Draußen, aber doch drinnen?
Hartmut Zapp, von 1998 bis 2004 Kirchenrechtler an der katholischen Fakultät der Universität Freiburg, ist am Verwaltungsgerichtshof in Mannheim gescheitert und hofft jetzt auf das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig.Der emeritierte Theologe hatte versucht, aus der Kirche als Steuerpflichtiger auszutreten und gleichzeitig in der Kirche als Glaubensgemeinschaft zu bleiben. Es war der Versuch, eine dialektische Theorie in der Praxis zu verwirklichen. Im Jahr 2007 formulierte der 70-jährige Hartmut Zapp seinen Kirchenaustritt so, dass er annahm, seine Rechtsauffassung damit zu dokumentieren. Er trat aus der Religionsgemeinschaft als „römisch-katholisch, Körperschaft des öffentlichen Rechts“ aus. Dieser Zusatz sollte verhindern, dass Zapp nun exkommuniziert würde, wie es die Deutsche Bischofskonferenz seit 1969 praktiziert. Zapp beharrte darauf, nur aus dem staatlichen Konstrukt der Körperschaft des öffentlichen Rechts (KdöR) auszutreten und keine erzwungene Kirchensteuer mehr zu bezahlen. Er sei aber weiterhin Glied der einen, heiligen, katholischen Kirche und verlangte die volle Zulassung zu den Sakramenten. Er wollte zukünftig einen freiwilligen Betrag, unterhalb des Kirchensteuersatzes, an die Kirche abführen.Das Erzbistum Freiburg wurde hellhörig und verklagte die Gemeinde Staufen, weil sie den Austritt in dieser Form bestätigte. Das Erzbistum klagte auf Ungültigkeit des Austritts. 2009 entschied das Verwaltungsgericht Freiburg erstinstanzlich gegen das Erzbistum. Die Richter urteilten, dass es sehr wohl möglich sei, nur aus der Körperschaft „Kirche“ auszutreten und sich weiter als Mitglied der Glaubensgemeinschaft „Kirche“ zu sehen. Für einen Moment sah es so aus, als „würde ein pensionierter Kirchenrechtler die seit 1919 bestehende Kirchensteuer kippen, mit unabsehbaren Folgen für die großen Kirchen“ (www.sueddeutsche.de).Das Erzbistum legte daraufhin Einspruch beim Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Mannheim ein. Der VGH hob am 4. Mai 2010 das Urteil des Freiburger Verwaltungsgerichtes auf, gab dem Erzbistum recht und verweigerte jede Revision. Damit ist Hartmut Zapp mit seinem Anliegen vorerst gescheitert. Wer einer Kirche angehören will, so die Richter am VGH, muss definitiv Kirchensteuer entrichten. Einen „modifizierten Kirchenaustritt“ lasse die Gesetzgebung eindeutig nicht zu. Ein reiner „Kirchensteueraustritt“ sei deshalb nichtig, eine Austrittserklärung könne nicht auf den „staatlichen Rechtskreis“ beschränkt bleiben. Eine Austrittserklärung müsse folglich erkennen lassen, dass sich der Betroffene ernsthaft und vollständig von der Religionsgemeinschaft lossagen wolle. Wer, wie Hartmut Zapp, „von sich aus den Kirchenaustritt auf die „Körperschaft des öffentlichen Rechts“ beschränke, aber gleichwohl in einer auch für den Staat erkennbaren Weise aktives Mitglied seiner Kirche bleiben wolle, erfülle die Anforderungen des Gesetzes nicht“ (www.landgericht-mannheim.de; Az.: 1 S 1953/09).Das Erzbistum Freiburg lobte das Urteil, weil es für „Rechtssicherheit und Steuergerechtigkeit“ sorge. Das Gericht verwies auch darauf, dass keine staatliche Instanz darüber entscheiden könne, welche innerkirchlichen Folgen ein vor einer staatlichen Behörde erklärter Kirchenaustritt habe. Es sei eine rein kirchliche Angelegenheit, ob die Kirchen eine Kirchenmitgliedschaft ohne Steuerpflicht zulassen. Wer die Kirche verlässt, der ist nach bisheriger Rechtsprechung und herrschender Meinung der deutschen Kirchenführer nicht nur aus der Kirchensteuergemeinschaft ausgetreten, sondern auch aus der Glaubensgemeinschaft. Wie intensiv sein individueller Glaube ist, wird nicht bewertet. Und wie sich der Austritt am Jüngsten Tag auswirkt, bleibt offen.Hartmut Zapp ging es bei seinem Schritt, wie er betont, nicht darum, der Kirchensteuer zu entgehen. Er will eine grundsätzliche Klärung der Frage: Kann jemand wegen der Verweigerung der Kirchensteuer aus der Glaubensgemeinschaft ausgeschlossen werden? Die Deutsche Bischofskonferenz sagt eindeutig ja. Hartmut Zapp wähnte sich mit seinem Anliegen in Übereinstimmung mit Rom. Im März 2006 ließ der Vatikan verlauten, dass die innere Entscheidung, die Kirche zu verlassen, einziger Grund sei, jemanden zu exkommunizieren, nicht die äußere Form einer Austrittserklärung gegenüber staatlichen Stellen. Zapp aber betont ja, dass er „innerlich“ in der Kirche bleiben wolle und nur aus dem staatlichen Konstrukt der KdöR austreten wolle.Am 11. April 2011 erklärte das Bundesverwaltungsgericht Leipzig, dass es die Revisionsklage von Hartmut Zapp annehmen werde. Der Termin für die mündliche Verhandlung steht noch nicht fest. Es wird also noch ein letztes Mal spannend – jedenfalls im weltlichen Raum. Denn unbenommen der Urteile deutscher Gerichte, bleibt Hartmut Zapp der Gang vor ein Kirchengericht in Rom, um seine Ansichten prüfen zu lassen. Wie der Vatikan entscheiden dürfte, gehört zu den spannenden Fragen, denn „auch in Rom gibt es Kritik am deutschen Verhältnis von Staat und Kirche, das letztere zwar reich und wohlorganisiert gemacht habe, aber auch bequem, angepasst und nachlässig im Glaubenseifer. Andererseits: Mehr als fünf Milliarden Euro überwiesen die Finanzämter allein im Jahr 2008 an die katholischen Bistümer – Geld, das auch der Weltkirche und dem Papst in Rom zugute kommt. Durchaus ein Grund, die theologisch brisante Frage nicht allzu laut zu stellen: Glaubt nur, wer zahlt?“ (www.sueddeutsche.de).
Michael Hausin, Uhldingen-Mühlhofen