Liane Bednarz

Die Angstprediger. Wie rechte Christen Gesellschaft und Kirchen unterwandern

Liane Bednarz, Die Angstprediger. Wie rechte Christen Gesellschaft und Kirchen unterwandern, Droemer Verlag, München 2018, 256 Seiten, 16,99 Euro.

Ein nicht unerheblicher, aber dennoch kleiner Teil der Christen in Deutschland sympathisiert mit rechtspopulistischem bzw. neurechtem Gedankengut oder vertritt es offen. Bei der Bundestagswahl 2017 z. B. haben rund 10 % der christlichen Wähler ihr Kreuz der AfD gegeben; einer Partei also, die von vielen als Prototyp rechtspopulistischer Politik angesehen wird. Aber auch unabhängig davon lässt sich in zahlreichen christlichen Zeitschriften, Blogs, Predigten, Vereinen, Initiativen u. v. m. die Zuneigung zu solchen Positionen deutlich erkennen.

Doch wie ist es überhaupt zu dieser Verbindung zwischen Christen und Rechtspopulisten/Neurechten gekommen? Was sind die Motive und Gründe? Wie sehen die (personellen) Zusammenschlüsse aus? Auf diese und ähnliche Fragen antwortet die Autorin. Sie versteht ihr Buch nicht als „Pranger“, sondern sie will eine „Debatte anstoßen“, indem „typische Feindbilder und Thesen der Vordenker rechter Christen“ vorgestellt und „ihre Verbindungen in das neurechte Milieu hinein dargestellt“ werden (11).

Einen der Türöffner für das neurechte Gedankengut in das bis dahin so einheitliche christlich-konservative Milieu sieht die Autorin in dem 2010 erschienenen Buch „Deutschland schafft sich ab“ von Thilo Sarrazin, das den seit der Gründung der Bundesrepublik vorhandenen Richtungsstreit zweier konservativer Milieus, eines mit bundesrepublikanischer Prägung und eines in der Tradition der Rechtsintellektuellen der Weimarer Republik, erstmalig und in voller Wucht an die Oberfläche gebracht hat. Der bundesrepublikanische Konservativismus ist wegen „seiner liberal-konservativen Spielart, anders als das rechte Denken gerade nicht reaktionär und klammert sich deshalb auch nicht an das Alte um des bloßen Alten willens“, sondern er ist „bestimmten Werten verpflichtet und verlangt, dass das Neue sich erst einmal als dem Alten gegenüber überlegen erweisen muss“ (29). Sich konservativ verstehende Christen haben sich z. T. also schon seit der Nachkriegszeit (unbewusst) in der Tradition einer neurechten Denke, eines „Rechtskonservativismus“ bewegt, der auf den drei Säulen Antiliberalismus, Ethnopluralismus und Antipluralismus steht und aufgrund der politischen Entwicklungen der letzten Jahre immer stärker zum Vorschein gekommen ist.

Den größten Teil des Buchs nimmt die Darstellung der Themen, Feindbilder und Akteure der sog. Angstprediger ein, deren „politreligiöse“ (56) Einstellung, d. h. die fehlende Trennung zwischen religiöser und politischer Sphäre und die Übertragung des religiösen Wahrheitsanspruchs auf die Politik, zu verbitterten Kämpfen ohne Kompromissbereitschaft führt. Die zentralen Themen sind u. a. der Kampf gegen Gender-Mainstreaming/Gender Diversity, Abtreibung, „Ehe für alle“, Flüchtlinge, Islam sowie Staatsmedien und Altparteien. Die Autorin zeigt an vielen Einzelfällen, wie die absolut gesetzten Vorannahmen oft eine kritische Auseinandersetzung mit den einzelnen Themen verhindert, und widerlegt stichhaltig einige der in der Szene oft vorgebrachten Falsch- bzw. Desinformationen wie z. B. die Behauptung, dass im Zuge der „Frühsexualisierung unserer Kinder“ in der Schule ein Puff nachgebaut werden solle – tatsächlich taucht das Buch, aus dem die Idee stammt, in keinem der Bundesländer als Empfehlung/Richtlinie auf. Was es aber tatsächlich gibt, ist eine vielfältigere Aufklärungsarbeit über Sexualität (103f).

In einem letzten Abschnitt werden die Mitstreiter der sog. Angstprediger untersucht. Dabei zeigt die Autorin die Nähe vieler rechtskonservativer Christen zu PEGIDA und ihren Ablegern auf; zwar bestätigen nur wenige affirmativ ihre Sympathien, zeigen ihre Zuneigung aber durch das Verteidigen der Bewegung gegenüber ihren Kritikern (191f). Zudem geht die Autorin der Frage nach, warum die AfD für viele rechtskonservative Christen so attraktiv ist, und untersucht den Antiklerikalismus, der sich bei vielen einstellt, sobald die Kirchenoberhäupter von der rechtskonservativen Sichtweise abweichen. Als Aufgaben der Kirche in den nächsten Jahren sieht sie dabei die „Unterscheidung der innerkirchlichen Geister, die klare Trennung zwischen konservativ und rechts [… sowie] die Integration Konservativer“ (212).

Detailreich, mit der notwendigen Differenzierung und an vielen, oft aufwändig und gründlich recherchierten Einzelfällen zeigt Liane Bednarz rechtspopulistische bzw. neurechte Tendenzen in einzelnen Teilen der christlichen Szene auf. Sorgfältig unterscheidet sie zwischen den Akteuren und betont mit Nachdruck, dass auch zahlreiche konservative Christen den neurechten Tendenzen eindeutig entgegentreten.

Das große Verdienst der Autorin ist das Aufmerksam-Machen auf ein wichtiges, aber bisher kaum beachtetes Thema. Die Gefahr, dass immer mehr Konservative (noch) weiter nach rechts rücken, wenn ihre Anliegen nicht gehört und ernst genommen werden, darf nicht ignoriert werden. In diesem Sinne ist das Buch Weckruf und Warnung zugleich – eine Warnung allerdings, der es an tieferer theoretischer Fundierung fehlt. Das Kriterien- und Analyseraster bleibt für den Leser oft schwammig und die Auswahl der Zitate wirkt stellenweise beliebig. Anstatt das Korpus in die Breite auszudehnen, wäre vermutlich für die Nachvollziehbarkeit eine tiefergehende Beschäftigung mit einzelnen Akteuren nach klar definierten Kriterien und die Einordnung der Ergebnisse in einen größeren Zusammenhang hilfreicher gewesen. Dadurch hätte vielleicht auch die inkonsequente Nutzung der eingeführten Terminologie verhindert werden können, und die oft guten und hilfreichen Differenzierungen/Argumente wären noch besser zum Vorschein gebracht worden.

Zugegeben, es handelt sich nicht um ein Sachbuch, sondern um eine Zusammenstellung von Äußerungen bzw. Beobachtungen über rechtskonservative Christen, ihre Milieus bzw. Themen und deren Interpretation durch die Autorin. An dieser stärker subjektiven Ausrichtung muss das Buch auch gemessen werden: Nicht jede Aussage ist ein Fakt, sondern spiegelt eben die Meinung der Autorin wider. Um von einer Unterwanderung der Gesellschaft und der Kirchen durch rechte (!) Christen zu sprechen (Untertitel), braucht es dann allerdings doch mehr. Nichtsdestotrotz: Die Debatte wurde angestoßen – und hoffentlich nehmen viele daran teil.


Philipp Kohler, Stuttgart