Pfingstbewegung

Die weltweite Pfingstbewegung und die katholische Kirche

Die Pfingstbewegung ist für die römisch-katholische Kirche eine enorme Herausforderung. Das Institut für Weltkirche und Mission (IWM), das 2009 von der Deutschen Bischofskonferenz an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen (Frankfurt a. M.) gegründet wurde, hat seine erste Jahrestagung dieser Herausforderung gewidmet. Unter dem Thema „Pentekostalismus – Anfragen an Theologie und Kirche“ hatte der Direktor des Instituts, Albert-Peter Rethmann, vom 23. bis 25. November 2010 an die Hochschule eingeladen.

Ein Ziel der Tagung war es, sich nicht gleich von der Bewegung abzugrenzen, sondern das Phänomen des Pentekostalismus in seiner vielfältigen Gestalt in den verschiedenen Regionen der Welt wahrzunehmen und implizite Rückfragen an die eigene verfasste Kirchlichkeit zuzulassen. Drei Referate boten empirische Analysen sowohl der Pfingstkirchen als auch der charismatischen Bewegung innerhalb der katholischen Kirche in Brasilien, auf den Philippinen und im subsaharischen Afrika. Ergänzt wurden die soziologischen Studien durch „Illustrationen“ von katholischen Geistlichen von den Philippinen, aus Nigeria, dem Kongo, Indien und Polen sowie einer Soziologin aus Brasilien. In einem weiteren Schritt beschäftigten sich drei theologische Referate mit den Themen Gemeindebildung und Liturgie, Pneumatologie und Ekklesiologie sowie Spiritualität und Gesellschaft.

Die Soziologin Brenda Carranza aus Brasilien sprach von einer „Verpfingstung“ der katholischen Kirche Brasiliens durch die neocharismatische Bewegung und neue katholische Gemeinden, die durch Laien geführt würden und sich erfolgreich und geschäftstüchtig der modernen Medien bedienten. Der Religionswissenschaftler Paul Gifford sah einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem traditionellen Geister- und Hexenglauben auf dem afrikanischen Kontinent und dem dortigen Erfolg der Pfingstbewegung. Sie bringe eine verzauberte Weltsicht in das Christentum zurück. Er kritisierte, dass afrikanische Theologen diesem Aspekt der Inkulturation kaum Beachtung schenkten. Die Soziologin und Politikwissenschaftlerin Christl Kessler konnte in ihrer empirischen Untersuchung auf den Philippinen feststellen, dass die charismatische Bewegung eher Menschen mit höherer Bildung anspricht. Mit der persönlichen Beziehung zu Jesus und der eigenen spirituellen Veränderung verbinde sich die Hoffnung auf einen Weg aus dem Elend, ja sogar auf gesellschaftliche Veränderung von Missständen wie Korruption und Gewalt.

Der Jesuitenpater Jerry Rosario aus der Region Tamil Nadu in Südindien beschrieb die dortige Pfingstbewegung als Phänomen der Mittelschicht. Die Bewegung sei von jungen Menschen geprägt, sie überwinde das Kastenwesen, betone das Laienchristentum und gestehe Frauen mehr Rechte in der Gemeinde zu. Der Dominikaner und Publizist Tomasz Dostatni aus Polen zeigte einen Zusammenhang zwischen der charismatischen Bewegung in der polnischen katholischen Kirche und den politischen Aufbrüchen in den 1980er Jahren auf. Der Missionstheologe Klaus Vellguth näherte sich in seinem Referat einer „missionarischen Pneumatologie“ an. Die Pneumatologie sei Ausgangspunkt einer heilsamen Verunsicherung. Der Geist könne als Anwalt der Offenheit der Kirche gesehen werden. Der Heilige Geist als Dynamik der Kirche dränge dazu, alle Grenzen zu sprengen. Er wirke auch jenseits der je eigenen Konfession oder Religion.

Die Theologin Margit Eckholt griff die Bezeichnung der Pfingstkirchen als „eine neue, fünfte Grundgestalt christlicher Kirchen“ auf. In ihrem Referat fragte sie danach, wie die katholische Kirche dem Bedürfnis nach religiöser Subjektwerdung gerecht werden könnte durch ein Verständnis der Kirche als Volk Gottes und Sakrament der Völker in Rückbesinnung auf das Zweite Vatikanum.

An der Tagung nahmen etwa 40 Teilnehmer und alle Referenten teil. Die Veranstaltung zeigte, dass die Pfingstbewegung zwar wesentliche Merkmale weltweit teilt, aber dennoch je nach kulturellem Kontext auf unterschiedliche gesellschaftliche Bedürfnisse reagiert. Vor allem die theologischen Tagungsbeiträge ließen eher vorsichtige erste Schritte der Auseinandersetzung mit der Pfingstbewegung in der katholischen Theologie erkennen. Die Vorschläge zum Umgang der traditionell verfassten katholischen Kirche mit dem Pentekostalismus reichten vom Plädoyer für mehr Bescheidenheit bis zur Forderung nach mehr Selbstbewusstsein und Besinnung auf das Eigene. Ein gewisses Gewicht in den Diskussionsbeiträgen hatte die Vorstellung von der Einheit der Kirche. Als Anfrage an die eigene Kirchlichkeit wurden vor allem die Betonung des individuellen Glaubenslebens sowie die Rolle der Laien und Frauen verstanden. Informationen zur Tagung mit Videointerviews einiger Referenten befinden sich auf der Homepage des IWM: www.iwm.sankt-georgen.de.


Claudia Knepper