Die Davis-Methode - ein umstrittenes Behandlungsverfahren bei Legasthenie
Die Davis-Methode – ein umstrittenes Behandlungsverfahren bei Legasthenie. Die Lese-Rechtschreib-Störung zählt zu den häufigsten Entwicklungsstörungen. Der deutsche Legasthenie-Fachverband geht davon aus, dass hierzulande 4 Prozent der Schüler davon betroffen sind. Weil das Störungsbild vielschichtig ist, liegen unterschiedliche Behandlungsmethoden vor. Eines von zahlreichen alternativtherapeutischen Verfahren ist die „Davis-Methode“. Ihr Begründer, Ronald D. Davis (geb. 1942), war laut eigenen Angaben früher selbst Legastheniker. Mittlerweile ist diese Methode in einer Vielzahl von Ländern vertreten, wobei sich der Fokus von der reinen Legasthenie-Behandlung auf weitere Störungsbilder ausgeweitet hat. Dazu gehören Dyskalkulie (Rechenschwäche), ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung) und neuerdings auch Autismus.
Die Davis-Methode beruht auf der Annahme, dass Legastheniker eine völlig andere Wahrnehmung und Denkweise haben als andere Menschen. Dazu gehöre beispielsweise eine betont bildliche, nichtbegriffliche Denkweise mit einer plastischen Vorstellungskraft. Dadurch sollen die Gedanken als ein reales Geschehen erlebt werden. Durch das intensive Erleben stelle sich eine „Desorientierung“ ein, die damit begründet wird, dass ein sogenanntes „geistiges Auge“, das als Zentrum der Wahrnehmung verstanden wird, sich verschiebe. Neben Lese- und Rechtschreibproblemen sollen durch die Verschiebung auch Schwindelgefühle und Ohrgeräusche ausgelöst werden und – als positiver Effekt – übersinnliche Fähigkeiten auftreten können.
Die Lösung der Problematik beruht bei der Davis-Methode auf speziellen Trainingskursen, für die ein Zeitraum von fünf Tagen mit jeweils fünf bis sechs Stunden Training veranschlagt wird. Ein sog. Orientierungstraining soll den Legastheniker dazu befähigen, seine Desorientierung selbständig zu beenden, indem er sein geistiges Auge am sogenannten Orientierungspunkt verankert. 1
Im Sommer 2016 hat das Oberlandesgericht in Nürnberg einen mehrjährigen Rechtsstreit um diese Methode beendet. Eine Elterngruppe hatte einen Waldorflehrer verklagt, weil dieser Leistungsstörungen bei ihren Kindern diagnostiziert und empfohlen habe, kostenpflichtige Kurse der Davis-Methode bei seiner Ehefrau zu buchen. Die Elterngruppe darf nach dem Nürnberger Gerichtsurteil weiter behaupten, dass der Pädagoge für eine umstrittene Behandlungsmethode für Schüler mit Lernproblemen geworben habe.
Michael Utsch
Anmerkungen
- Für eine kritische Einschätzung vgl. Christina Hanauer, Davis-Methode, www.weltanschauungsfragen.de/informationen/informationen-a-z/informationen-d/davis-methode.