Harald Lamprecht

Die Geister, die ich rief ...

Spiritistische Experimente im Unterricht?

Spiritistische Praktiken, vor allem Pendeln und Gläserrücken, sind bei Jugendlichen weit verbreitet. Statistische Untersuchungen besagen, dass ca. ein Viertel bis ein Drittel der Jugendlichen eigene Erfahrungen mit solchen Techniken gemacht haben1, viele andere haben durch Erzählungen davon gehört. Einschlägige Seancen finden bevorzugt bei außerunterrichtlichem Zusammensein statt, z.B. bei Klassenfahrten. Das Ergebnis solcher Experimente ist oft eine Mischung aus Faszination und Erschrecken über die mit der Geisterhypothese erklärten Wirkungen.

Die religionspädagogische Praxis sieht sich im Umgang mit diesen Phänomenen im Unterricht immer wieder vor Probleme gestellt. Zwar ist das Interesse der Jugendlichen an diesem Bereich ungewöhnlich hoch. Aber es zeigt sich oft, dass aus diesem Grund ein allein theoretisch-aufklärender Ansatz nicht in der Lage ist, die mitgebrachten und z.T. eingeübten spiritistischen Denkschemata zu überwinden. Eigene Experimente wären nötig, um der okkulten Erfahrung andere Erfahrungen entgegen zu setzen. Aber werden dadurch die Jugendlichen nicht erst an solche Praktiken herangeführt? Darf man spiritistische Experimente im Unterricht durchführen? Was ist dabei zu bedenken? Worauf sollte man achten?
 

1. Kräfte und Bewegungen (physikalische Prinzipien)

Grundlegend für spiritistische Experimente von Jugendlichen ist häufig eine mehr oder weniger deutlich ausgebildete Geisterhypothese: Durch das Ritual angelockt, erscheinen Geister, die die Bewegungen von Pendel oder Glas veranlassen und auf diese Weise Auskünfte aus jenseitigen Welten geben. Dabei wird oft (unreflektiert) vorausgesetzt, dass diese Geister über eine höhere Intelligenz verfügen, so dass sie ohne Weiteres etwa die Zukunft vorhersagen können.

Die Annahme von Geistwirkungen resultiert wesentlich aus der Unkenntnis der physikalischen Prinzipien, die diesen Phänomenen zugrunde liegen. Aber es sind nicht in erster Linie die fehlenden physikalischen Erklärungen, die zur Annahme von Geistwirkungen führen. Vielmehr wird an Geistwirkungen geglaubt, weil man an sie glauben will, und die fraglichen Phänomene werden nur erzeugt, um eine von vornherein angenommene Existenz von Geistern zu beweisen. Wenn das Pendel schwingt bzw. das Glas zuckt, dann ist dieser Beweis erbracht: Jetzt sind Geister anwesend.

Eine solche Logik braucht keine alternativen Erklärungen und sucht sie folglich auch nicht. Das wäre aber überaus lohnend, denn mit Physik und Psychologie lassen sich zwar nicht alle, aber doch die häufigsten Phänomene durchaus befriedigend erklären.
 

Pendel

Das Wesen eines Pendels besteht darin, minimale Impulse an einem Ende, wenn sie nur im richtigen Rhythmus auftreten, zu gut sichtbaren Pendelbewegungen zu verstärken.2 Diese für die Bewegung nötigen Impulse erhält das Pendel – bewusst oder auch unbewusst – durch die Person, die das Pendel hält. Ein Pendel allein an einem Stativ schwingt nicht. Da helfen auch keine Geister. Weil es nicht möglich ist, ein Pendel in der Hand absolut ruhig zu halten, ergeben sich immer ausreichende Bewegungsimpulse, um es in Schwingung zu versetzen. Verantwortlich dafür sind u.a. das Muskelzittern oder auch der Kapillarpuls in den Blutgefäßen der Finger. Es ist lediglich eine Trainingsfrage, diese Impulse zeitlich minimal so zu variieren, dass eine bestimmte Schwingungsrichtung verstärkt wird. Darum kommen geübte Pendler zu wesentlich schnelleren und deutlicheren Resultaten als Anfänger.

Wichtig ist: dieser Vorgang muss nicht bewusst gesteuert werden. Der menschliche Körper neigt dazu, eine Bewegung, die man sich vorstellt, auch tatsächlich auszuführen, wenn auch in abgeschwächter Weise. Wer einmal einen Patienten gefüttert hat, kennt den Effekt: der eigene Mund geht mit auf und zu, wenn man das nicht mit Mühe unterdrückt. Für das Pendel kann es darum ausreichen, eine bestimmte Pendelbewegung zu erhoffen (oder zu befürchten), damit sie sich bald darauf auch einstellt. Auf diese Weise entstehen die mitunter verblüffenden Effekte einer scheinbaren „höheren Intelligenz“ des Pendels: Bei entsprechender Übung kann es tatsächlich sinnvolle Antworten geben und scheint auch geheime Dinge zu wissen. Es sind aber nur die im menschlichen Unterbewusstsein verborgenen Hoffnungen und Ängste, die es sichtbar zu machen vermag. Tatsächlich wird ein Pendel niemals die Zukunft selbst offenbaren, sondern höchstens anzeigen, was der Pendler von der Zukunft erhofft oder befürchtet. Eine höhere Intelligenz als die der pendelnden Person ist dabei nicht im Spiel.
 

Gläserrücken

Beim Gläserrücken ist die Sachlage etwas komplizierter, da hier nicht ein einzelnes Individuum, sondern die Psychodynamik einer ganzen Gruppe für die vermeintliche Intelligenz des Glases verantwortlich ist.3 Die physikalischen Grundlagen der zustande gekommenen Bewegung sind allerdings ähnlich. Auch hier gilt das Prinzip, dass die für das Auslösen der Bewegung tatsächlich benötigte Kraft viel geringer ist, als man meint. Niemand muss das Glas mit Absicht schieben, damit es über den Tisch rutscht. Die Reibung eines umgedrehten Glases auf einer glatten Tischoberfläche ist sehr gering. Wenn nun die Teilnehmer reihum ihre Finger auf das Glas legen, reicht allein das Gewicht der Finger (besonders wenn allmählich die Arme schwer werden), um eine Bewegung des Glases auszulösen. Da sich die beteiligten Kräfte summieren, genügt ein subjektiv nicht spürbarer Druck, damit das Glas sich in eine Richtung bewegt, in die gar kein Finger zeigt. Für die Beteiligten entsteht der Eindruck, das Glas würde gleichsam gezogen. Dieser Effekt sorgt oft für die größte Verblüffung und wird als Beweis dafür angesehen, dass andere, „höhere“ Kräfte das Glas schieben. Die körperliche Beteiligung des eigenen Fingers, durch die man das Unglaubliche förmlich zu spüren meint, verstärkt dabei den emotionalen Eindruck des Geschehens.

Als gruppendynamische Praxis sind die Effekte und Merkwürdigkeiten beim Gläserrücken deutlich größer als beim Pendeln. Zum einen ist der rituelle Aufwand, der um das eigentliche Experiment herum getrieben wird, meist nicht unerheblich. Da werden Vorhänge zugezogen, Kerzen aufgestellt, mitunter magische Schutzkreise gezogen und mehr oder weniger umfangreiche Anrufungen rezitiert. Dies bleibt nicht ohne Folgen auf die psychische Grundstimmung der Beteiligten.

Zum anderen sind – wiederum bei geübten Gruppen deutlicher – die Resultate mitunter noch verblüffender als beim Pendeln. Das Glas kann gelegentlich richtige Antworten geben, die nur einem (in seltenen Fällen sogar niemandem) aus der beteiligten Gruppe bekannt sind. Erklärungsansätze für dieses Phänomen gehen davon aus, dass es auf der psychischen Ebene unbewusste Abstimmungsvorgänge innerhalb der Gruppe gibt, die in ihrer Struktur noch nicht erforscht, in ihrer Wirkung aber durchaus sichtbar sind. Zum Beispiel bei Vogel- und Fischschwärmen kann man das Prinzip sog. sich selbst organisierender Systeme sehr gut beobachten, das offenbar auch beim Gläserrücken zum Tragen kommt. Obwohl unter den einzelnen Fischen oder Vögeln eines Schwarmes keine erkennbare Kommunikation besteht, verhalten sie sich wie ein gemeinsamer Organismus. In einer Seance bildet sich bei den Teilnehmern offenbar auch ein solches selbstorganisierendes System heraus, das die Impulse der einzelnen Teilnehmer koordiniert, so dass das Glas sich koordiniert bewegt und Antworten zutage fördert, die irgendwo in der Gruppe als Gesamtheit vorhanden sind. (Über deren Wahrheitsgehalt ist damit noch nichts ausgesagt.) Eine solche Gruppenorganisation setzt voraus, dass die Teilnehmer psychisch harmonieren. Darum kann – wie immer wieder berichtet wird – ein negativ eingestellter Teilnehmer das Experiment scheitern lassen, weil die nötige Abstimmung nicht zustande kommt.
 

2. Geister und Wirkungen (theologische Aspekte)

Die Existenz von Geistern und Geistwirkungen ist mit alldem keineswegs widerlegt. Zum einen wäre es methodisch schwierig, die Nichtexistenz von Geistern grundsätzlich beweisen zu wollen. Zum anderen ist dies auch gar nicht nötig. Der christliche Glaube geht durchaus davon aus, dass es außerhalb des mit wissenschaftlichen Methoden erforschten Teiles der Wirklichkeit noch andere Realitäten geben kann. Wenn wir im Glaubensbekenntnis von Nizäa und Konstantinopel bekennen, dass Gott der Schöpfer der sichtbaren und der unsichtbaren Welt ist, dann ist davon etwas ausgedrückt. In einem christlichen Weltbild ist auch für übersinnliche Erfahrungen Platz, die deshalb aber keineswegs alle übernatürliche Erfahrungen sein müssen. Innerhalb der Schöpfung gibt es vieles, was wir nicht durchschauen, und es gibt keinen Grund, solche Elemente zu vergöttern oder zu verteufeln.

In der Bibel wird es verboten, Dinge der Schöpfung zu Götzen zu erheben, indem man sie verehrt und von ihnen Rat und Hilfe erhofft. Das gilt für einen grünen Baum ebenso wie für den unsichtbaren Teil der Schöpfung. Einem Pendel oder einem umgedrehten Glas (bzw. einem dahinter vermuteten Geistwesen) eine höhere Intelligenz zuzuschreiben und es um Rat zu fragen, ist darum nicht nur ein menschlicher Irrtum, sondern auch eine Untreue gegenüber Gott.

Ebenso gibt es keinen Grund, in den Phänomenen als solchen eine unmittelbar dämonische Wirksamkeit zu erblicken. Unerklärliches ist nicht automatisch übernatürlich, sondern in erster Linie erklärungsbedürftig. Warum werden Gott oft nur die Wirkungen zugestanden, die man zu durchschauen meint? Auch hinter außergewöhnlichen Phänomenen können Kräfte stehen, die in den Bereich der Schöpfungswirklichkeit gehören. Als solche sind sie freilich (ebenso wie andere Dinge der Schöpfung) offen für einen Gebrauch zum Guten wie für einen Missbrauch zum Bösen. Wenn eine Jugendliche vorab das Ergebnis ihrer Klassenarbeit auspendelt und durch das niederschmetternde Ergebnis in ihrem Leistungswillen gebremst wird, kann diese Wirkung theologisch gesprochen durchaus als dämonisch bezeichnet werden. Die Unfreiheit zur eigenen Entscheidung aufgrund des Vertrauens in das untaugliche Mittel des Pendels kann mitunter weitreichende Folgen für das künftige Leben haben. Wenn ein Maurer auf der Baustelle die Ausrichtung des Mauerwerkes mit einem Lot prüft, hält er physikalisch ein ähnliches Gerät in der Hand. Es hätte dramatische Folgen, würde er das Lot nicht benutzen. Die Gefahr geht also nicht von dem Gegenstand als solchem aus, sondern von seinem Gebrauch. Der Zweck und die Absicht, mit der ich bestimmte Dinge in der Physik (= Schöpfung) benutze, ist entscheidend für deren moralische und geistliche Qualität. Ebenso wie ich ein Messer zum Brotschneiden oder als Mordwaffe benutzen kann, ist ein Pendel zur Demonstration von Schwingungsgesetzen oder als Orakeltechnik zu gebrauchen. Darum wäre auch ein Pendelexperiment im Schulunterricht, das die Absicht hat, das psychophysikalische Wirkprinzip zu erklären, keine okkulte Praxis. Das Pendelexperiment, das dieselbe Schulklasse möglicherweise zwei Wochen vorher im Landheim unternommen hat, um den neuen Freund einer Schülerin zu bestimmen, wäre es hingegen sehr wohl. Die eigene Erwartungshaltung, die wiederum abhängig ist von dem Vorverständnis und dem Wissen über die dahinterliegenden Zusammenhänge entscheidet über den Charakter eines solchen Experiments. Mit anderen Worten: Die Unwissenheit über die physikalischen Zusammenhänge kann dazu führen, dass ein Bereich der Schöpfungswirklichkeit Gott ab- und dem Teufel zugesprochen wird. Eine solche Zuschreibung vergrößert automatisch das Unheimliche und das Angstpotenzial, das mit einer Methode verbunden wird. Die Angst wiederum, auch wenn sie zunächst als gewollter Gruseleffekt daherkommt, führt zu Unfreiheit und Abhängigkeit. Auf solche Weise gewinnt das Dämonische tatsächlich Macht über die Menschen, die Techniken seiner Anrufung benutzen. Der zerstörerische Einfluss ist in manchen Fällen von dramatischer Deutlichkeit. Er hängt aber ursächlich damit zusammen, dass dem Okkulten über die eigene Erwartungshaltung aktiv Raum gegeben wurde. Das Aufbrechen der Angst und die Entzauberung des Unheimlichen in diesem Bereich ist darum eine wichtige religionspädagogische Aufgabe.4

Der hier vorgestellte Ansatz räumt der persönlichen Intention eine zentrale Bedeutung ein. Auf den Punkt gebracht, könnte man sagen: Das Pendel wird (nur) dann zur okkulten Praxis, wenn man ihm glaubt. Dagegen wird gelegentlich argumentiert, die okkulten Kräfte würden wirken, egal ob man an sie glaubt oder nicht, wenn man sich auf okkulte Praktiken einlasse. An einem Feuer verbrennt man sich, auch wenn man nicht daran glaubt, dass es heiß ist. Das Beispiel will sagen, dass die dämonische Bedrohung real mit der okkulten Technik verknüpft sei, wie das Feuer mit seiner Hitze. Dabei stimmt aber die Zuordnung nicht, denn wie das Feuer mit seiner Hitze ist auch die Technik (Pendel, Glas) mit der entsprechenden Bewegung verknüpft – und diese stellt sich relativ unabhängig vom Glauben an die Technik ein.
 

3. Möglichkeiten und Grenzen (praktische Überlegungen)

Im Sinne eines ganzheitlichen Bildungsansatzes ist klar, dass allein das Reden über physikalische Prinzipien und das theoretische Vorstellen von Grundlagen bei weitem nicht die Überzeugungskraft eigener experimenteller Erfahrungen besitzt. Darum gibt es immer wieder Überlegungen, auch diesen Bereich des Unterrichts experimentell zu begleiten. Allerdings sind dabei wichtige Regeln zu beachten.

1. Freiwilligkeit: Der Schulunterricht ist eine Pflichtveranstaltung, der sich kein Schüler ohne weiteres entziehen kann. Die Experimente müssen darum auf das Vorverständnis und eine Gewissensbindung der Schüler Rücksicht nehmen. Falls Schüler in der Klasse davon überzeugt sind, dass ein Pendelexperiment eine okkulte Praxis sei, die sie mit dem Dämonischen in Verbindung bringen würde, dürfen sie keinesfalls gegen ihr Gewissen zur Teilnahme an solch einem Experiment gezwungen werden.

2. Die Eltern: Auch Eltern können ein magisch-okkultes Vorverständnis der Techniken haben, weshalb die Durchführung solcher Experimente im Unterricht erhebliche Proteststürme auslösen kann. Die Berücksichtigung dieses Faktors und gegebenenfalls eine vorbereitende Einbeziehung der Eltern ist darum anzuraten. Allerdings hat eine vorgefasste Meinung der Eltern nicht die gleiche Priorität wie das Gewissen der Schüler, d. h. bereitwillige Schüler dürfen nicht generell durch Sorgen von Eltern, die den Schulunterricht nicht kennen, von eigenen Lernerfahrungen abgehalten werden. Begleitende Elterngespräche sind in solchen Fällen jedoch unverzichtbar.

3. Vollständigkeit: Das Herzstück eines solchen Experimentes ist die Auswertung! Die Lehren aus dem Experiment müssen gezogen und gefestigt werden. Ein mangelhaft ausgewertetes Experiment ist viel schlimmer als gar keines. Darum ist an dieser Stelle genügend Vorbereitung zu investieren und genug Zeit zu reservieren, damit die Auswertung auch in unmittelbarer Nähe zum Experiment erfolgen kann.

4. Außenwirkung beachten: Das Ziel eines Pendelexperiments ist seine Entzauberung, nicht seine Verharmlosung. Wenn Schüler nach der Stunde nur erzählen: „Wir haben im Unterricht gependelt“, dann ist die Außenwirkung verharmlosend – etwa im Sinne: „dann ist das ja ungefährlich und wir können es auch ausprobieren…“ In okkulter Interpretation ist das Pendeln aber nicht ungefährlich. Darum ist eine Lernzielkontrolle unverzichtbar.

5. Anregung oder Bewahrpädagogik? Nicht selten wird gegen solche Experimente oder gar gegen die Behandlung des Themas überhaupt damit argumentiert, dass man es dadurch erst interessant machen würde. Jugendliche, die damit noch nicht in Berührung gekommen seien, würden so erst darauf gestoßen, dass es da einen Bereich für spannende eigene Experimente gibt. Diesem Argument ist entgegenzuhalten, dass die Aufklärung über die Hintergründe solcher Okkultpraktiken wesentlich erfolgreicher sein kann, wenn sie vor eigenen Erfahrungen in dieser Richtung erfolgt. Andernfalls müssen bereits antrainierte Denkweisen („Aber ich habe doch erlebt, dass der Geist da war, das Glas hat sich doch bewegt!“) erst mühsam überwunden werden, um Jugendliche für alternative Erklärungen zu öffnen. Bei einem Erstkontakt im Unterrichtskontext kann den Phänomenen enorm viel von ihrer Attraktivität genommen werden. Darauf, dass die Jugendlichen mit solchen Praktiken nie in Kontakt kommen, sollte sich keine verantwortliche Pädagogik verlassen wollen.

Der klassische Aufbau eines Pendelexperiments teilt die Klasse in (mindestens) zwei auch räumlich getrennte Gruppen, die jeweils für sich experimentieren.5

(a) Zunächst wird der Testaufbau beschrieben: Es soll herausgefunden werden, ob das Pendel in der Lage ist, z.B. das Geschlecht einer auf einem Foto abgebildeten Person herauszufinden. Dabei bedeutet eine schwingende Pendelbewegung männliches Geschlecht, während Kreisbewegungen weibliche Personen anzeigen. Es ist nicht nötig (und auch nicht empfehlenswert), dass die Lehrkraft in diesem Zusammenhang die Geisterhypothese aufnimmt (etwa in Äußerungen wie „Der Geist müsste doch sehen können, welches Geschlecht die Person hat…“). Dies kann besser in der Auswertung diskutiert werden.

(b) Dann sollen die Jugendlichen ruhig eine Weile experimentieren, auch mit verschiedenen Fotos Testreihen durchführen, deren Ergebnisse notiert werden, um Zufallstreffer auszuschließen. Bei viel Zeit lassen sich auch Varianten probieren, z.B. dass die Fotos verdeckt aufgelegt werden, so dass der Pendler nicht weiß, was darunter ist. Die Zuverlässigkeit der Treffer wird dann nachlassen (wobei die Wahrscheinlichkeit von richtigen Zufallstreffern immer noch 50 Prozent beträgt!) Der zweiten Gruppe werden gegenteilige Instruktionen gegeben: Kreiseln bedeutet männlich, Hin-und-her-Schwingen bedeutet weiblich. Wenn das Experiment gelingt, werden beide Gruppen feststellen, dass das Pendel (bei sichtbarem Bild) nach etwas Übung tatsächlich einigermaßen zuverlässig das Geschlecht anzeigen kann. Das Zwischenfazit: „Pendeln hat funktioniert.“ kann an dieser Stelle ruhig gezogen werden.

(c) Beide Gruppen werden wieder zusammengebracht und bezeugen sich gegenseitig diesen Sachverhalt. Dann muss die Auflösung der gegenteiligen Instruktionen erfolgen und mit den Jugendlichen diskutiert werden, was es bedeutet, dass das Pendel in beiden Gruppen sich gemäß den Erwartungen verhalten hat, obwohl diese gegensätzlich waren. Dies ist der wichtigste Punkt des ganzen Experiments! Hier muss die Lernerfahrung stattfinden, dass das Pendel eben nicht von höherer Intelligenz, sondern von den Vorstellungen der jeweiligen Pendler maßgeblich beeinflusst wird. Hier kann jetzt kritisch die Geisterhypothese hinterfragt werden, gegebenenfalls auch in Auswertung der Testreihen mit verdeckten Bildern (aber Achtung: für höhere Intelligenz sprächen erst signifikant über der Zufallswahrscheinlichkeit liegende Treffer). Diese Phase sollte so breit konzipiert werden, bis auch der Letzte das Ergebnis begriffen hat. Vielleicht sollte mit dem Direktor abgesprochen werden, dass nicht gerade eine unangemeldete Brandschutzübung die Durchführung von Teil C verhindert. Das wäre ähnlich fatal wie eine noch kurz in die letzten drei Minuten vor dem Klingeln gedrückte Auswertung. Dann bliebe bei den Jugendlichen nur das Zwischenfazit hängen – das Gegenteil von dem eigentlich beabsichtigten Lerneffekt.

Von ähnlich gelagerten schulischen Experimenten mit dem Gläserrücken muss demgegenüber abgeraten werden. Dies hängt vor allem damit zusammen, dass das Gläserrücken als gruppendynamischer Prozess in seinem Verlauf viel weniger planbar und kontrollierbar ist als das vergleichsweise zuverlässige Pendelexperiment. Auch ist es traditionell viel stärker als das Pendeln, für das auch andere (zum Beispiel esoterische) Deutungsrahmen existieren, mit der Geisterhypothese verbunden. Insofern sind die zu erwartenden Widerstände und Gewissenskonflikte größer.

Wichtig ist, dass die Experimente oder Erklärungen nicht mit der Absicht vorgenommen werden, beweisen zu wollen, dass die okkulte Technik nicht funktioniert, sondern dass Erklärungen dafür gegeben werden, warum sie scheinbar funktionieren, aber daraus dennoch keine tragfähige Lebenshilfe gewonnen werden kann. Eine solcherart verantwortliche Beschäftigung mit diesen Phänomenen wird sich dann nicht dem Vorwurf der Verharmlosung aussetzen lassen, wenn sie auch die Problematik falscher Lebenshilfe ausreichend behandelt.

Heinz Streib hat darauf hingewiesen, dass die religionspädagogische Behandlung der Okkultfaszination die Kraft der beteiligten Symbole nicht außer Acht lassen darf.6 Dazu gehört einerseits die Entzauberung durch die religionsgeschichtliche Einordnung der populären Symbole des Bösen (Teufel, Hölle, Dämonen). Deren relativ späte Entstehung, häufige Veränderung in der Religionsgeschichte und die marginale Stellung in der neutestamentlichen Theologie kann zu ihrer Relativierung beitragen. Die in diesen Symbolen ausgedrückten und nach wie vor aktuellen Inhalte (Versuchungen des Bösen, von Macht und Geld etc.) können dann bewusst gemacht werden.

Um die Erfahrungsdimension der Okkultfaszination auf der anderen Seite einzuholen und nicht nur trockene Aufklärung dagegen setzen zu können, empfiehlt Streib andererseits die symboldidaktische Aufnahme des Symbols des Geistes. „Wenn also das Thema der Okkultfaszination ‚Angst’ heißt, so könnte die symboldidaktische Antwort im Symbol des Geistes als Geist der Freiheit, der Freimütigkeit, der Furchtlosigkeit, des Mutes sein. … Wenn das Thema der Okkultfaszination ‚Unübersichtlichkeit’ heißt, ist nach dem Wunder der inneren Weisung gefragt, nach dem Symbol des Geistes, der die Menschen erleuchtet. … Wenn schließlich das Thema der Okkultfaszination ‚Desintegration’ heißt, dann steckt dahinter die Frage nach dem Wunder der Heilung – auch als Frage nach dem Geist, der Heil, Heilung und Schalom bringt.“7 Die Besinnung auf Erfahrungen der helfenden Kraft des Geistes Gottes kann Lösungswege für die Bewältigung von Lebensthemen der Jugendlichen öffnen, die sie zuvor zur Okkultfaszination geführt hatten.
 

Anmerkungen

1 Zur Unsicherheit der Zahlen und der Bandbreite der Studienergebnisse vgl. Heinz Streib, Jugendokkultismus. Überblick über die empirische Forschung, in: Werner H. Ritter, Heinz Streib, Okkulte Faszination. Symbole des Bösen und Perspektiven der Entzauberung, Neukirchen-Vluyn 1997, 15-24.

2 Wolfram Janzen / H.-J. Ruppert, Der Pendel – spricht er die Wahrheit?, in: Panorama der neuen Religiosität, hg. von R. Hempelmann u.a., Berlin 22005, 222ff.

3 Zum Hintergrund sog. psychischer Automatismen vgl. insgesamt: Johannes Mischo, Okkultismus bei Jugendlichen. Ergebnisse einer empirischen Untersuchung, Mainz 1991.

4 Die Gefahren der Okkultangst haben Annette Kick und Hansjörg Hemminger deutlich herausgearbeitet: Geister, Mächte, Engel, Dämonen. Zum christlichen Umgang mit dem modernen Okkultismus, EZW-Texte 171, Berlin 2003.

5 Wolfgang Hund, Das gibt’s doch gar nicht. Okkultismus im Experiment, Mühlheim an der Ruhr 1998, enthält verschiedene Materialien für Experimente im Unterricht.

6 Heinz Streib, Religionsunterricht als Praxis der Entzauberung. Symboldidaktik angesichts der Okkultfaszination, in: Ritter/Streib, Okkulte Faszination, 84ff.

7 Heinz Streib, ebd., 87.