Die Säkularität des Staates und die Religion
Am 10. August 1736, am Rande der wöchentlichen Parade des königlich-preußischen Garderegiments in Berlin, kommt es zu einem denkwürdigen Gespräch: Kronprinz Friedrich, der später als „Friedrich der Große“ in die Geschichte eingehen wird, konfrontiert seinen geistigen Mentor, den Grafen von Manteuffel, mit seiner Abkehr vom Glauben an die Unsterblichkeit der Seele. Der Graf ist bestürzt, auch wenn er schon länger von der Neigung seines Schützlings zum Denken der französisch-radikalen Aufklärung wusste, auch davon, dass diesem eine handschriftliche Fassung der in Frankreich noch verbotenen „lettres philosophiques“ Voltaires zugespielt wurde. Warum ist der Graf so bestürzt? Hier geht es weniger um den persönlichen Glauben von Friedrich, auch nicht um eine philosophische oder theologische Bestreitung eines sich von heteronomen Bindungen befreienden aufklärerischen Vernunftdenkens, das den Geist der Zeit, gerade auch in Preußen, schon vielfach prägte. Vielmehr: Es geht um die politische Sicherung des Staates, dessen Regent der Kronprinz einst sein wird. Auf dem Spiel steht die politische Dimension des Glaubens an die Unsterblichkeit der Seele. Fällt dieser Glaube, so fällt ein fundamentales Sicherungsinstrument monarchischer Herrschaft.
Der Glaube an die Unsterblichkeit der Seele war ein politisch-funktionales Postulat auch einer von aufklärerischem Vernunftdenken geprägten politischen Philosophie, die zeitgenössisch ihre höchste Entfaltung im Werk des „Meisterdenkers“ philosophischer Aufklärung, Christian Wolff, fand. Für Wolff bedurfte der Staat zu seiner Begründung nicht mehr der Herleitung aus einem göttlichen Willen. Er ruhte vielmehr auf einem zwischen Herrscher und Volk geschlossenen, ganz innerweltlichen Vertragsverhältnis. Aber zur Sicherung des öffentlichen Lebens und zur Sicherung der Herrschaft war für Wolff Religion „im gemeinen Wesen ein unverzichtbares Erfordernis, wofern man daselbst Zucht und Gerechtigkeit will befördert wissen“. Also galt: „Herrschaft musste hier zwar nicht mehr religiös begründet werden, bedurfte zu ihrer Durchsetzung aber sehr wohl des christlichen Offenbarungsglaubens.“ Doch nicht nur aufseiten der Beherrschten war die Bindung an den Glauben an die Unsterblichkeit der Seele ein unaufgebbares politisches Erfordernis – dies galt in zumindest gleicher Dringlichkeit auch für den Herrscher selbst. Denn erst im Glauben an die Unsterblichkeit der Seele und der darauf gründenden Gottesfurcht „wurde eine Rechenschaftspflicht post mortem auch des absoluten Herrschers denkbar. ‚Und weil die christliche Religion versichert’, so heißt es bei Wolff, ‚dass nach diesem Leben ein anderes Leben ist, da ein Jeder wird Rechenschaft geben müssen, von dem, was er in diesem Leben getan hat, und danach empfangen, was seine Taten wert sind, auch die höchste Obrigkeit davon nicht ausgenommen wird, so erkennt man die Vortrefflichkeit der christlichen Religion und ist sonderlich in diesem Falle dienlich, wenn auch Obrigkeiten ein Eifer und Ernst hierfür beigebracht wird‘.“
Es ist hier nicht zu berichten, wie der geistige „Kampf um Kronprinz Friedrich“ weitergeführt wurde. Auch ist in Umrissen bekannt, dass nicht der christliche Aufklärer Wolff, sondern in mancher Hinsicht der Agnostiker Voltaire den „Sieg“ davongetragen und die geistigen Orientierungen des späteren Königs vielfach bestimmt hat. Aber an dem hier beschriebenen Fall lässt sich exemplarisch festhalten: Es geht nicht um eine bloße Episode, vielmehr bezeichnet der Vorgang eine bedeutsame Stufe in der Entwicklung des Verhältnisses von Religion und Politik und des Weges hin zu einem rein säkularen Staat. Auf dieser Stufe war schon ein Verständnis des Staates, zumindest im Horizont des politischen Denkens, heraufgezogen, nach dem der Staat der Fundamentierung in einem göttlichen Willen nicht mehr bedarf, aber noch waren in „zivilreligiöser“ Dimension die Botschaften positiver Religion und die Rechtgläubigkeit von Herrscher und Beherrschten ein politisch-funktionales Erfordernis. So zeigt das Beispiel, wie „modern“ und nahe uns die geistig-politische Lage vor über 250 Jahren ist – und wie fremd und fern zugleich: Nahe, weil wir nichts anderes mehr kennen als die rationale Selbstbegründung des säkularen Staates, fern, weil uns die Vorstellung, der Glaube an die Wahrheit christlicher Dogmen sichere den gesellschaftlichen Zusammenhalt, ganz fremd und unverständlich geworden ist. Freilich ließe sich hier schon, bei aller historischer Distanz, die Frage formulieren, die an späterer Stelle eigens aufzugreifen ist: Bedarf gerade auch der säkulare Staat zur Sicherung seiner selbst vorpolitischer Grundierungen und „Glaubenskräfte“?
Sicherung des bürgerlichen Friedens
Säkularität des liberalen Verfassungsstaates heißt: Die Legitimität des Staates ruht nicht auf religiösen (oder weltanschaulichen) Wahrheitsansprüchen, vielmehr kennt der Staat nur eine „Wahrheit“: die Sicherung des bürgerlichen Friedens. Um deswillen ist er da, und um diese Grundaufgabe erfüllen zu können, bedarf er im Wesentlichen dreier Voraussetzungen: des Gewaltmonopols, der Bindung an das positive Recht und – damit verbunden – der prinzipiellen Neutralität (nicht: Indifferenz!) gegenüber religiösen, weltanschaulichen oder politisch-ideologischen Botschaften und Lehren.
Es ist hier nicht der Ort, die Stufen und Stadien der historischen Entwicklung hin zum säkularen Verfassungsstaat näher zu beschreiben – ein Vorgang, der sich nicht bruchlos-linear, sondern in vielfach auch gegenstrebigen Kehren vollzog.2 Der eingangs beschriebene Kampf um den Glauben des Kronprinzen Friedrich bezeichnet eine der Zwischenstufen dieser Entwicklung und gibt Einblick auch in deren ideengeschichtliche und realpolitische Dramatik. Zusammengefasst lässt sich die Geschichte dieser Entwicklung als „Prozeß religionspolitischer Aufklärung“3 beschreiben, in dem sich ideenpolitisch die Scheidung von Religion und Politik und institutionell eine bestimmte Trennung von Kirche und Staat vollzogen. Das Ergebnis dieses Vorgangs religionspolitischer Aufklärung ist die Entkoppelung von religiöser Überzeugung und Bürgerrecht. Denn erst so, durch eine sich durchsetzende Scheidung von Religion und Politik, ließ sich eine befriedete und geschützte bürgerliche Ordnung herstellen und sichern – jenseits der unterschiedlichen, oft in Konfessionskämpfe verstrickten Religionsparteien und ihrer konkurrierenden Wahrheitsansprüche.
In der Logik dieser Entwicklung lag die Vollendung der Säkularität und damit der prinzipiellen Religionsunabhängigkeit des Staates. Diese fanden ihren klarsten Ausdruck darin, dass der Verfassungsstaat westlicher Prägung zur Garantiemacht prinzipieller Religionsfreiheit wurde – wie denn überhaupt die Entwicklung des liberalen Verfassungsstaates der säkularen westlichen Moderne eng mit der Herausbildung des Grundrechtes „Religionsfreiheit“ verwoben ist. Entscheidend hierbei ist, dass das Freiheitsrecht „Religionsfreiheit“ den Bürgern erlaubt, ihren Glauben oder Unglauben leben zu können, ohne dass das bürgerliche Zugehörigkeitsverhältnis dadurch beschädigt oder gefördert würde. Garantiemacht solcher Religionsfreiheit kann der Staat aber nur als „säkularer“, also religionsneutraler Staat sein. Deshalb ist der Verfassungsstaat nicht Heilsgemeinschaft, sondern Rechtsgemeinschaft. In solcher Selbstbegrenzung des Staates, der auf eine eigene religiöse oder sonstige weltanschauliche „Wahrheit“ verzichtet, liegt die Voraussetzung dafür, dass er leisten kann, was er soll: Sicherung des bürgerlichen Friedens und Gewährleistung der Freiheit der Gesellschaftsmitglieder, mit oder ohne religiöse Bindung in Frieden leben zu können. So weist das staatlich zu schützende Grundrecht „Religionsfreiheit“ in zwei Richtungen: Zum einen geht es um „negative Religionsfreiheit“, deren Kern darin besteht, dass kein Bürger zu einem religiösen Bekenntnis oder zu einer Mitgliedschaft in einer Religions- und Weltanschauungsgemeinschaft gezwungen werden kann. Zum anderen geht es um „positive Religionsfreiheit“. Diese bedeutet, gerade wegen des Religionsneutralitätsgebotes des Staates selbst, „den Staatsbürgern die Möglichkeit [zu erhalten], ihren religiös-weltanschaulichen Überzeugungen auch im öffentlichen Leben soweit wie möglich Geltung zu verschaffen“.4
Geradezu lässt sich, daran anschließend, als zumindest diskussionswürdige These vertreten: Der säkulare Staat verhält sich insofern zur Religion zwar neutral, aber nicht grundsätzlich indifferent – ein Befund, den Paul Mikat, einen Kommentar des vormaligen Verfassungsrichters Roman Herzog aufnehmend, so zusammenfasst: „Das Grundrecht Religionsfreiheit berücksichtigt ‚das Bedürfnis des Menschen nach weltanschaulicher Orientierung und Ausrichtung seines Lebens’, woraus Roman Herzog den bedenkenswerten Schluss zieht, dass der freiheitlich-demokratische, am Fundamentalprinzip der Menschenwürde orientierte Staat schon aufgrund der rechtlichen Anerkennung dieses Bedürfnisses daran gehindert sei, den Kirchen und Religionsgemeinschaften, zu deren wichtigsten Funktionen die Befriedigung dieses grundlegenden anthropologischen Verlangens als Essentiale gehört, insgesamt indifferent oder gar ablehnend gegenüber zu stehen.“5
Abschließend ist hier auf die anhaltend aktualitätsbestimmte Bedeutung dieser modernitätskonstituierenden Bedeutung der Scheidung von Religion und Politik und damit der Säkularität des Staates zu verweisen, durch die erst in dem von Konfessionskriegen zerrütteten Europa der bürgerliche Friede gesichert wurde. Denn nur so wird auch künftig in einer religiös bewegten, möglicherweise sogar in einer durch religiöse Konflikte angespannten Gesellschaft der innere Friede geschützt werden können. Diese für die europäische Entwicklung so fundamentale Unterscheidung von Religion und Politik könnte geradezu zu einem Überlebensimperativ der westlichen Welt werden – für den Fall, dass religiöse Ideen einströmen, die diese Scheidung nicht kennen und sie sich womöglich nicht anverwandeln können oder wollen. Die Unterscheidung Augustinus’ zwischen der civitas Dei und der civitas terrena, Martin Luthers Lehre von den zwei Reichen, die Hobbes’sche Losung „auctoritas non veritas facit legem“ – dies sind, bei aller Differenz, doch die bestimmenden Grundlagen des abendländischen Verhältnisses von Religion und Politik. Diese Grundlagen gilt es neu zu verstehen und unter den heutigen Reallagen neu zu formulieren und womöglich zu verteidigen – als kulturelle Bestände gelungener Aufklärung und als Voraussetzung der Sicherung des inneren bürgerlichen Friedens.
Dies ist deshalb von so elementarer Bedeutung, weil die Unterscheidung von Religion und Politik die Politik und das staatliche Handeln von religiösen oder säkularen Letztbegründungen entlastet. So ist es nicht Aufgabe der Politik, das Heil für die Menschen zu schaffen, sondern sie soll das allgemeine Wohl der Gesellschaftsmitglieder zu befördern oder zu sichern suchen. Ansonsten führt der Weg eines politischen Gemeinwesens in die Theokratie eines religiösen Fundamentalismus – oder in den Totalitarismus politisch säkularer Religionen, der, angetrieben von säkularen Heilsversprechen, im vergangenen Jahrhundert – als Nationalsozialismus oder Kommunismus – seine blutige Spur durch Europa zog.
Der säkulare Staat: „vorpolitische“ Voraussetzungen
Wenn also die Religions- und Weltanschauungsneutralität und damit die Säkularität des liberal-demokratischen Rechtsstaates Bedingung der Sicherung des inneren Friedens und bürgerlicher Freiheit ist, die den Staat „Staat“ und die Religion „Religion“ sein lässt, dann heißt eine der entscheidenden Fragen: Wie lässt sich die Säkularität des Staates sichern?
Die Dringlichkeit dieser Frage und zugleich der erste Schritt zu ihrer Beantwortung erschließt sich erst dann wirklich, wenn wir uns des Risikos bewusst werden, das der freiheitliche Rechtsstaat eingeht und eingehen muss – und damit des Dilemmas, dem er notwendig unterliegt. Dieses Risiko besteht – noch ganz formal betrachtet – darin, dass der freiheitliche Rechtsstaat auf Bürger angewiesen ist, die sich (gewiss nicht nur, aber doch auch) Gemeinwohlinteressen verpflichtet wissen, ohne dass dies, unter den Bedingungen staatlich gewährter Freiheit, staatlich verordnet werden könnte. Und eben darin „zeigt sich ein Dilemma des freiheitlichen Rechtsstaates: Weil er um der Freiheit des Einzelnen willen der Wirksamkeit des Staates enge Grenzen gesetzt hat, ist er kompensatorisch darauf angewiesen, dass die Bürger – aufs Ganze gesehen – von ihren Freiheiten einen vernünftigen wertegebundenen, gemeinschaftsverträglichen, die Bedürfnisse Dritter berücksichtigenden Gebrauch machen. Dieses Dilemma ist der rechtsstaatlichen Verfassungsordnung immanent und kann verfassungsrechtlich nicht aufgelöst werden. Der Staat verlöre sein freiheitliches Ethos, suchte er den richtigen Gebrauch der Freiheit rechtlich zu erzwingen.“6
Diesem Dilemma könnte der Staat somit nur unter der Preisgabe seiner freiheitsgewährenden Neutralität und damit seiner „Säkularität“ entrinnen. Sein Risiko also, das er eingegangen ist, heißt: „Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann.“7 Dieser schon vor 30 Jahren formulierte Satz ist als „Böckenförde-Theorem“ in die einschlägige Literatur eingegangen – häufig geradezu liturgisch zitiert, nicht selten kontrovers diskutiert, worauf nicht näher einzugehen ist.8 Aber in der Konsequenz des von Böckenförde umschriebenen Sachverhaltes kann man auf die oben gestellte Frage eine erste Antwort finden: Wie lässt sich die „Säkularität“ des Staates sichern? Dies kann eben nur dann gewährleistet sein, wenn der Staat und das staatliche Handeln selbst auf Letztbegründungen verzichten, sich der vorpolitischen Voraussetzungen ihrer selbst bewusst sind und sich damit staatlicher Selbstbegrenzung verpflichtet wissen.
Um diesen Befund nicht im Gestrüpp dürrer Generalisierungen zu belassen, lässt er sich am Fall des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland verdeutlichen. Es ist bekannt und häufig beschrieben worden, dass die Entstehung des Grundgesetzes in den unmittelbaren Erfahrungszusammenhang mit der totalitären Gewaltherrschaft des Nationalsozialismus und dem Zusammenbruch von 1945 hineingestellt ist. Ohne nun in die Einzelfragen der Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes gehen zu können, lässt sich in der Formulierung des Bundesverfassungsgerichts zusammenfassen: „Gegenüber der Allmacht des totalitären Staates, der schrankenlose Herrschaft über alle Bereiche des sozialen Lebens für sich beanspruchte und dem bei der Beanspruchung seiner Staatsziele die Rücksicht auch auf das Leben des Einzelnen nichts bedeutete, hat das Grundgesetz eine wertgebundene Ordnung aufgerichtet, die den einzelnen Menschen und seine Würde in den Mittelpunkt seiner Regelung stellt.“9
Aus dieser Zusammenfassung sind insbesondere zwei Stichworte im Kontext unserer Überlegungen von Bedeutung: Im Grundgesetz geht es erstens um Abwehr der Allmacht des Staates, zweitens um eine wertgebundene Ordnung, in der die Würde des Einzelnen im Mittelpunkt steht. Selbstverständlich steht beides in einem inneren Zusammenhang. Denn die Würde des Menschen, seine Freiheit, die Auffassung vom Menschen als Person sind verletzt, wo der Staat in unbegrenztem Zugriff sich des Bürgers als ganzen Menschen bemächtigt. So gehört zur Selbstbegrenzung des Staates und des politischen Handelns, dass das Mitglied des demokratischen Verfassungsstaates mehr ist und mehr sein kann als bloßer Bürger. Freilich lehren historische Erfahrung und Erinnerung, dass staatliche Gewalt, insbesondere wo sie sich durch religiöse und ideologische Wahrheit legimitiert weiß, nicht zur Selbstbegrenzung, sondern zu totalitärer Allmacht neigt. So heißt die Frage nicht nur formal: Wie lässt sich die Säkularität des Staates sichern? Sondern genauer: Wie lässt sich im demokratisch-liberalen Verfassungsstaat die Anerkennung der Würde des Menschen als höchsten Staatszweck und damit die staatliche Selbstbegrenzung sichern?
Warum der liberale Verfassungsstaat selbst dies nicht kann und dass darin das Risiko liegt, dem er unabdingbar ausgesetzt bleibt, ist in den obigen Darlegungen schon deutlich geworden und lässt sich in einer zusammenfassenden Formulierung Hermann Lübbes noch einmal festhalten: „Liberalität als Staatscharakter [ist] die Strukturkonsequenz politisch ausdrücklich anerkannter und dann natürlich auch verfassungsmäßig vollzogener Nicht-Autarkie des Staates.“10 Verfassungsmäßig vollzogene Nicht-Autarkie des Staates – dies meint: In der Verfassung bezieht sich der Staat auf die Voraussetzungen, die er nicht selbst setzen kann, aus denen er aber lebt. Die Anerkennung der nicht disponiblen Würde des Menschen und damit die staatliche Selbstbegrenzung sind solche vorpolitischen und näherhin vorstaatlichen Voraussetzungen. Dies heißt aber dann: Der demokratische Staat hängt in seiner Grundrechtsvoraussetzung selbst von der ethischen Kultur seiner Bürger ab. Der grundrechtsgebundene und damit auch zu religiöser und weltanschaulicher Neutralität verpflichtete Staat ist auf gesellschaftliche Kräfte und Mächte angewiesen, in denen lebendig gehalten wird, worauf er selbst in seiner wertorientierten Verfassung ruht. Die Grundwerte der Verfassung (Freiheit, Würde des Menschen als Person, Schutz des Lebens usw.) müssen kulturell zuhanden sein. Was gesellschaftlich nicht kulturkräftig ist, kann auch staatlich auf Dauer nicht gewährleistet sein.
Damit aber führt das Drama des säkularen Staates, das wir in die Stichworte „Risiko“ und „Dilemma“ gefasst haben, noch in eine ganz andere Dimension. Dies lässt sich hier nicht breiter ausführen, muss aber wenigstens angedeutet werden. Nämlich: Wenn der säkulare Staat als Bedingung seiner freiheitsermöglichenden und friedenserhaltenden Existenz notwendig auf „vorpolitische“ kulturelle Bestände angewiesen ist, dann heißt die Frage: Aus welchen Quellen speist sich die „vorpolitische“ Kultur? Dass etwa die Würde des Menschen „unantastbar“ sei, war im Orientierungshorizont der Entstehung des Grundgesetzes noch (weithin) fraglos eingebettet in eine christliche und christentumsgeschichtlich vermittelte Auffassung vom Menschen. Diese gewann, gerade nach der Erfahrung mit dem nationalsozialistischen Staat und dessen ganz anderer Auffassung vom Menschen, neue fundamentierende Kraft. Christentum und christlicher Humanismus als zu bewahrendes und neu zu gewinnendes Erbe: Dies war etwa für Karl Jaspers 1947 die unaufgebbare Grundlage unserer Kultur, und er durfte damals (weithin) auf die zeitgenössische Zustimmung rechnen: Was „wir sind, sind wir durch biblische Religion und durch die Säkularisierungen, die aus dieser Religion hervorgegangen sind, von den Grundlagen der Humanität bis zu den Motiven der modernen Wissenschaft und zu den Antrieben unserer großen Philosophien. Es ist in der Tat so: Ohne Bibel gleiten wir ins Nichts. Wir können unseren geschichtlichen Ursprung nicht preisgeben.“11
Tempi passati: Welcher Philosoph, auch welcher Theologe könnte derartiges heute formulieren, ohne sich vom zeitgenössischen intellektuellen Milieu ins Abseits gestellt zu sehen? Wie immer es um die Lage des europäischen Christentums in genauerer Analyse bestellt sein mag: Es übt kaum mehr kulturbestimmende Kraft aus. Dann aber heißt die Frage, noch einmal bezogen auf den Grundwert „Würde des Menschen“: In welche geistig-kulturellen Quellen soll dieser Zentralbegriff des Grundgesetzes sich verankern – wenn die christlichen Sinntraditionen und deren säkularisierte Transformationen brüchig werden und womöglich nur noch in musealisierender Rhetorik Echo finden? Dem Ernst dieser Frage entkommt man auch dann nicht, wenn man etwa auf das Verfassungsgericht als bewahrenden Anker der Menschenwürdeauffassung des Grundgesetzes verweist. Denn auch Verfassungen sind Ergebnis historisch-kontingenter Lagen, und ihr Text repräsentiert somit den kulturellen Wertehorizont der Zeit ihrer Entstehung. Wenn solcher Wertehorizont sich wandelt, ändern sich auch die Interpretationen dessen, was „Menschenwürde“ heißen soll – und auch Verfassungsgerichte werden dem folgen und folgen müssen.12 Also: Eine gegenwartsdiagnostische Analyse des säkularen, liberalen Verfassungsstaates – und damit seines in Risiko und Dilemma ablaufenden Dramas – besteht im Kern auch in der Frage nach seinen vorpolitischen Voraussetzungen.
Zum Verhältnis von Staat und Kirche in Deutschland
Wenn der Verfassungsstaat westlicher Prägung – wie beschrieben – nur als säkularer Staat Garantiemacht von Religionsfreiheit sein kann, wenn als sein Konstituens eine bestimmte Scheidung von Religion und Politik unabdingbar ist, dann hat dies notwendig entsprechende Folgen für die Gestaltung des Verhältnisses von Staat und Kirche. Das Staat-Kirche-Verhältnis hat in den europäischen Ländern freilich ganz unterschiedliche Ausprägungen erfahren, die den jeweiligen unterschiedlichen historischen und national-kulturellen Lagen Rechnung trugen.13 Bezogen auf Deutschland seien im Folgenden nur – in knappstem Zugriff – die wesentlichen Grundlinien des Verhältnisses von Kirche und Staat festgehalten.14 Dieses Verhältnis trieb in den verschiedenen Stufen und Stadien der historischen Entwicklung immer mehr auf eine grundsätzliche Trennung von Kirche und Staat hin.15 Diese wurde endgültig in der Weimarer Reichsverfassung (WRV) von 1919 vollzogen, die im Ergebnis das Ende jeden Staatskirchentums bedeutete. Die staatskirchenrechtlichen Bestimmungen der Weimarer Reichsverfassung führen zum Ende der staatlichen Kirchenaufsicht. Die Kirchen erhalten damit die Freiheit, ihre inneren Angelegenheiten selbst zu regeln, ohne bei ihrem Hineinwirken in die Gesellschaft staatliche Bevormundung fürchten zu müssen.
Zugleich aber ist mit dieser prinzipiellen Trennung in der Weimarer Reichsverfassung eine Kooperation zwischen Kirche und Staat intendiert. Trennung und Kooperation sind also seit 1919 in Deutschland die Merkmale des deutschen Staatskirchenrechts und bestimmen die Beziehungen zwischen Staat und Kirche bis heute, nachdem die entsprechenden Kirchenartikel der Weimarer Reichsverfassung ins Grundgesetz übernommen wurden. Ausdruck dieser Kooperation und damit gemeinsame Angelegenheit von Staat und Kirche (res mixtae) sind unter anderem der in der Verantwortung der Kirchen an öffentlichen Schulen durchgeführte Religionsunterricht, die theologischen Fakultäten an staatlichen Universitäten, die Militär- und Anstaltsseelsorge und das Friedhofswesen, wobei als weitere Besonderheit der staatliche Kirchensteuereinzug zu nennen ist (bei dem der Staat ca. 4 Prozent des Kirchensteueraufkommens als Einzugsgebühr erhält).
Die rechtliche Form und Voraussetzung solcher Kooperation ist der Status „Körperschaft des öffentlichen Rechts“, der den Kirchen und weiteren Religionsgemeinschaften verliehen ist. Um freilich eine Privilegierung der christlichen Kirchen auszuschließen, die auf eine unvollkommene Trennung von Staat und Kirche hinausliefe, hat schon die Weimarer Reichsverfassung die folgende Regelung getroffen, die auch ins Grundgesetz der Bundesrepublik übernommen wurde: „Anderen Religionsgemeinschaften sind auf ihren Antrag gleiche Rechte zu gewähren, wenn sie durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bieten“ (WRV Art. 137 Abs. 5).
Man hat im Hinblick auf die dem deutschen Staatskirchenrecht eigentümliche Form von Trennung und Kooperation auch von einem System „hinkender Trennung“ von Staat und Kirche gesprochen.16 Diese Beschreibung ist insofern nicht wirklich sachgerecht, als es sich im Ergebnis um eine vollzogene Trennung handelt, die gleichzeitig den in Rechtsform gefassten Weg zur Kooperation beschreitet. Zusammenfassend lässt sich festhalten: Das staatskirchenrechtliche System in Deutschland ist „dadurch charakterisiert, dass es die rechtliche Selbständigkeit in optimaler Weise mit der Bereitschaft zur Zusammenarbeit der Institutionen von Staat und Kirche verbindet, zum Teil regelt. Staat und Kirche gehen davon aus, dass Religionsfreiheit und Trennung von Staat und Kirche gleichermaßen Distanz und Zusammenarbeit erforderlich machen. Die scheinbar unvollkommen durchgeführte Trennung beruht auf dem Sachverhalt, dass Staat und Kirche die gleichen Menschen zu Gliedern haben und dass die beiden Institutionen vielfach auf gleichem Arbeitsfeld tätig sind. Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit der Absprache.“17
Abschied von Privilegien?
Es ist offenkundig: Das traditionsreiche deutsche Staatskirchenrecht war wesentlich auf die dominierende politische, kulturelle und institutionelle Präsenz der Großkirchen zugeschnitten, wie sie auch noch (und wieder!) 1949 und in den Jahrzehnten danach weiterhin galt. Offenkundig ist aber auch: Diese dominierende Präsenz der Kirchen ist seit Jahren einem anhaltenden, teils schleichenden, teils stürmisch ablaufenden Prozess institutioneller Schwächung und kultureller Marginalisierung ausgesetzt. Die Gründe hierfür sind vielschichtig und hier nicht weiter aufzuführen.18
Entscheidend für unseren Fragezusammenhang ist aber: Diese, auch empirisch fassbare, institutionelle Schwächung der Kirchen und ihr öffentlicher Geltungsschwund stellen auch das staatskirchenrechtliche System Deutschlands, mit seiner Besonderheit von Trennung und Kooperation, vor die Frage nach seiner heutigen Legitimität. Die über 50 Jahre (nahezu) unbefragte Selbstverständlichkeit des deutschen Modells im Staat-Kirche-Verhältnis gründete auf der weitgehenden Stabilität der Kirchen als Volkskirchen, die als solche zum (nahezu) einzigen Gegenüber des Staates in Religionsdingen werden konnten. Diese Konstruktion droht heute brüchig zu werden, je mehr die Kirchen ihren Charakter als Volkskirchen zu verlieren drohen – dies nicht nur aus Gründen statistischer Evidenz (Mitgliederschwund usw.), sondern auch aus folgendem Grund: Der modernitätstypische Pluralismus, der alle Orientierungshaltungen und Lebensstile umfasst und dessen Dynamik keine Institution unberührt lässt, prägt auch als religiöser Pluralismus die religionskulturellen Verhältnisse. Die damit verbundene Entinstitutionalisierung der religiösen Erfahrung hat notwendig – tendenziell destabilisierende – Folgen für die institutionell verfassten Kirchen: Die Kirchen haben auch weithin ihr religiöses Monopol verloren.19
Eigens ist die Präsenz des nach Deutschland eingezogenen und weiter einziehenden Islam zu nennen, der nunmehr die drittgrößte „Konfession“ darstellt. Eine der Fragen, die sich dabei stellen, heißt: Wie lässt sich religionsrechtlich das Verhältnis des Staates zum Islam gestalten, nachdem ganz offensichtlich ist, dass das überlieferte, auf die christlichen Kirchen zugeschnittene staatskirchenrechtliche Modell sich nicht, zumindest nicht bruchlos, auf eine Religion anwenden lässt, die keine „Kirche“ kennt und gar nicht kennen kann?
Zusammengefasst: Je mehr die Kirchen ihre gesellschaftliche und kulturelle Dominanz einbüßen und je mehr die religiösen Verhältnisse sich pluralisieren, um so unausweichlicher wird die Frage nach der Tragfähigkeit und Legitimität des deutschen staatskirchenrechtlichen „Modells“. Diese Frage ist denn auch zunehmend Gegenstand öffentlicher Diskussion. Hier sind es vorrangig die Kooperationsvereinbarungen zwischen Staat und Kirche, die als durch die veränderten Reallagen nicht mehr begründbare „Privilegien“ der Kirchen zunehmend kritisiert werden (also Kirchensteuer, Krankenhaus- und Militärseelsorge, theologische Fakultäten an staatlichen Universitäten, staatliche Entschädigungszahlungen für eingezogene Kirchengüter usw.). Der Ruf nach einer Abschaffung solcher „Privilegien“, die im Kern auf eine Aufhebung des deutschen Staatskirchenrechts hinausliefe, wird derzeit immer lauter. Hier ist es insbesondere ein säkularistisch-antiklerikaler Laizismus, teilweise von einem offensiven Atheismus angetrieben, der auf eine „vollständige“ Trennung von Staat und Kirche drängt und die Kirche, die Religion überhaupt, in den alleinigen Bereich des Privaten drängen möchte.20 Aber auch in eher religionsfreundlicher Absicht – so etwa von Hermann Lübbe – wird für einen Abschied vom geltenden Staatskirchenrecht plädiert, das eher dazu beitrage, „die öffentliche, kulturelle und politische Präsenz der Kirchen zu schwächen als zu stärken“. Die heute gegebenen Lagen jedenfalls würden „rechtspolitisch einen Wandel des privilegierenden Staatskirchenrechts zu einem allgemeinen Religionsrecht“21 nahelegen.
Es ist evident: Bei einem weiter schwindenden öffentlichen Einfluss der Kirchen und bei weiterer Zerfaserung des einst von christlicher Grundierung mitgeprägten Grundkonsenses der deutschen Gesellschaft wird die drängende Dynamik, ja der Zwang hin zu einer rechtlichen Revision des Staat-Kirche-Verhältnisses immer weiter zunehmen. Dem werden Staat und Kirchen nicht mehr ausweichen können. Es ist jedenfalls für beide damit vorbei, sich hier nur reaktiv-apologetisch verhalten zu können. Da wird es die entscheidende Frage sein, was in Staat und Kirche wirklich gewollt wird und welche Position unter politischen und gesellschaftlichen Reallagen sich als zukunftsfähig erweisen kann. Es scheinen im Kern nur zwei Wege denkbar: eine Beibehaltung des bestehenden Staatskirchenrechts mit dem Versuch, durch Modifikation und Erweiterung den neuen Lagen Rechnung zu tragen, oder eine Abschaffung des Staatskirchenrechts und dessen Ersetzung durch ein allgemeines Religionsrecht, das in der Tendenz darauf hinausliefe, für Kirchen und Religionsgemeinschaften die Rechtsform von Vereinen vorzusehen – mit einem entsprechenden Rückbau der bestehenden Kooperationsvereinbarungen zwischen Staat und Kirche.
Welcher dieser Wege sich durchsetzen wird, ist derzeit ganz offen. So gibt es Gründe, die – bei aller Fraglichkeit – für eine Beibehaltung der geltenden rechtlichen, in Sonderheit verfassungsrechtlichen Regelungen sprechen. Diese müssen aber dann in einem Prozess neuer Vergewisserung offensiv (re-)formuliert und argumentativ verteidigt werden, um neue Akzeptanz und Legitimität zu gewinnen. Hier müsste etwa eine Einsicht neu erklärt werden, die in den gegenwärtigen, ideologiepolitisch aufgeladenen Diskussionen häufig verdunkelt wird: Die genannten „Privilegien“ sind nach Geist und Buchstabe des Grundgesetzes keineswegs alleinige Domäne der christlichen Kirchen. So steht z. B. der Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts prinzipiell jeder Religionsgemeinschaft offen, sofern die Mindestanforderungen hierfür vorliegen (s. o.). So ist etwa der staatliche und verfassungsgemäß verankerte Religionsunterricht keineswegs ein kirchlich-christliches Reservat, sondern kann auch von anderen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften veranstaltet werden, sofern sie dies in staatlicher Kooperation leisten können und vor allem, sofern sie dies leisten wollen. Es gibt also durchaus Gründe für folgenden Befund: Das bestehende, das Staatskirchenrecht einschließende deutsche Religionsverfassungsrecht „versteht sich ... als Gewährleistung grundrechtlicher Freiheit im religiös-weltanschaulichen Bereich, als säkulares für alle Religionsgemeinschaften offenes Rahmenrecht, in dessen Schutzmantel jeder Religion oder Weltanschauung – soweit sie die Grundwerte des demokratischen Rechtsstaats respektiert – die Freiheit zur Entfaltung nach eigenen Grundsätzen und Lebensgesetzen garantiert ist. Und so verstanden ist die Religionsverfassung des Grundgesetzes offen und flexibel genug, um auch den Herausforderungen religiöser Pluralisierung grundrechtssichernd gerecht zu werden.“22
Aber noch einmal: So überzeugend solche Argumentation für die Beibehaltung des verfassungskirchenrechtlichen Status quo auch sein mag, so wenig ist es ausgemacht, dass solche Begründungen künftig überhaupt noch öffentlich Stimme und Gehör finden werden. Dazu kommt: Es ist durchaus denkbar, dass innerhalb der Kirchen selbst die kooperativen Verbindungen mit dem Staat zunehmend bezweifelt werden. Hier könnte – gerade unter antiklerikal-säkularistischer Dauerkritik – die Auffassung Raum gewinnen, dass gerade in einer gänzlichen Ablösung aller rechtlich-kooperativen Verbindungen zum Staat die wahre Chance für die Kirchen und ihre Botschaft in der säkularisierten Welt liege – eine Position, wie sie auch z. B. von einem säkularen, aber durchaus religionskritikfreien Philosophen vertreten wird: „Recht verstanden, ist daher die Säkularisierung, die zwar keine ‚Ära’ ist, aber ein bewusst vollzogener Akt der Distanzierung gegenüber jeder Verquickung von Kirche und Staat zu sein hat, der Beginn eines Zeitalters des Glaubens, der jedem Einzelnen jederzeit offen steht.“23 Gewiss mit anderer Begründung, aber in ähnliche Richtung könnte gedeutet werden, dass Papst Benedikt XVI. seine Freiburger Rede (September 2011) unter das Leitwort von der „Entweltlichung“ der Kirche gestellt hat. Manche Kommentatoren haben darin die Forderung nach einer Revision des deutschen Staat-Kirche-Verhältnisses gesehen. Und im deutschen Protestantismus gibt es schon lange, vor allem in einer bestimmten Tradition Dialektischer Theologie, die Überzeugung, die Kirche käme erst da wirklich zu ihrer „Sache“, wo sie sich jeder Bindung an den Staat entledige.
So oder so: Kirche und Staat gehen in der Frage ihres künftigen Verhältnisses ungewissen Zeiten entgegen. Beide werden sich aber immer neu der Einsicht zu vergewissern haben, die schon heute gilt und künftig gelten wird, wie immer dann die Verhältnisse von Religion und Kirche im säkularen Verfassungsstaat gestaltet sein mögen: Nutzen und Funktion für Staat und Gesellschaft wird die Religion nur dann haben, wenn sie nicht um dieses Nutzens willen gelebt wird.24
Gottfried Küenzlen, Gäufelden
Anmerkungen
1 Der folgende Abschnitt fußt weitgehend auf dem Text von Bronisch, Johannes, Kronprinz Friedrich und die Unsterblichkeit der Seele, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 25.1.2012, 4. Die Zitate entstammen ausschließlich diesem Text und werden nicht eigens nachgewiesen.
2 Ein prägnanter Überblick findet sich nach wie vor bei Böckenförde, Ernst-W., Die Entstehung des Staates als Vorgang der Säkularisation (1967), in: ders., Der säkularisierte Staat. Sein Charakter, seine Rechtfertigung und seine Probleme im 21. Jahrhundert (Themen, Bd. 86), München 2007, 43-72.
3 Lübbe, Hermann, Religion nach der Aufklärung, Graz u. a. 1986, 78.
4 Campenhausen, Axel von, Staatskirchenrecht. Ein Studienbuch (Juristische Kurzlehrbücher), München 31996, 422.
5 Mikat, Paul, Staat, Kirchen und Religionsgemeinschaften, in: ders., Geschichte, Recht, Religion, Politik, Bd. 2, hg. von Dieter Giesen und Dietlinde Ruthe, Paderborn u. a. 1984, 838.
6 Depenheuer, Otto, Die Säkularität des Staates und die religiösen Werthaltungen, in: Buchstab, Günter/Uertz, Rudolf (Hg.), Was eint Europa? Christentum und kulturelle Identität, Freiburg i. Br. 2008, 61f.
7 Böckenförde, Ernst-W., Die Entstehung des Staates, a.a.O., 71.
8 Vgl. etwa Habermas, Jürgen, Vorpolitische Voraussetzungen des demokratischen Rechtsstaates?, in: ders./Ratzinger, Joseph, Dialektik der Säkularisierung. Über Vernunft und Religion, hg. von Florian Schuller, Freiburg i. Br. 32005, 15-37.
9 BVerfGE 39, 67.
10 Lübbe, Hermann, Religion nach der Aufklärung, a.a.O., 322.
11 Jaspers, Karl, Vom europäischen Geist (Reden zur Zeit, Bd. 15), Würzburg 21979, 29.
12 Vgl. hierzu Böckenförde, Ernst-W., Die Würde des Menschen war unantastbar. Abschied von den Verfassungsvätern: Die Neukommentierung von Artikel 1 des Grundgesetzes markiert einen Epochenbruch, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 3.9.2003, 33-35.
13 Ein Überblick hierzu findet sich in Buchstab, Günter/Uertz, Rudolf (Hg.), Was eint Europa?, a.a.O., 96-380.
14 Vgl. hierzu u. a. Robbers, Gerhard, Staat und Kirche in der Bundesrepublik Deutschland, in: ders. (Hg.), Staat und Kirche in der Europäischen Union, Baden-Baden 22005, 83-101. Im Folgenden stütze ich mich teilweise auf Küenzlen, Gottfried, Religion und Staat-Kirche-Beziehungen in den europäischen Ländern: Deutschland, in: Buchstab, Günter/Uertz, Rudolf (Hg.), Was eint Europa?, a.a.O., 96-121.
15 Vgl. Link, Christoph, Staat und Kirche in der neueren deutschen Geschichte. Fünf Abhandlungen, Frankfurt a. M. 2000.
16 So schon früh Stutz, Ulrich, Die päpstliche Diplomatie unter Leo XIII. Nach den Denkwürdigkeiten des Kardinals Domenico Ferrata (Abhandlungen der Preußischen Akademie der Wissenschaften: Philosophisch-historische Klasse, Bd. 1925,3/4), Berlin 1926, 54.
17 Campenhausen, Axel von, Die Trennung von Staat und Kirche in Deutschland und das kirchliche Selbstbestimmungsrecht, in: Zeitschrift für evangelisches Kirchenrecht 47 (2002), 362.
18 Es wird hier bewusst darauf verzichtet, das ganze Arsenal der einschlägigen kirchen- und religionssoziologischen Befunde aufzuführen, die dann – weil stets interpretationsbedürftig – notwendig in die weiten Gefilde methodologischer und theoretischer Diskussionslagen führen würden. Dazu fehlt dem Autor hier der Platz, aber auch die Neigung, z. B. den gegenwärtigen Dauerdiskurs über Pro und Kontra der „Säkularisierungsthese“ zu repetieren.
19 So stellen z. B. Höllinger und Tripold in einer neuen, auf Österreich bezogenen religionssoziologisch-empirischen Studie fest, dass in den größeren Städten Österreichs die aus den Orientierungen eines esoterischen („holistischen“) Milieus Lebenden statistisch nahezu die gleiche Zahl erreichen wie diejenigen, die sich als kirchennah verstehen. Vgl. Höllinger, Franz/Tripold, Thomas, Ganzheitliches Leben. Das holistische Milieu zwischen neuer Spiritualität und postmoderner Wellness-Kultur (Kulturen der Gesellschaft, Bd. 5), Bielefeld 2012, 269.
20 Ein Beispiel hierfür ist etwa die beantragte Bildung eines Arbeitskreises innerhalb der SPD mit genau diesen Zielen. Vgl. Stamm-Kuhlmann, Thomas, Wie viel Bekenntnis verträgt die SPD?, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 29.12.2011, 31.
21 Lübbe, Hermann, Das Recht der Religionen, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 26.4.2011, 8.
22 Link, Christoph, Thron und Altar oder freiheitliche Religionsverfassung?, in: Zehetmair, Hans (Hg.), Politik aus christlicher Verantwortung, Wiesbaden 2007, 260.
23 Gerhardt, Volker, Säkularisierung: Eine historische Chance für den Glauben, in: Kühnlein, Michael/Lutz-Bachmann, Matthias (Hg.), Unerfüllte Moderne? Neue Perspektiven auf das Werk von Charles Taylor, Berlin 2011, 570.
24 Vgl. dazu Küenzlen, Gottfried, Die „Nützlichkeit“ der Religion: Grenzen und Gefahren einer Religionstheorie und ihrer kirchlich-theologischen Vereinnahmung, in: ders., Die Wiederkehr der Religion. Lage und Schicksal in der säkularen Moderne, München 2003, 169-179.
Literatur
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