„Die Hütte - Ein Wochenende mit Gott“
Eine Filmrezension
Im Jahr 2007 veröffentlichte der kanadische Schriftsteller William Paul Young das Buch „The Shack“ („Die Hütte – Ein Wochenende mit Gott“). Binnen weniger Jahre avancierte das Buch zum Bestseller, Ende 2016 erreichte es eine Auflage von 22 Millionen Exemplaren.1 Young schrieb den Roman ursprünglich für seine sechs Kinder. Erst auf Drängen von Freunden veröffentlichte er das Manuskript – im Selbstverlag, weil sich kein anderer Verlag dafür fand.
Young wuchs mit seinen Eltern, die Missionare waren, in Niederländisch-Neuguinea bei den Dani auf. In einem Nachwort zum Roman schreibt er von einer Kindheit voll von „sexuellem Missbrauch, Vernachlässigung und nächtlichen Schrecken“ (292) und von einer „Jugend mit Suchtverhalten und Geheimnissen“ (292). Als Erwachsener habe er sich „auf einem schmalen Grat zwischen Selbstmord und Flucht“ (292) bewegt. „1994 entgleiste mein Lebenszug völlig, mit verheerenden Resultaten“ (292). Mithilfe seines Glaubens und seiner Familie fand Young den Weg zurück ins Leben.
Der Roman
Im Roman lässt Young sich selbst als „Willie“, als Freund und Ghostwriter des Protagonisten Mackenzie Allen Phillips (Mack), auftreten. Dieser ist Vater mehrerer Kinder und mit Nan verheiratet. Bei einem Ausflug, zu dem er allein mit dreien seiner Kinder aufbricht, kommt es zu einem Kanu-Unfall. Mack kann zwar Josh und Kate retten, lässt aber während der Rettungsaktion seine jüngste Tochter Missy unbeobachtet. Als er zurückkehrt, ist Missy verschwunden. Im Laufe der polizeilichen Ermittlungen wird klar, dass ein Serienkiller sie entführt und ermordet hat; die Leiche wird nicht gefunden, aber Missys blutverschmiertes Kleid wird in einer alten Hütte an einem See in der Wildnis aufgefunden.
Dreieinhalb Jahre später – über Mack hat sich die „große Traurigkeit“ gelegt – erhält er überraschend einen Brief, der ihn zu einem Wochenende in diese Hütte einlädt. Unterschrieben ist der Brief mit „Papa“, jenem Namen, den Macks Frau Nan für Gott verwendet. Mack entschließt sich, es auf einen Versuch ankommen zu lassen, und macht sich – ohne es seiner Familie zu sagen – auf den Weg zur Hütte.
Dort, am Ort seiner größten Verzweiflung, spielt er mit dem Gedanken, sich das Leben zu nehmen. Dann aber erscheint Gott tatsächlich: als afroamerikanische Frau namens Elousia, als Hebräer namens Yeshua und als Asiatin namens Sarayu („Wind“). In verschiedenen Gesprächen mit diesen drei Figuren an unterschiedlichen Orten rund um die Hütte und den See entfaltet Young die beiden Themen „Trinität“ und „Theodizee“ in Form einer narrativen Theologie: In einem Gespräch mit „Papa“ etwa wird die Dreieinigkeit besprochen; als Mack mit Jesus in der Nacht am Bootssteg die Sterne betrachtet, sprechen sie über die Einwohnung Gottes im Menschen. Beim Frühstück mit Gott wird die These entfaltet, dass Gott das Böse aus Respekt vor der menschlichen Freiheit nicht verhindere, es aber stets zum Guten führe. Auch eine Begegnung mit Sophia, der göttlichen Weisheit, kommt vor: Mack soll als Richter über die menschliche Gattung und letztlich über Gott richten. Im Verlauf des Wochenendes kommt es zur Versöhnung mit Gott, der Mack auch dabei hilft, dem Mörder seiner Tochter zu vergeben. Schließlich führt Gott (diesmal in der Gestalt eines Vaters) Mack zur nie gefundenen Leiche seiner Missy, und sie wird in einem von Jesus gezimmerten hölzernen Sarg in einem üppigen Garten beerdigt.
Am Ende erwacht Mack wieder in der verlassenen Hütte wie nach einem Traum. Auf dem Rückweg zu seiner Familie erleidet er einen Verkehrsunfall, den er jedoch überlebt. Seine Frau Nan glaubt ihm seine Geschichte.
Christen aus dem konservativen Lager haben den Roman aus mehreren Gründen kritisiert. In seinem Traktat „Gott zum Anfassen? Die Hütte und die ‚Neue Spiritualität‘“2 hat z. B. Georg Walter Gründe gesammelt, „warum dieses Buch nicht empfehlenswert ist“ (95). So kritisiert er die „Unterschwellige Antipathie gegen die Bibel und die biblische Lehre“ (96), die „Abwertung der christlichen Kirche und Gemeinde“ (96) und die Tatsache, dass Mack seinem verstorbenen Vater begegnet (vgl. 105).
Die Verfilmung
Der Film „Die Hütte – Ein Wochenende mit Gott“ (seit April in deutschen Kinos) wurde 2016 von dem Regisseur Stuart Hazeldine verfilmt. Die Rolle des Mack wird von Sam Worthington (bekannt aus „Avatar“) gespielt, Elousia von der Oscar-Preisträgerin Octavia Spencer. Der Film folgt der Handlung und den Gesprächen des Buches weitgehend, auch wenn einige theologisch interessante Szenen des Romans aus vermutlich dramaturgischen Gründen weggelassen wurden (etwa ein Gespräch zwischen Mack und Sarayu in einem Kanu über die Rechtfertigung und die Zehn Gebote als Sündenspiegel). Zudem gibt es kleinere Modifikationen: Eine Szene etwa, in der Mack gestattet wird, mit den Augen Gottes zu sehen, wird im Buch arg esoterisch beschrieben: Mack sieht dort plötzlich auf einem Feld eine große Zahl verschiedener Geschöpfe; sie alle – Tiere, Kinder, Erwachsene und Engel – scheinen eine Art Aura um sich herum zu haben. Dort versöhnt sich Mack mit seinem bereits verstorbenen, zu Lebzeiten alkoholkranken und gewalttätigen Vater. Im Film ist diese Szene stark gekürzt und kommt somit weniger kitschig daher.
Beurteilung
Die Frage, ob die Trinität im Film angemessen dargestellt wird, ist berechtigt. Einerseits bricht Young mehrfach mit traditionellen Gottesbildern, indem er Gott als afroamerikanische Frau erscheinen lässt, die zudem auf den Namen „Papa“ hört, nicht als alten weißen Mann mit Bart. Andererseits wird durch die drei Figuren Elousia, Jesus und Sarayu eher der Eindruck einer christlichen Vielgötterei vermittelt, noch dazu wenn Gott von sich selbst als „wir“ spricht.
Young versucht sich auch am großen Thema der Theodizee: Wie soll Mack als Christ damit umgehen, dass seine Tochter von einem Serienmörder umgebracht wurde? Youngs zentrale Antwort, die im Buch m. E. noch stärker als im Film vorgetragen wird, zielt auf die Entscheidungsfreiheit des Menschen ab: Da Gott die menschliche Freiheit über alles respektiere, müsse er die aus der Sünde der Gottesferne resultierenden Entscheidungen der Menschen und ihre bösen Folgen zulassen – während er zugleich dafür Sorge trage, dass aus allem Bösen schließlich Gutes und Segensreiches erwachse (so etwa im Kapitel „Frühstück für Helden“). Konsequenterweise votiert Young implizit für die Allversöhnungslehre.
Die These vom Leiden in der Welt als Preis für die Willensfreiheit des Menschen ist nur eine von insgesamt etwa einem Dutzend weiterer Erklärungsversuche aus der Geschichte der Theologie für das Theodizee-Problem. Sie überzeugt ebenso wenig wie die anderen Thesen. So war schon allein die Idee der Willensfreiheit in der Theologiegeschichte umstritten. Martin Luther und der Humanist Erasmus von Rotterdam haben sich im 16. Jahrhundert über die Frage der menschlichen Willensfreiheit in geistlichen Dingen erbittert gestritten, und Luther hatte sich in seiner Schrift „De servo arbitrio“ von 1525 als Erwiderung auf Erasmus‘ „De libero arbitrio“ von 1524 dafür ausgesprochen, den Menschen als ein Reittier zu betrachten, das im Blick auf das ewige Heil entweder von Gott oder vom Teufel geritten wird. Auch wenn Aufklärung und Moderne eher Erasmus gefolgt sind, lassen heutige humanwissenschaftliche Erkenntnisse neue Zweifel an der völlig undeterminierten Willensfreiheit des Menschen aufkommen3, sodass die These vom Leiden in der Welt als Preis für die Willensfreiheit des Menschen eher auf wackeligen Füßen steht. Überdies ist sie nicht in der Lage, das natürliche Böse zu erklären – dass Menschen etwa an unverschuldeten Infektionskrankheiten oder durch Naturkatastrophen sterben.
Im Film wird die Theodizee-Frage übrigens schwerpunktmäßig aus einer anderen Perspektive heraus beantwortet (obgleich auch diese Antwort im Roman vorkommt): Mack erkennt – v. a. im Gespräch mit Sophia – dass es ihm nicht zusteht, über die Menschheit und letztlich über Gott zu richten. Würde er das tun, müsste er in letzter Konsequenz auch über seine eigenen Kinder Kate und Josh richten.
Wie bereits erwähnt kommen einige der theologisch interessanten Szenen im Film nicht vor, müssen aber bei einer Beurteilung des Werkes dennoch berücksichtigt werden. Besonders erwähnenswert sind m. E. die Passagen, in denen Young das Thema Gesetz behandelt. Einerseits stellt Young/Sarayu die Zehn Gebote als Spiegel für die Sünden der Menschen dar (so im Kapitel „Verben und andere Freiheiten“) – das entspricht dem, was in der Theologie als „usus theologicus“ des Gesetzes bezeichnet wird. Andererseits bestreitet Young/Jesus letztlich den in der Theologie so genannten „usus legis civilis“ und damit die Funktion des Gesetzes, Böses durch Strafandrohung im weltlichen Bereich zu verhindern. So ist der Young‘sche Jesus ein Gegner aller Institutionen und menschlichen Gesetze. Einmal sagt er im Roman zu Mack: „Wie schon gesagt, ich erschaffe keine Institutionen. Das ist eine Beschäftigung jener Menschen, die gerne Gott spielen wollen. Ja, du hast recht, ich halte nicht viel von Religion … Und auch nicht von Politik und Ökonomie“ (206).
Die hier geäußerte Position scheint mir allerdings eher Ausdruck der quasi ur-US-amerikanischen Angst vor jeder Form staatlicher oder institutionalisierter Bevormundung als theologisch gerechtfertigt zu sein (obgleich es natürlich auch eine lange Geschichte des theologischen Antinomismus gibt). Ein Blick auf die erst nach vielen Jahren und mit erheblichem Widerstand durchgesetzte, halbwegs funktionierende staatlich geregelte Krankenversicherung in den USA („Obamacare“) und das Debakel ihrer Fast-Abschaffung oder Bald-Abschaffung unter Trump illustriert diese Haltung zur Genüge. Das liberale Waffenrecht der USA mag als weiteres Beispiel dienen. So frage ich mich: Was wäre geschehen, wenn Macks Tochter nicht von einem pathologischen Serienmörder umgebracht worden wäre, sondern von einem durchschnittlichen Jugendlichen aus dem „white trash“, der an seiner Highschool mit frei zugänglichen Waffen ein Massaker veranstaltet hat? Hätte der Young‘sche Jesus dann eher die politischen und gesellschaftlichen Dimensionen des Bösen im Blick gehabt und womöglich erkannt, dass Gesetze, gesellschaftliche Institutionen und politische Auseinandersetzungen nicht nur die Freiheiten des Individuums begrenzen, sondern zugleich ein Gemeinwesen zu schützen in der Lage sind?
Ästhetisch erinnert mich der Film an andere aus US-amerikanischen christlichen Milieus stammende Filme wie etwa „Den Himmel gibt’s echt“ (2014, Regie: Randall Wallace). Etwa, wenn Macks Frau Nan während des Singens im sonntäglichen Gottesdienst inbrünstig die Augen schließt oder wenn Elousia, Jesus und Sarayu beim Abendessen mehr oder weniger unentwegt lächeln, freundlich sind und Gott sozusagen mit sich selbst Spaß hat und im Reinen ist.
Sicherlich ist die im Film gezeigte Ästhetik dazu geeignet, in bestimmten US-amerikanischen christlichen Kreisen als erbaulich rezipiert zu werden. Außerhalb dieser Kreise dürfte der Film eher Befremden hervorrufen. Kein Wunder, wenn Britta Schmeis von epd-Film urteilt: „Erbaulicher Hochglanzkitsch“4.
Es sollte daran erinnert werden, dass Young ursprünglich nur seine eigene religiöse Sicht auf das Leben in Form einer sehr persönlichen Geschichte an seine Kinder weitergeben wollte. An eine apologetische Zielsetzung – an eine Rechtfertigung des christlichen Glaubens oder gar Gottes – hatte er womöglich nicht gedacht.
Als der Roman allerdings zum Bestseller wurde und Hollywood sich daranmachte, den Stoff zu verfilmen, hätte die Frage, inwiefern sich der Roman unter apologetischem Vorzeichen bewähren würde, gestellt werden müssen. Hier funktioniert der Film m. E. nicht: Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass ein pragmatisch eingestellter, christlich kaum sozialisierter Zeitgenosse, der gerade in einer schweren Lebenskrise steckt, durch den Kinobesuch dazu angeregt wird, es jetzt mit Gott zu versuchen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein atheistischer Humanist durch den Film zum Glauben geführt wird. Die Ästhetik des Films und die langatmigen Gespräche dürften eher dazu geeignet sein, das Gegenteil zu bewirken.
Die Antworten, die der Film auf die großen Fragen nach der Trinität und der Theodizee zu geben versucht, überzeugen nicht einmal mich – und das, obwohl ich Christ bin. Die Rechtfertigung Gottes bzw. des christlichen Glaubens an Gott angesichts des Leidens der Welt gelingt dem Film m. E. nicht.
Würdigung
Alle hier geäußerte Kritik schmälert nicht das Verdienst Youngs. Dass er es geschafft hat, zwei der schwierigsten Topoi der christlichen Theologie (Trinität und Theodizee) in narrativer Form einem großen Publikum nahezubringen, nötig Respekt ab. Dass der Roman von Hollywood und mit Weltstars verfilmt wurde, umso mehr.
Als Einstieg in ein Gespräch über die großen Themen des Lebens, etwa im Religionsunterricht der Oberstufe oder im Rahmen der kirchlichen Erwachsenenbildung, eignet sich der Film gut. Ergänzt durch die begleitende Lektüre des Romans wäre er auch im Rahmen eines Glaubenskurses ein spannender Ausgangspunkt weiterführender theologischer Gespräche. Man sollte nur nicht erwarten, dass der Film theologisch-inhaltlich oder ästhetisch oder durch seinen Unterhaltungswert überzeugt oder die Herzen aller Menschen für Gott öffnet.
Haringke Fugmann, Bayreuth
Anmerkungen
- Vgl. http://theshackresources.com/about (letzter Abruf der in diesem Beitrag angegebenen Internetseiten: 3.4.2017).
- Bielefeld 2010, www.cbuch.de/georg-walter-gott-zum-anfassen-die-huette.html.
- Vgl. www.spektrum.de/alias/r-hauptkategorie/hirngespinst-willensfreiheit/968930 ; vgl. auch: „Wir sind nur Maschinen“, Spiegel-Gespräch mit Michael Gazzaniga, in: Der Spiegel 50/2011, 149-152.
- www.filmstarts.de/kritiken/220986/pressespiegel .