Die Seelenpfuscher. Pseudo-Therapien, die krank machen
Heike Dierbach, Die Seelenpfuscher. Pseudo-Therapien, die krank machen, Rowohlt Verlag, Reinbek 2009, 249 Seiten, 12,00 Euro.
Psychische Erkrankungen haben laut der AOK seit 1995 um 80 Prozent zugenommen. Auch deshalb haben alternative Therapieangebote Konjunktur, und eine Orientierung auf dem Psychomarkt ist trotz des Psychotherapeutengesetzes schwierig. Das bekommt die weltanschauliche Beratungsarbeit zu spüren – Fragen aus diesem Bereich gehören zu den am häufigsten gestellten.
Deshalb ist es der Psychologin Heike Dierbach zu danken, dass sie einen flüssig geschriebenen Ratgeber verfasst hat, der populäre Angebote kritisch unter die Lupe nimmt. Pseudo-Therapien sind nach Dierbach dadurch gekennzeichnet, dass sie nur kurzfristig wirken und ihre Techniken mehr schaden als nutzen.
Das Buch umfasst drei Teile. Zunächst werden typische Eigenschaften von Pseudo-Therapien geschildert: Alle seelischen Beschwerden können endgültig verschwinden, die Anbieter haben keine fachliche Ausbildung, die Technik arbeitet mit übersinnlichen Elementen, und wenn sie doch nicht hilft, ist der Patient schuld, und weiteres mehr. Daraufhin werden die häufigsten Argumente der Anhänger von Pseudo-Therapien klug zurückgewiesen.
Den Hauptteil macht die kritische Darstellung von neun Verfahren aus: Rebirthing, Festhaltetherapie (Prekop), Familienaufstellung (Hellinger), The Secret (Rhonda Byrne), Hoffman-Quadrinity-Prozess, Reinkarnationstherapie, The Work (Byron Katie), Channeln/Engeltherapie, Fernheilung. Alle Verfahren werden mit Fallbeispielen vorgestellt und systematisch in Bezug auf Ursprung, Methode, Ausbildung, Heilsversprechen, Forschung und seelisches Risiko dargestellt.
Im dritten Teil werden Merkmale seriöser Lebenshilfe beschrieben, und es wird für stärkere Maßnahmen gegen Scharlatane plädiert: mehr Information und Unterstützung für ratsuchende Patienten, keine gefährlichen Techniken an Volkshochschulen und Universitäten, mehr Kontrolle durch die zuständigen Behörden. Explizit wird die Bundestherapeutenkammer aufgefordert, die Qualität der psychotherapeutischen Versorgung sicherzustellen. Es sei nicht zu rechtfertigen, so Dierbach, dass Psychotherapeuten mit Kassenzulassung sich „das Orakeln“ mit dem wissenden Feld einer Familienaufstellung als Fortbildung anrechnen lassen können. Ein Anhang mit Beratungs-Adressen rundet den Band ab.
Das Buch ist von einer erfahrenen Praktikerin geschrieben worden, die sich bestens in der Szene auskennt. Die Argumente sind treffsicher und ausgewogen. Über die Auswahl der dargestellten Methoden kann man streiten – nach meiner Einschätzung hätten etwa Satsang-Angebote vorgestellt werden müssen. Lob gebührt der Autorin für die präzise Darstellung und die sorgfältige Kritik bei guter Allgemeinverständlichkeit. Hintergrundinformationen können allerdings in einer solchen Übersicht nur angeschnitten werden. Dem Band ist jedenfalls eine hohe Verbreitung zu wünschen.
Michael Utsch