Neuheidentum

Eigene Grabstätte für „Forn Sidrr“ in Dänemark - ein Vorbild für deutsche Neuheiden?

Die neugermanisch-heidnische Gemeinschaft „Forn Sidr“ („Alte Sitte“), die sich als Asatrú- und Vanatrú-Vereinigung bezeichnet, d. h. den Glauben an die nordischen Gottheiten (die Asen und Wanen) pflegt, darf nach einem Beschluss des dänischen Staates eine eigene Grabstätte mitten in der auf Fünen gelegenen Stadt Odense errichten. Immerhin handelt es sich bei Odense mit rund 187 000 Einwohnern um die drittgrößte Stadt Dänemarks. Bislang konnten die „Asatruar“, wie sich die rund 600 Anhänger der Gemeinschaft bezeichnen, nur zwischen herkömmlichen christlichen Friedhöfen und dem offenen Meer wählen, auf dem die Asche der Toten verstreut wurde.

Die Gemeinschaft „Forn Sidr“ wird nach Angaben von Vorstandsmitglied Sören Fisker, der innerhalb der Gemeinschaft für Beerdigungen zuständig ist, auf dem Gelände eine Reihe von Steinen in Form eines 18 Meter langen Wikingerschiffs, eines Langboots, errichten. Laut einer internen Umfrage wünschen sich 30 Prozent der Mitglieder eine Bestattung in Särgen.1 Auf dem ausgewiesenen Gelände sollen Urnen innerhalb des Rumpfes, Särge außerhalb beigesetzt werden. Zudem werde es – so Fisker – keine einzelnen Gräber geben. Die Grabsteine sollen an einer Mauer angebracht werden.

Die Asatrú-Gemeinschaft „Forn Sidr“ wurde 1997 in Odense gegründet. Sie sieht sich dem Odinismus verpflichtet und pflegt den Glauben an die alten nordischen Götter. Zugleich grenzt sich die Gruppierung von rechtsextremistischen, nazistischen oder rassistischen Auffassungen ab. Intern gibt es – wie es auf der Internetseite www.fornsidr.dk heißt – ein breites Spektrum unterschiedlicher politischer Einstellungen von „ultra-links bis ultra-rechts“. Im Gegensatz zum christlichen Glauben verehrt die Gemeinschaft mehrere Gottheiten, sie kennt keine Gebote oder Verbote.

Das dänische Kirchenministerium verlieh „Forn Sidr“ 2003 die offizielle Anerkennung als religiöse Gemeinschaft. Die Errichtung einer eigenen Grabstätte sei deshalb notwendig geworden, weil sich seither die Mitgliederzahl der Gemeinschaft verdreifacht habe. Sören Fisker hofft, dass auch andere Kommunen dem Beispiel der dänischen Stadt Odense folgen werden.

Asatrú-Gemeinschaften gibt es überall in Skandinavien, außer in Finnland, darüber hinaus in Holland, Frankreich, Italien, England, Russland, Deutschland und in den USA. Freundschaftliche Kontakte bestehen – nicht zuletzt über den World Congress of Ethnic Religions (WCER)2 – zum deutschen Eldaring.3 Diese Asatrú-Gemeinschaft mit rund 100 Mitgliedern begreift sich als „Rekonstruktion der vorchristlichen Religion Europas und Skandinaviens“. Erste Vorsitzende des Vereins ist seit 2007 Anja „Hasla“ Sandtner, das Amt des zweiten Vorsitzenden versieht Hermann Ritter. In der Vereinssatzung heißt es zu den „religiösen Grundlagen“: „Der Eldaring bezeichnet sich bewußt als Asatru-Vereinigung. Asatru kommt aus dem isländischen (Ásatrú – sprich ‚Ausatru’) und bedeutet ‚Asenglaube’ bzw. ‚Vertrauen in die Asen’. Daneben ist auch der deutsche Begriff ‚Asentreue’ in Gebrauch. Auch wenn im Begriff nicht erwähnt, beinhaltet Asatru auch die Verehrung und Achtung der Wanengötter, der Riesen (Jöten), Disen, ... und anderer Wesenheiten, die in ihrer Gesamtheit auch häufig als (gesamt)germanisches Pantheon bezeichnet werden. Eine andere geläufige Bezeichnung ist ‚der alte Weg’.“4 Einzelne Mitglieder des Eldaring hatten in den letzten Jahren wiederholt an den mehrtätigen sog. „Althing“-Treffen (Vereinssitzungen) des Forn Sidr in Dänemark teilgenommen.

Für die neugermanisch-heidnischen Gemeinschaften hierzulande ist die Errichtung einer eigenen Begräbnisstätte bislang noch kein Thema. Intern wird immer wieder über neugermanisch-heidnische Bestattungsriten diskutiert. Dabei wird in Diskussionsforen u. a. auf die dem Bund für Gotterkenntnis (Ludendorff-Bewegung)5 nahestehenden Privatfriedhöfe („Ahnenstätten“) wie z. B. die „Ahnenstätte Hilligenloh“ (bei Hude) hingewiesen. Deren Nutzung ist jedoch ausschließlich Mitgliedern der Ludendorff-Bewegung oder Personen vorbehalten, die mit den Auffassungen dieser deutschgläubigen Weltanschauungsgemeinschaft übereinstimmen.

Aber auch eine andere „Ahnenstätte“ zieht die Aufmerksamkeit von Neuheiden auf sich: Seit 1958 besteht bei Wiefelstede (Ammerland) die „Ahnenstätte Connefelde“, die von dem gleichnamigen Verein betrieben wird. In der Selbstdarstellung heißt es: „Die Ahnenstätte Conneforde ist ein Verein, der es als seinen ausschließlichen Zweck betrachtet, diesen Heidenfriedhof zu betreiben. Er führt keine Vortrags- oder Festveranstaltungen durch und ist auch keine geistige Gemeinschaft im üblichen Sinne. Gegenstand seiner Bestrebung ist lediglich das gemeinsame Interesse aller Heiden, auf einem heidnischen und nicht auf einem staatlich-christlichen Friedhofe dereinst zur ewigen Ruhe gebettet zu werden.“6 An anderer Stelle heißt es: „Die Ahnenstatt steht allen Heiden aus Nordniedersachsen offen. Die Voraussetzung für die Aufnahme ist der Austritt aus der Kirche. Die Ahnenstätte Conneforde bietet Heiden mehrere Vorteile, die wir auf staatlichen bzw. christlichen Friedhöfen nicht haben. Die christlichen Zeichen für Geburt (Sternchen) und Tod (Kreuz) sind nicht gestattet. An ihrer Stelle finden die Lebensrune ... und die Todesrune ... Verwendung.“7

Der Osnabrücker Asatrú-Anhänger Matthias Stock verfolgt derzeit ein höchst eigenwilliges Projekt. Es heißt „Wurdarborn“ und widmet sich „der Wiederbelebung des Lebens der alten Germanen“. Im Internet gibt Stock mit vielen Fotos und tagebuchähnlichen Einträgen über den Stand der „Baumaßnahmen“ Auskunft: „Es geht dabei nicht ausschließlich um eine authentische Rekonstruktion, sondern um den Weg zu einer alternativen Lebensweise, die auf dem Erbe der germanischen Ahnen aufbaut, gleichzeitig aber den Gegebenheiten der heutigen Zeit angepasst ist. Ziel ist es, eine nachhaltige Lebensweise für die Gegenwart und Zukunft zu erschaffen und vorzuleben.“8 Der überzeugte Neugermane ist derzeit dabei, an einem nicht näher bekannten Ort nach Vorbild des germanischen Opfermoors im thüringischen Oberdorla einen sog. „Opferwald“ für persönliche Feste und Rituale für Jahres- und Lebenskreisfeste (von Kindsweihe bis zu Bestattungen) anzulegen. Vorgesehen ist u. a. die Errichtung von Feueraltar, Schiffsheiligtum, Pferdeopfer, Holzidolen und einer Einhegung, Steinkreis, Trojaburg und Questenbaum: „Da es sich bei Asatru um einen lebendigen Glauben und nicht nur um die Rekonstruktion einer alten Religion handelt, werden auch neue Bauelemente in den Platz integriert, die es damals nicht gab, z. B. eine Kräuterspirale und einen Brunnen.“9 Im „Opferwald“ sollen neugermanische Rituale gepflegt, aber auch der Pferdeopfer „der Ahnen“ soll gedacht werden. So bekennt der Osnabrücker Asatrú-Anhänger freimütig: „Im Juli 2007 habe ich vom Pferdeschlachter einen Ponyschädel erhalten, den ich im Opferwald, einen halben Kilometer vom Ritualplatz entfernt ins Unterholz gelegt habe. Gut mit Gestrüpp bedeckt, lasse ich ihn einige Zeit dort liegen und die Ameisen ihr Werk verrichten. Anschließend wird der dann ganz blanke Schädel zum Ritualplatz transportiert und dort aufgestellt. Zu einem späteren Zeitpunkt werde ich das Pferdeopfer durch ein gegerbtes Pferdefell komplettieren.“10


Anmerkungen


1 Online-Ausgabe der Süddeutschen Zeitung vom 22.7.2008, www.sueddeutsche.de/wissen/artikel/658/187065  (21.7.2008).

www.wcer.org.

3 Vgl. MD 2/2007, 76. S. auch Hans Krech / Matthias Kleiminger (Hg.), Handbuch Religiöse Gemeinschaften und Weltanschauungen, Gütersloh 62006, 624. – Zum neugermanischen Heidentum insgesamt: Matthias Pöhlmann (Hg.), Odins Erben. Neugermanisches Heidentum: Analysen und Kritik, EZW-Texte 184, Berlin 2006.

www.eldaring.de.

5 Vgl. MD 10/2007, 388f.

6 Vgl. die Selbstdarstellung im Internet unter: www.ahnenstatt.de.vu.

7 Ebd.

http://wurdarborn.oyla17.de ; Hervorhebungen im Original.

9 Ebd.

10 http://wurdarborn.oyla17.de/cgi-bin/hpm_homepage.cgi


Matthias Pöhlmann