Christopher Cotter/David Robertson: After World Religions (London: Routledge, 2016). Damit verwandt und ebenfalls für eine Gegenwartsanalyse von Religion unbrauchbar ist das sogenannte „Stammbaummodell“ von Religion, dessen Probleme sich so skizzieren lassen: „Das statische Religionsmodell und die von ihm implizierten klaren Grenzen zwischen Religionen können exemplarisch am Stammbaummodell von Religion veranschaulicht werden. Dieses Modell nimmt an, dass jede Religion historisch eindeutig verortbare Ursprünge hat […]. Die Annahme der Freilegbarkeit ihrer historischen Wurzeln suggeriert gleichzeitig, dass Religionen klar von anderen Religionen sowie von nichtreligiösen Phänomenen unterschieden werden können. Beziehungen zwischen Religionen werden über die Bestimmung von Ursprüngen, Einflüssen, Schismen und Verschmelzungen geklärt, ‚Religionen‘ dadurch analytisch zerlegt und systematisch geordnet. Das Problem dieses Modells ist sein impliziter Essenzialismus, in Bezug auf die Inhalte und Grenzen religiöser Traditionen. […] Dadurch läuft man aber Gefahr, der Hybridität religiöser Traditionen im Verhältnis zueinander sowie der faktischen Verquickung religiöser und nicht-religiöser Praktiken und Diskurse auch in der Moderne zu wenig Aufmerksamkeit zuzuwenden oder gar zu einer Reifikation des Religiösen beizutragen“ (vgl. Markus Dreßler: Religion und religiöse Tradition. Unterscheidungsdiskurse zu den Grenzen des Islam, Zeitschrift für Religionswissenschaft 28,1 [2019], 48–77, 64).
- Mitgliederzahlen: Buddhismus, 20.5.2014, geändert 22.6.2022, https://www.remid.de/info_zahlen/buddhismus/.
- Katrin Pfündel/Anja Stichs/Kerstin Tanis: Muslimisches Leben in Deutschland 2020 (Nürnberg: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, 2021), 225.
- Blume: Islam in der Krise, 33.
- Blume: Islam in der Krise, 148.
- Pfündel/Stichs/Tanis: Muslimisches Leben in Deutschland, 83.
- Pfündel/Stichs/Tanis: Muslimisches Leben in Deutschland, 37.
- Müke u. a., Religionsmonitor 2023, 16.
- Religionszugehörigkeiten 2021, 24.8.2022, https://fowid.de/meldung/religionszugehoerigkeiten-2021.