Die Soka Gakkai International - Deutschland. Geschichte - Struktur - Mitglieder
Robert Kötter, Die Soka Gakkai International – Deutschland. Geschichte – Struktur – Mitglieder, REMID-Schriftenreihe Band 11, Marburg 2006, 85 Seiten, 12,50 Euro.
Eine aktuelle, ausführlichere Darstellung der Soka Gakkai (International, SGI) und insbesondere ihres deutschen Zweiges war überfällig. So ist diese Arbeit, die als religionswissenschaftliche Magisterarbeit bei Manfred Hutter in Bonn entstand, höchst willkommen. Nachdem immer noch manche deutschsprachigen Äußerungen zur Soka Gakkai von Polemik geprägt waren, ist Kötters Heft durchgängig religionswissenschaftlichem Duktus verpflichtet und wird damit hoffentlich Maßstäbe setzen.
Die Arbeit ist geteilt in einen historisch-systematischen Teil (13-33), der die Geschichte der Soka Gakkai (SG) seit ihrem Entstehen 1937 (hier übernimmt Kötter nicht die SG-interne Datierung auf 1930) nachzeichnet, ihre Verbindung zur Nichiren-Shoshu bis zum November 1991 und die Entwicklung der SGI unter ihrem Präsidenten Daisaku Ikeda, der bis 1979 auch SG-Präsident war und dessen starker Persönlichkeit und Rolle der letzte, kurze Abschnitt dieses Teils des Buchs gewidmet ist. Der größere zweite Abschnitt (Kapitel 4 bis 8) arbeitet mit Methoden der empirischen Religionssoziologie und gibt zu weiten Teilen die Resultate einer groß angelegten Fragebogenaktion unter den deutschen SG-Mitgliedern wieder, die in Kooperation mit der SGI-D durchgeführt und deren Kosten sogar von dieser getragen wurden. Die Briefaktion (insgesamt 30 Fragen) lehnt sich, so Kötter, an frühere Untersuchungen in den USA (Hammond / Machachek) und Großbritannien (Wilson / Dobbelaere) an und ergänzt sie um eine Frage nach der Ansicht der Befragten über Präsident Ikeda. Die Aktion musste allerdings mit dem Problem umgehen, dass es einen Rücklauf nur von den engagierten und aktiven Mitgliedern gab, wodurch das Ziel einer repräsentativen Untersuchung unterlaufen wurde.
Die SGI-D hat, so Kötter im Anschluss an Untersuchungen von Martin Baumann, weithin den Charakter einer Diaspora-Gemeinschaft abgestreift: Entscheidend ist nicht mehr die Abhängigkeit von Japan, die große Mehrheit der Mitglieder sind Deutsche und es hat eine erhebliche Assimilation an die deutsche Gesellschaft stattgefunden. Kötter kommt zu dem Ergebnis: „Viele der Gläubigen in Deutschland sind engagierte, mobile Menschen, die in der Gesellschaft erfolgreich sind“ (68). Er weist auf interne Reformen und Strukturveränderungen mithilfe einer entsprechenden „Reformgruppe“ hin, die „Lösungsansätze formulieren sollte“ (71). Hier wären allerdings etwas konkretere Ausführungen hilfreich gewesen.
Kötter bezieht sich sehr stark auf die neuere religionssoziologisch orientierte Literatur zur SG, mit seinem eigenen Akzent auf dem deutschen Zweig der SGI, und befasst sich nicht ausdrücklich mit früheren deutschen Arbeiten zur japanischen SG. Hier wären Werner Kohler (1962), Heinrich Dumoulin (1970), der eine erste deutschsprachige Zusammenfassung des berüchtigten Skakubuku Kyoten vorlegte, und Peter Gerlitz (1977) zu nennen gewesen. Bedauerlich ist, dass sie nicht einmal im Literaturverzeichnis erwähnt werden. Auch wäre in Anbetracht der neueren philosophischen Annäherungen der SG an den Mainstream-Buddhismus zu fragen, ob die Beziehungsprobleme zwischen DBU und SGI-D wirklich überwiegend mit „unterschiedlich(en) … Ziele(n) und Grundvorstellung(en)“ (70) zu tun haben und nicht eher mit deutschen Übernahmen der alten Polemik des japanischen Zen-Buddhismus gegen die Konkurrenz durch die Nichiren-orientierten Schulen.
Es liegt – ungeachtet dieser kritischen Hinweise im Detail – eine sehr verdienstvolle Studie vor, die deutschsprachigen Lesern eine andere Form des Buddhismus vorstellt, die abseits der Mönchsroben und der Versenkung im Lotossitz im Alltag gelebt wird. Die Präsenz einer alltagsnahen buddhistischen Religionsgemeinschaft, die die Anliegen und Probleme der Mitglieder bei regelmäßigen Treffen und Gesprächen ernst nimmt und sie aufarbeitet, wird hier in zahlreichen Facetten ausgeleuchtet. Damit schließt Kötter in erfreulicher Weise methodisch zur internationalen empirischen Forschung zu neuen religiösen Bewegungen auf.
Ulrich Dehn, Hamburg