Ein Kränzchen für Krenz
Eine Woche vor Weihnachten hat das Berliner Kammergericht den letzten Staatsratsvorsitzenden der DDR, Egon Krenz, vorzeitig aus der Haft entlassen. Krenz war 1997 wegen seiner Mitverantwortung für die Toten an der Berliner Mauer in vier Fällen zu einer sechseinhalbjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Im Dezember 2003 setzten die Berliner Richter den Rest der Strafe auf Bewährung aus. Krenz war seit Haftbeginn im Jahr 2000 Freigänger und konnte die Justizvollzugsanstalt Plötzensee tagsüber verlassen, um einer Arbeit nachzugehen. Er erlebte also Haftbedingungen, von denen man in der DDR nur hätte träumen können.
Der Dortmunder Deutsche Freidenker-Verband hat die Entlassung von Krenz mit emphatischen Worten gefeiert. In einer Grußadresse schrieb der DFV-Vorsitzende Klaus Hartmann: "Es ist eine unbeschreibliche Genugtuung, verbunden mit einem ebensolchen Glücksgefühl, Dich wieder in Freiheit zu wissen." Besonders hervorgehoben wird, dass Krenz das Gefängnis "mit absolut aufrechtem Gang und nicht auf dem 'Gnaden'-Wege" verlassen hat. Die Deutschen Freidenker sehen sich nunmehr ermutigt, ihre Kraft für "die Befreiung der anderen politischen Gefangenen" in Palästina und im Irak einzusetzen. Namentlich genannt werden Mumia Abu Jamal, die "Miami 5" und Slobodan Milosevic, der sich bekanntlich wegen Völkermord, Beihilfe zum Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag verantworten muss und für dessen Befreiung sich die Deutschen Freidenker schon länger engagieren (vgl. MD 9/2002, 277f). Und auch im Kampf gegen die "Kriminalisierung der DDR" gilt es nicht zu erlahmen: "Eine bessere Gesellschaft als der verrottete und brandgefährliche Kapitalismus ist möglich, für sie lohnt es sich, zu kämpfen." Hartmanns Grußbotschaft endet mit dem Ausblick auf die alljährliche Liebknecht-Luxemburg-Demonstration auf dem Friedhof der Sozialsten in Berlin: "Lieber Egon, ich wünsche Dir von Herzen alles Gute, erholsame Tage, ein kämpferisches 2004! Bis im Januar in Berlin, bei den Gräbern von Rosa und Karl ..."
Tote können sich nicht wehren. Die "Gräber von Rosa und Karl" sind ungewiss. Gewiss ist nur - und das ist eine tröstliche Metapher: das Grab dieser klugen und feinsinnigen Frau befindet sich nicht dort, wo man glaubt, sie zu ehren.
Andreas Fincke