Die „Verfassung“ von Medina
Die „Verfassung“ von Medina soll vor aller Welt als Beleg für die im Islam seit Mohammeds Zeiten herrschende Religionsfreiheit dienen.1 Wie man hört, sollen sich hohe christliche Würdenträger zu diesem islamischen Anspruch – der zugleich als Beispiel für die Toleranz eines islamischen Staatswesens gegenüber religiösen Minderheiten gelten soll – beifällig geäußert haben. Was aber ist die „Verfassung“ von Medina? Dieser Frage sind die folgenden Seiten gewidmet.
Historischer Kontext
Für Mekka, die Ansiedlung in einem unfruchtbaren Tal ohne eigene Nahrungsressourcen, bildeten die alljährlichen Wallfahrtsriten die Lebensgrundlage (vgl. Sure 14,37). Diese Riten wurden nicht nur an der Kaaba durchgeführt, sondern auch an Örtlichkeiten in der Nähe. Dort allerdings hatte der in Mekka vorherrschende Stamm, die Banu Quraisch, nicht das Sagen. Der mekkanische Kult galt Allah, aber nicht ihm allein. Allah wurde vielmehr als der Vater einer Reihe göttlicher Töchter angesehen (vgl. Sure 53,19-22), die im Alltag der Mekkaner eine wichtigere Rolle spielten, wie man aus etlichen Zeugnissen weiß.
Um die Wende zum 7. Jahrhundert machte sich in Arabien, nicht nur in Mekka, eine religiöse Strömung bemerkbar, deren einende Idee die Überwindung des Polytheismus war, wobei freilich die überkommenen Pilger- und Opferriten erhalten bleiben sollten. Ein Vertreter dieser Strömung war Mohammed, der in Mekka zunächst als der Gesandte Allahs von sich reden machte. Um 620 erweiterte er seine Sendung dahingehend, dass er auch zum Propheten berufen sei, der in göttlichem Auftrag die Menschen die von Allah selber stammende Daseinsordnung lehre (vgl. Sure 7,157f). Es ging also nicht mehr nur um die Verkündung des einen unermüdlich tätigen Schöpfergottes, der Dankespflicht gegen ihn und des drohenden Endgerichts, sondern auch darum, „zu befehlen, was zu billigen ist, und das Verwerfliche zu verbieten“, wie es fortan stereotyp im Koran heißt. Damit stellte Mohammed u. a. den eingespielten Ablauf der Pilgerriten zur Disposition. Die polytheistischen Elemente hätte man ausscheiden bzw. umdeuten müssen – was später ja auch geschah. Um dieselbe Zeit verbreitete sich das Gerücht, Mohammed habe eine Vision gehabt: Er sei in den Himmel emporgestiegen und sei über das rituelle Gebet, das Allah sich wünsche, in Kenntnis gesetzt worden.
Indem Mohammed das Prophetentum für sich beanspruchte, wurde seine Situation in Mekka prekär. Er bemühte sich um Kontakte mit anderen Stämmen. Ins Oasengebiet von Medina (Jathrib) hatte seine Sippe seit Langem enge Verbindungen. Sein Urgroßvater Haschim hatte mit einer Frau aus dem medinensischen Stamm der Chazradsch einen Sohn gezeugt, Abd al-Muttalib, der die Kindheit dort verbracht hatte. Abd al-Muttalib aber war Mohammeds Großvater väterlicherseits; bereits ihm werden religiöse Ansichten zugeschrieben, die von denen der Mehrheit der Mekkaner abwichen. Ab etwa 620 knüpfte Mohammed während der Pilgertage Verbindungen zu Medinensern des genannten Stammes und machte sie mit seinen Ideen bekannt. Sie bildeten in ihrer Heimat eine kleine Gemeinde. Wie es heißt, entsandte Mohammed zwei seiner mekkanischen Gefolgsleute dorthin, die diese Gemeinde in den Gebetsriten unterweisen sollten. Diese enthielten u. a. die bis auf den heutigen Tag charakteristischen Niederwerfungen, die von den Mekkanern schroff abgelehnt worden waren.
Neben den Chazradsch wohnten im Gebiet von Medina die Aus, der zweite arabische Stamm, sowie mehrere jüdische Stämme. Die Juden hatten zudem in etlichen arabischen Klanen Proselyten gewonnen. Das Verhältnis der verschiedenen Gruppierungen zueinander war von blutigen Kämpfen gekennzeichnet, in denen bis kurz vor den Ereignissen, die wir hier schildern, die Chazradsch die Oberhand behaupteten. Dann aber war eine dramatische Wende eingetreten: Die Chazradsch waren von den Aus besiegt worden, und Letztere hatten es überdies verstanden, sich die Unterstützung durch die jüdischen Stämme zu sichern.
Im Jahre 622 verließen etliche Männer, die den Ideen Mohammeds nahegestanden hatten, Mekka und fanden in ausitischen Klanen Aufnahme. Schließlich wurde Mohammed aus Mekka vertrieben (vgl. Sure 47,13). Er suchte und fand, wie dank seiner verwandtschaftlichen Bindungen zu erwarten war, bei den Chazradschiten Unterschlupf. Als Vertriebener war Mohammed von der Teilnahme an den mekkanischen Pilgerriten ausgeschlossen. Mit der Begründung, eine Teilnahme mit Waffengewalt erzwingen zu wollen (vgl. Sure 2,190-193), setzte Mohammed alles daran, nicht nur jene mekkanischen Auswanderer, sondern auch Mitglieder der beiden arabischen Stämme Medinas zum Krieg gegen Mekka aufzustacheln. Mohammed versprach einen leichten Sieg und reiche Beute, wenn man die mekkanische Karawane überfalle, die zu einem bestimmten Zeitpunkt in einem größeren Abstand westlich an Medina vorbeiziehen würde. Der Zufall wollte es, dass man die Karawane verpasste und stattdessen auf die aus Mekka zu deren Schutz abgesandte Streifschar traf. In der blutigen Schlacht von Badr errangen Mohammed und sein Anhang einen mühevollen Sieg.
Dieses Ereignis hat für Mohammed, für die mekkanischen Auswanderer und auch für die medinensischen Unterstützer schwerwiegende Folgen. Zum einen ist Mohammeds Ruf als Prophet angeschlagen, denn hätte er in dieser Eigenschaft nicht wissen müssen, wer ihm im Gefecht entgegentreten werde? In Sure 8 ringt er mit den Folgen: Es war doch Allah, der seine Engel schickte und den Triumph herbeiführte (Vers 7-10)! Gewiss war der Kampf eine harte Bewährungsprobe für die Gläubigen, aber künftighin wird Allah sie nicht wieder so hart prüfen (Vers 65f). Es kann jedoch nicht bezweifelt werden, dass die Mekkaner die Sache nicht auf sich beruhen lassen werden. Darum ist es dringend geboten, dass die mekkanischen Auswanderer und die medinensischen Unterstützer eine entschlossene Kampfgemeinschaft bilden, die Gemeinschaft der wahrhaft Gläubigen. Ihnen wird Allah großzügigen Unterhalt gewähren, ihnen wird er verzeihen. Der Krieg gegen Mekka ist ihr Daseinsgrund; sie sind so fest miteinander verbunden, dass Mohammed sich nur eine Bindung denken kann, die noch fester ist: die Blutsverwandtschaft (Vers 72-75).
Die Abmachung („Gemeindeordnung“, „Verfassung“)
Nichts könnte in diese Gemeinschaft mehr Zwist hineintragen als die leidige Frage nach dem Wergeld, das nach dem Gewohnheitsrecht die Personenschäden ausgleichen soll, die die kämpfenden Sippen einander zufügten. Des Weiteren müssen die Kriegsgefangenen freigekauft werden. Die altarabische Überlieferung bietet zahlreiche Beispiele für solche Abmachungen, ohne die kein Friede zustande kommen konnte. Damit sind wir zu dem Gegenstand gelangt, mit dem sich die sogenannte „Gemeindeordnung von Medina“ befasst: Mohammed möchte regeln, wie künftighin die ihm ergebenen ausitischen und chazradschitischen Sippen für das Wergeld und den Freikauf der Gefangenen geradestehen müssen. Eine solche Regelung ist notwendig geworden, weil das Moment einer in der Religionszugehörigkeit wurzelnden Loyalität zu der als selbstverständlich angenommenen Loyalität dank Blutsverwandtschaft hinzugetreten ist.
„Dies ist ein Schriftstück von seiten Mohammeds, des Propheten – Allah spreche zu ihm gewandt Gebete und entbiete ihm den Friedensgruß! – zwischen den Gläubigen und Muslimen der Quraischiten und aus Jathrib nebst denen, die ihnen nachgeordnet sind, sich ihnen daher anschlossen und an ihrer Seite den Dschihad führten.“ Mohammed hat die mekkanischen Auswanderer und die Unterstützer aus Medina im Auge, die einige nicht näher definierte Verbündete zur Verfügung haben. Die Genannten „bilden eine Gemeinschaft (arab.: al-umma) unter Ausschluss der übrigen Menschen“. Mohammed verwendet hier den Begriff, der im Koran eine durch ihre Religion geeinte Gemeinschaft bezeichnet (vgl. z. B. Sure 2, 128 und Sure 23, 52). Die eine durch die koranische Botschaft geeinte muslimische Umma, die bei Badr als ein handelndes Kollektiv in Erscheinung trat, hat aber die überkommene Ordnung der blutrechtlichen Sippenverbände keineswegs aufgelöst. – Dies ist auch im Schariarecht, das sich im Laufe von etwa vier Jahrhunderten nach Mohammeds Tod herausgebildet hat, nicht geschehen, wie die Normen der Ahndung von Verbrechen gegen Leib und Leben belegen. – Die Blutschuld und die Kosten für die Auslösung der Gefangenen müssen weiterhin von den auf Blutsverwandtschaft beruhenden Sippenverbänden getragen werden: Die quraischitischen Auswanderer, so wird von Mohammed festgelegt, „lösen ihre Gefangenen aus auf allgemein übliche Art und in der unter den Gläubigen zu beachtenden Gerechtigkeit“. In nahezu gleichlautenden Formulierungen heißt es für etliche medinensische Sippen aus den beiden Stämmen: „Die Banu NN bilden einen blutrechtlichen Sippenverband und erlegen Wergeld wie früher; eine jede Gruppe löst ihre Gefangenen aus auf übliche Art und in der unter den Gläubigen zu beachtenden Gerechtigkeit.“
Die jüdischen Proselyten in den Sippen der Aus und der Chazradsch gehören demnach nicht zu der Umma, die von Allah durch die Anweisungen seines Propheten Mohammed regiert wird. Im Kriegsfall schulden sie als Angehörige der ausitischen und chazradschitischen Sippen Allah und seinem Propheten Gehorsam: „Die Banu NN bilden mit den Gläubigen eine Gemeinschaft (Umma). Die Juden haben ihre Daseinsordnung (din), die Muslime die ihrige (vgl. Sure 109). (Dies gilt für) ihre Schutzbefohlenen wie für sie selber, abgesehen von denen, die freveln und Verfehlungen begehen und dadurch sich selber und ihre Familie in den Untergang reißen.“ Im Weiteren behält sich Mohammed vor, allein über Krieg und Frieden zu entscheiden, es sei denn, ein Waffengang werde nach den Regeln der Blutrache erforderlich. Die Muslime und die Juden der beiden arabischen Stämme werden zu gegenseitiger Loyalität aufgerufen. Alle Konflikte sind vor Allah und seinen Propheten zu bringen (vgl. Sure 4,59).
Die Umstände, unter denen diese Abmachung getroffen wurde, werden am Ende mit aller wünschenswerten Klarheit ausgesprochen: Alle, die die Einhaltung des Vereinbarten zusagen, sollen Sicherheit genießen; sie bilden eine Gemeinschaft unter der Herrschaft Allahs und seines Propheten. Ausgeschlossen aus dieser Gemeinschaft sollen grundsätzlich die mekkanischen Quraischiten sein sowie alle, die mit ihnen im Bunde stehen. Zugunsten von Personen, die diesem Kreis angehören, darf nicht einmal das altarabische Rechtsinstitut des Fremdenschutzes angewendet werden.2
Wirkungsgeschichte
Der Text dieser Abmachung wird uns zuerst in der Prophetenvita des Ibn Ishaq (gest. 767) überliefert und taucht auch in späteren Chroniken auf. Seine einleitenden Worte haben zu Missverständnissen Anlass gegeben. Ibn Ishaq schreibt: „Der Gesandte Allahs fertigte ein Schriftstück aus, die Auswanderer und die (medinensischen) Unterstützer betreffend, in dem er mit den Juden eine Vereinbarung schloss, sie in ihrer Daseinsordnung und ihrem Vermögen bestätigte sowie zu ihren Gunsten und ihren Lasten Bedingungen festlegte.“ Somit ist klar gesagt, dass allein die Auswanderer und die medinensischen Unterstützer die „vertragsschließenden Parteien“ sind. Es handelt sich um die beiden Gruppierungen, die in Sure 8 als die wahrhaft Gläubigen gerühmt werden. Der Text selber bestätigt dies. Trotzdem hat man gemeint, von einem alle medinensischen Juden Medinas, auch die jüdischen Stämme, einschließenden Vertrag sprechen zu dürfen. Irreführend hat W. Montgomery Watt sogar den Begriff „Verfassung“ gebraucht.3 Indessen ist von den jüdischen Stämmen Medinas in der Abmachung mit keinem Wort die Rede. Sie werden während der sich bis 628 hinziehenden kriegerischen Auseinandersetzungen mit Mekka vertrieben, als Sklaven verkauft oder getötet. Es ist zu beachten, dass diese Stämme die Verbündeten der Banu Aus waren. Mohammed suchte mit seiner Politik der Eliminierung der jüdischen Stämme nicht zuletzt die Niederlage auszugleichen, die „seine“ Chazradschiten einige Jahre vor seiner Ankunft gegen die Ausiten erlitten hatten.
Im Gegensatz zu heute geäußerten Meinungen gibt es keinerlei Belege dafür, dass diese Abmachung jemals im Sinne einer Gleichberechtigung Andersgläubiger oder Ungläubiger im islamischen Gemeinwesen aufgegriffen oder gar weiterentwickelt worden wäre.4 Das „Buch der Heilung“ des Qadis Ijad al-Jahsubi (gest. 1149), bis heute die maßgebende Quelle für das „richtige“ Mohammedbild, erwähnt die Abmachung nicht, wie es denn überhaupt den Leser eindringlich vor einer Kenntnisnahme der muslimischen Historiografie warnt, da sie in ihm Zweifel an der Vollkommenheit seines Propheten wecken könnte.5 Im islamischen staatstheoretischen Schrifttum findet sich ebenfalls nichts; das Interesse konzentriert sich hier auf die Herrschaft als legitime Fortsetzung des Vorbildes des Propheten, mithin auf das Imamat, seine Voraussetzungen, seine Befugnisse und die hieraus abgeleiteten Ämter. Auch das Schrifttum über den Dschihad und das schariarechtliche Verhältnis des „Gebietes des Islams“ zum „Gebiet des Krieges“ kommt ohne die „Gemeindeordnung“ aus. Zuletzt sind Abhandlungen über den Rechtsstatus Andersgläubiger auf einem unter islamischer Herrschaft stehenden Territorium zu nennen. Maßgebend sind hier die sogenannten „umarschen Bedingungen“6, mit Umar b. al-Chattab (reg. 634 – 644), dem zweiten Nachfolger Mohammeds, in Verbindung gebrachte Regelungen, die die Rechte religiöser Minderheiten stark beschneiden und deren Absterben bezwecken. Diese „Bedingungen“ werden bis heute tradiert und bestimmen mittelbar immer noch die Haltung islamischer Staaten zu diesem Thema.
Deutlich tritt in der eingangs erwähnten Erklärung7 das intellektuelle Problem zutage, das gegeben ist, wenn eine Religion für jede Handlung, jede Regelung ein rechtfertigendes Vorbild ihres Gründers benötigt, was ihre Vertreter in Schwierigkeiten bringt, sich die Religionsfreiheit heute als einen Grundpfeiler der vor 250 Jahren konzipierten Menschenrechte zu eigen zu machen.
Tilman Nagel
Anmerkungen
1 S. neuerdings die von über 250 muslimischen religiösen Autoritäten aus der islamischen Welt veröffentlichte „Erklärung von Marrakesch“ (Marrakesh Declaration) vom 27.1.2016, in der die „Charta von Medina“ des Propheten Mohammed aus der Zeit nach 622 n. Chr. bekräftigt wird. Vgl. dazu: Friedmann Eißler, Erklärung von Marrakesch: Muslime bekräftigen die Charta von Medina, in: MD 3/2016, 103-106.
2 Ausführlich nachzulesen bei Tilman Nagel: Mohammed. Leben und Legende, München 2008, 340-346; zum geschichtlichen Hintergrund vgl. auch ders.: Mohammed. Zwanzig Kapitel über den Propheten der Muslime, München 2010, neuntes und zehntes Kapitel.
3 So W. Montgomery Watt: Muhammad at Medina, Oxford 1956 und öfter, 221, 228; dort auch die englische Übersetzung des Textes und einige Erwägungen zur Textkritik, die jedoch die Substanz des Inhalts unberührt lassen. Seit dem 19. Jahrhundert wird das aus dem Persischen entlehnte arabische Wort dustur zur Wiedergabe des der europäischen politischen Zivilisation entstammenden Begriffs „Verfassung“ verwendet. Seine ursprünglichen Bedeutungen sind „Befehlshaber, Wesir“ und „Statut, Regelwerk“.
4 Die ausführliche Studie von Sami A. Aldeeb Abu-Salieh: Les Musulmans face aux droits de l’homme. Religion & droits & politique. Études et documents, Bochum 1994, dokumentiert den Stand der muslimischen Debatte über die Religionsfreiheit (103-141) bis in die frühen 1990er Jahre. Alle 18 ins Französische übersetzten Verlautbarungen zu den „islamischen“ Menschenrechten (461-572) aus der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts kommen ohne die „Verfassung“ von Medina aus.
5 Tilman Nagel: Allahs Liebling. Ursprung und Erscheinungsformen des Mohammedglaubens, München 2008, 145 und 146-197.
6 Der Kerntext dieser „Bedingungen“, unter denen Andersgläubige, vornehmlich Christen, unter islamischer Herrschaft existieren dürfen, ohne ihr Leben zu gefährden (vgl. hierüber Majid Khadduri: War and Peace in the Law of Islam, Oxford 1955, 162f und 168), stammt aus dem späten 7. Jahrhundert (deutsche Übersetzung in Tilman Nagel: Das islamische Recht. Eine Einführung, Westhofen 2001, 98f). Im Übrigen gilt, dass die Muslime vertragliche Vereinbarungen mit Andersgläubigen nur dann eingehen sollen, wenn es für die Wahrung der Belange des Islam notwendig ist (vgl. Hans Kruse: Islamische Völkerrechtslehre, Bochum 21979, 102). Von einer gleichberechtigten Behandlung Andersgläubiger kann weder auf islamischem Territorium noch außerhalb desselben die Rede sein. Das Osmanische Reich wurde im Pariser Frieden von 1856 als gleichberechtigtes Mitglied zur Gemeinschaft der europäischen Staaten zugelassen unter der Voraussetzung, dass es auf die Durchsetzung jenes islamischen „Völkerrechts“ fortan verzichte. Die Prinzipien des europäischen Völkerrechts wurden jedoch in der islamischen Welt nie ausdrücklich anerkannt (ebd., 160-171).
7 S. Fußnote 1.